VwGH vom 27.11.2018, Ra 2018/17/0054
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kovacs, über die Revision der A D in T, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-S-2131/001-2015, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom wurde die Revisionswerberin der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 (drittes Tatbild) iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe in der Höhe vonEUR 3.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Die Kosten gemäß § 64 Abs. 2 VStG wurden mit EUR 300,-- bestimmt.
2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), in welcher sie Rechtswidrigkeit aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptete und die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu die Abänderung des Straferkenntnisses nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens bzw. die Herabsetzung der verhängten Strafe beantragte.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - insoweit statt, als die Geldstrafe mit EUR 1.500,-- (sowie die Ersatzfreiheitsstrafe) neu bemessen wurde und die Kosten des behördlichen Verfahrens mit EUR 150,-- bestimmt und zur Zahlung vorgeschrieben wurden. Weiters sprach das LVwG aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit einem Antrag auf Kostenersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision erweist sich bereits hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens, das LVwG habe im Revisionsfall entgegen näher genannter ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine mündliche Verhandlung durchgeführt, als zulässig und begründet.
6 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, stellt die Verletzung der Verhandlungspflicht bzw. des Unmittelbarkeitsgrundsatzes einen Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze bzw. eine konkrete schwerwiegende Verletzung von Verfahrensvorschriften und damit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa , mwN).
7 Entgegen dem Revisionsvorbringen wurde in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war der gegen die Revisionswerberin erhobene Vorwurf, eine Übertretung des GSpG zu verantworten zu haben, sodass im Hinblick auf die Frage der Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung § 44 VwGVG anzuwenden war.
8 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. So entfällt die Verhandlung nach Abs. 2 leg. cit., wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Beide Voraussetzungen lagen nach den Feststellungen des LVwG im angefochtenen Erkenntnis im Revisionsfall nicht vor. Da das LVwG mit Erkenntnis entschieden hat, kam auch ein Absehen von der Verhandlung nach § 44 Abs. 4 VwGVG, welcher voraussetzt, dass das Verwaltungsgericht einen Beschluss zu fassen hat, nicht in Betracht (vgl. nochmals , mwN).
9 In der Beschwerde wurde weiters weder nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet, noch richtete sie sich nur gegen die Höhe der Strafe oder gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde eine EUR 500,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Auch ein ausdrücklicher Verzicht aller Parteien auf die Durchführung einer Verhandlung ist weder den Ausführungen des LVwG im angefochtenen Erkenntnis noch den vorgelegten Verfahrensakten zu entnehmen. Aus diesem Grunde konnte das LVwG das Unterbleiben der Verhandlung auch nicht auf § 44 Abs. 3 oder Abs. 5 VwGVG stützen.
10 Indem das LVwG daher im Revisionsfall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen hat, erweist sich das angefochtene Erkenntnis infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als rechtswidrig.
11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
12 Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen.
13 Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass das LVwG im fortzusetzenden Verfahren eine Prüfung im Hinblick auf § 43 VwGVG anzustellen haben wird. Nach dieser Bestimmung tritt ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft, wenn seit Einlangen der rechtzeitig und zulässig eingebrachten Beschwerde 15 Monate vergangen sind, wobei in diese Frist die Zeiten gemäß § 34 Abs. 2 und § 51 VwGVG nicht eingerechnet werden.
14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170054.L00 |
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