VwGH vom 02.09.2009, 2008/15/0043

VwGH vom 02.09.2009, 2008/15/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Linz gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0510- L/02, betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 1996 und 1997 (mitbeteiligte Partei: v AG, vertreten durch ICON Wirtschaftstreuhand GmbH in 4030 Linz, Voest-Alpine Straße 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte erwarb in den Jahren 1996 und 1997 in insgesamt fünf Tranchen griechische Staatsanleihen. Zugleich schloss die Mitbeteiligte mit den die Staatsanleihen verkaufenden Banken Put-Optionen ab, aufgrund welcher sie das Recht erwarb, die Staatsanleihen innerhalb eines Zeitraumes von drei bis sechs Monaten wieder zu verkaufen. Unter einem wurden mit den die Staatsanleihen verkaufenden Banken Devisentermingeschäfte abgeschlossen.

Die Mitbeteiligte übte die Put-Optionen zum Verkauf der Wertpapiere zu den vereinbarten Stichtagen aus und konvertierte die Devisen aufgrund der Devisentermingeschäfte in ATS.

Aus den griechischen Staatsanleihen erzielte die Mitbeteiligte Zinseinnahmen, die sie aufgrund des Art. 11 des DBA-Griechenland als steuerfrei behandelte. Die aus dem Verkauf der Anleihen und aus den Währungstransaktionen resultierenden Verluste machte die Mitbeteiligte gewinnmindernd geltend. Ebenso wurden die Vermittlungsprovisionen und die Entgelte für den Erwerb der Optionen gewinnmindernd geltend gemacht.

Im Zuge einer Buch- und Betriebsprüfung vertraten die Prüfer die Auffassung, Rechtsfolge des DBA-Griechenland sei, dass nicht nur der Bruttobetrag an Zinsen steuerfrei gestellt werde, sondern dass auch Aufwendungen, die in einem erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Zinsen stünden, vorrangig mit diesen steuerfreien Zinsen zu verrechnen seien und daher das steuerliche Ergebnis nicht mindern dürften. Der wirtschaftliche Zusammenhang könne nicht nur deshalb in Abrede gestellt werden, weil sich der Verlust formalrechtlich als solcher aus der Veräußerung der Anleihe darstelle. Stehe ein derartiger Verlust bereits bei der Anschaffung der Anleihe fest und sei davon auszugehen, dass er bei der Beurteilung des zu erzielenden Kapitalertrages bereits miteinkalkuliert gewesen sei, dann kürze er nicht nur ökonomisch, sondern auch steuerlich den Zinsenertrag. Die Verluste aus der Veräußerung der Anleihen, die Verluste aus den Devisentermingeschäften, die Vermittlungsprovisionen und die Optionsentgelte stünden in einem erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerfreien Zinsen.

Gegen die im wieder aufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 1996 und 1997, mit welchen sich das Finanzamt der Ansicht der Prüfer anschloss, wurde von der Mitbeteiligte berufen. In der Berufung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die steuerfrei zu stellenden Zinserträge aus griechischen Staatsanleihen nur insoweit zu kürzen seien, als diesen Erträgen Aufwendungen gegenüberstünden. Aufwendungen, die den Kapitalstamm beträfen (Verlust aus dem Abgang der Anleihen, Teilwertabschreibungen und Vermittlungsprovisionen), kürzten die steuerfrei zu stellenden Zinserträge nicht, weshalb diese nur um die Sicherungskosten zu kürzen seien.

Die belangte Behörde forderte das Finanzamt nach Vorlage der Berufung auf, zu überprüfen, ob die Mitbeteiligte zugleich mit dem Erwerb der Staatsanleihen auch ein Geschäft über den Rückkauf zu einem festen Wechselkurs und/oder einem fixen Anleihekurs abgeschlossen habe.

In Befolgung dieses Auftrages stellte das Finanzamt die Abwicklung der gegenständlichen Geschäfte anhand des Beispiels einer Anleihe im Nominale von 4,5 Mrd. GRD dar und traf die Feststellung, dass zwischen den steuerfreien Zinsen und den Verlusten aus den Devisentermingeschäften jedenfalls ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Schwieriger sei die Frage zu beantworten, ob die Ausübung der Put-Optionen bereits bei Abschluss der Geschäfte festgestanden sei. Tatsache sei, dass die bei Ausübung der Put-Optionen zu erzielenden Erlöse (Nominale zuzüglich Zinsen) mit jenen Beträgen übereinstimmten, die die mitbeteiligte Partei der jeweiligen Bank in Erfüllung der Devisentermingeschäfte hätte liefern müssen, weshalb es sehr wahrscheinlich sei, "dass sie die Staatsanleihe (Ausübung der Option - in GRD) für die Erfüllung des Termingeschäftes verwenden wird".

Anlässlich einer Erörterung gemäß § 279 Abs. 3 BAO brachte die Mitbeteiligte vor, dass ihr die Möglichkeit der Optionsausübung einen Liquiditätsfreiraum und finanzielle Beweglichkeit ermöglicht habe. Es habe bei allen fünf Tranchen Wahlfreiheit in Bezug auf die Ausübung gegeben. Dass die Option ausgeübt werde, sei bei Zeichnung der jeweiligen Anleihe nicht vorhersehbar gewesen. Rund zwei Tage vor Ausübung der Option seien Angebote über alternative Veranlagungen eingeholt worden, auf Grund welcher die Option ausgeübt worden sei. Klar sei, dass die Verluste aus den Devisentermingeschäften und die Optionsprämien nicht abzugsfähig seien.

Der Vertreter des Finanzamtes führte anlässlich der Erörterung aus, dass eine Anerkennung der Verluste aus der Put-Option bei den ersten zwei Geschäften in Aussicht gestellt werden könne. Bei den weiteren Tranchen habe die Mitbeteiligte anhand der Erfahrung mit den ersten beiden Wertpapiertransaktionen schon von vornherein gewusst, dass die Option ausgeübt werde, weil mit einem fallenden Anleihekurs zu rechnen gewesen sei. Nach der Rechtsprechung sei entscheidend, dass die später eintretende Kursentwicklung von vornherein mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen sei. So wie die Geschäfte abgelaufen seien, komme es einer von vornherein festgelegten Differenz zwischen Ausgabe- und Einlösewert ziemlich nahe.

Über Aufforderung der belangten Behörde legte die Mitbeteiligte im Anschluss an die Erörterung u.a. Unterlagen betreffend die im Zusammenhang mit den gegenständlichen Anleihen erzielten Zinsen der Jahre 1996 und 1997, Charts über die Zinsentwicklung griechischer Staatsanleihen in den Jahren 1994 bis 2002 und Charts über die Kursentwicklung griechischer Staatsanleihen nach Ausübung der Optionen vor, aus denen ersichtlich sei, dass es bei den gegenständlichen Anleihen sehr wohl zu Kursschwankungen gekommen sei. Ergänzend brachte die Mitbeteiligte zudem vor, dass die Devisentermingeschäfte bei Nichtausübung der Option verlängert worden wären und die Ausübung der Put-Optionen bei Abschluss der Geschäfte weder festgestanden noch vereinbart worden sei.

Die ergänzenden Ausführungen der Mitbeteiligten und die von der Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen wurden dem Finanzamt zur Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme dazu erfolgte nicht.

In weiterer Folge schränkte die Mitbeteiligte ihre Berufung unter Bezugnahme auf die hg. Erkenntnisse vom , 2002/15/0033, und vom , 99/14/0099, ein; begehrt wurde nunmehr, die aus dem Verkauf der Anleihen resultierenden Verluste als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung im eingeschränkten Umfang Folge gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , 2000/14/0063, ausgeführt, dass Kurswertänderungen (ausnahmsweise) dann dem Bereich der Erzielung von Zinserträgen zugeordnet werden könnten, wenn die Wertminderung des Vermögensstammes bereits bei Eingehen der Kapitalinvestition feststehe. Es müssten Umstände aufgezeigt werden, nach welchen die später eingetretenen Kursentwicklungen von vornherein mit hoher Wahrscheinlichkeit hätten erwartet werden können.

Eine Verpflichtung der Mitbeteiligten, die Anleihen zum Optionskurs zu verkaufen, habe nicht bestanden. Die Anleihen hätten daher bei Kursgewinnen zum höheren Preis verkauft werden können.

Dass bei griechischen Staatsanleihen immer mit fallenden Kursen zu rechnen gewesen sei, habe die Mitbeteiligte widerlegt. Die vorgelegten Charts über die Kursentwicklung zweier Anleihen beträfen zwar Zeiträume nach dem Verkauf der Anleihen, zeigten aber auf, dass es sehr wohl zu Kursschwankungen gekommen sei. Eine der Anleihen sei am gekauft (Kurs 98,75) und am in Ausübung der Option verkauft worden (Kurs 98,375). Die Kursentwicklung für den Zeitraum bis sei nachgewiesen. "Dabei betrug der niedrigste Kurswert am 95,825 GRD und der Höchstkurs am 102,994 GRD." Ein ähnliches Bild ergebe sich bei einer zweiten Anleihe, deren Kurs Ende 1997 100,40 GRD betragen habe und bis Anfang 2000 auf 103,60 GRD angewachsen sei. "Weiters lassen zwei vorgelegten Charts über die Zinsentwicklung zwar einen sinkenden Trend erkennen, der aber immer wieder durch kurze Gegenbewegungen durchbrochen wurde."

Die Staatsanleihen seien bei verschiedenen Banken gekauft worden und hätten keinen einheitlichen Kauftermin, unterschiedliche Laufzeiten und Zusatzgeschäfte sowie zum Teil differierende Nominalzinssätze aufgewiesen. Dass die Option bei den ersten beiden Transaktionen ausgeübt worden sei, lasse daher nicht darauf schließen, dass sie auch bei allen anderen Transaktionen ausgeübt werde. Die Ausübung der Option hänge vom jeweiligen Anleihekurs ab, der wesentlich von der Zinsentwicklung auf dem Markt beeinflusst werde. Die vorliegenden Zinsencharts zeigten zwar eine sinkende Tendenz auf, die kurzfristigen Korrekturbewegungen hätten aber Auswirkung auf die Anleihekurse, weshalb ein Gewinn aus der Veräußerung der Anleihen nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen sei.

Dass die Staatsanleihen für die Erfüllung der Devisentermingeschäfte benötigt worden seien, lasse nicht den Schluss zu, dass die Inanspruchnahme der Option schon bei Vertragsbeginn festgestanden sei, da es für den Fall, dass die Option nicht ausgeübt werde, zu einer Verlängerung oder einer neuen Absicherung gekommen wäre.

Da nicht von vornherein sicher gewesen sei, dass der Verkauf der Anleihen zu einem Verlust führen werde, liege auch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Vergleichbarkeit mit einer von vornherein vertraglich festgelegten Differenz zwischen Ausgabe- und Einlösekurs vor, weshalb die auf Grund der Entwicklung des Anleihekurses entstandenen Verluste dem in den Betriebsvermögensvergleich einzubeziehenden Vermögensstamm zuzurechnen seien.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.

Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und die Mitbeteiligte hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach Art. 11 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Griechenland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 39/1972 (im Folgenden: DBA-Griechenland), dürfen Zinsen aus Staatsanleihen eines Vertragsstaates nur in diesem Staat besteuert werden. Nach Abs. 5 leg.cit. bedeutet der in Abs. 2 verwendete Ausdruck "Zinsen" (u.a. die gegenständlich in Rede stehenden) "Einkünfte aus öffentlichen Anleihen".

Die Mitbeteiligte erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, in denen Einkünfte aus (öffentlichen) Anleihen im Sinne des Art. 11 Abs. 2 DBA-Griechenland enthalten sind. Für Zwecke der Anwendung des DBA-Griechenland sind somit die abkommensgemäß steuerfrei zu stellenden "Teil-Einkünfte" aus dem Gesamtbetrag der Einkünfte herauszuschälen. Im Beschwerdefall ist strittig, ob die im Zusammenhang mit den Anleihen stehenden Teilwertabschreibungen und die realisierten Verluste aus dem Verkauf der Anleihen mit den Zinseinnahmen in Zusammenhang stehen, oder - so die Ansicht der belangten Behörde - mit dem (in den Betriebsvermögensvergleich einzubeziehenden) Vermögensstamm.

Wie der Verwaltungsgerichtshof mit eingehender Begründung in seinen Erkenntnissen vom , 2000/14/0063, vom , 2002/15/0033, und vom , 99/14/0099, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu Recht erkannt hat, können Kurswertänderungen (ausnahmsweise) dann dem Bereich der Erzielung von Zinserträgen zugeordnet werden, wenn die Wertminderung des Vermögensstammes bereits bei Eingehen der Kapitalinvestition feststeht. Das beschwerdeführende Finanzamt erachtet eine derartige Konstellation im vorliegenden Fall für gegeben und vermeint, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung, es wäre nicht von vornherein sicher gewesen, dass der Verkauf der Anleihen zu einem Verlust führen werde, unschlüssig sei und gegen die Lebenserfahrung verstoße. Vielmehr stehe aufgrund der vorliegenden Unterlagen mit der Lebenserfahrung im Einklang, dass für die Mitbeteiligte im Zeitpunkt des Ankaufes der gegenständlichen Anleihen bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestanden sei, dass die Kurse der angekauften Anleihen fallen würden, "weswegen bereits im Zeitpunkt des Ankaufes mit der Ausübung der Put-Option mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen gewesen ist".

Dem ist zu entgegnen, dass die Mitbeteiligte - laut den unbekämpft gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde - sich nicht in einer Vereinbarung verpflichtet hatte, die Anleihen zum Optionskurs zu verkaufen, und die Entwicklung von Anleihekursen von einer Vielzahl verschiedener Faktoren (Marktzinsniveau, Konjunkturerwartung, Aktienmarktvolatilität, Devisenkursschwankungen, Laufzeit, Inflation etc.) abhängt, weshalb die kurz- und mittelfristige Kursentwicklung auch bei einer langfristig fallenden Tendenz regelmäßig nicht vorhersehbar ist. Damit kann der belangten Behörde aber nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangte, dass nicht von vornherein sicher gewesen ist, dass der Verkauf der Anleihen zu einem Verlust führen wird. Folglich ist die Feststellung, dass auch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Vergleichbarkeit mit einer von vornherein vertraglich festgelegten Differenz zwischen Ausgabe- und Einlösekurs vorliegt, weshalb die auf Grund der Entwicklung des Anleihekurses entstandenen Verluste dem in den Betriebsvermögensvergleich einzubeziehenden Vermögensstamm zuzurechnen sind, nicht zu beanstanden. Dies gilt umso mehr, als die Mitbeteiligte nachgewiesen hat, dass es bei zumindest zwei der in Rede stehenden Anleihen - wenn auch nach Ausübung der Optionen -

zu Kursgewinnen gekommen wäre.

Soweit das beschwerdeführende Finanzamt der belangten Behörde vorwirft, Verfahrensvorschriften verletzt zu haben, und vermeint, diese habe gegen die sich aus § 115 BAO ergebende Ermittlungspflicht bezüglich des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes verstoßen, ist vorweg daran zu erinnern, dass das Finanzamt nach Vorlage der Berufung von der belangten Behörde aufgefordert wurde, die nunmehr vermissten Erhebungen durchzuführen. Abgesehen davon hat die belangte Behörde sehr wohl Ermittlungen durchgeführt und die - der angefochtenen Berufungsentscheidung zu Grunde liegenden - Ermittlungsergebnisse dem Finanzamt zur Stellungnahme übermittelt, wobei eine Stellungnahme nicht erfolgt ist. Damit ist aber auch dieses Vorbringen nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz an die mitbeteiligte Partei gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am