VwGH vom 18.12.2019, Ra 2018/17/0053
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des L K in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-S-2133/001-2015, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Die Kosten wurden gemäß § 64 Abs. 2 VStG bestimmt. 2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG).
3 Das LVwG gab - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis der Beschwerde insoweit statt, als die Geldstrafe sowie die Ersatzfreiheitsstrafe und die Kosten des behördlichen Strafverfahrens auf EUR 500,-- herabgesetzt wurden. Weiters sprach das LVwG aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision erweist sich bereits hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens, das LVwG habe im Revisionsfall entgegen näher genannter ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine mündliche Verhandlung durchgeführt, als zulässig und begründet.
6 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, stellt die Verletzung der Verhandlungspflicht bzw. des Unmittelbarkeitsgrundsatzes einen Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze bzw. eine konkrete schwerwiegende Verletzung von Verfahrensvorschriften und damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa , mwN).
7 Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem LVwG war der gegen den Revisionswerber erhobene Vorwurf, eine Übertretung des GSpG zu verantworten zu haben, sodass im Hinblick auf die Pflicht zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung § 44 VwGVG anzuwenden war.
8 Im Revisionsfall hat der Revisionswerber in seiner Beschwerde keine mündliche Verhandlung beantragt. Das LVwG hat eine solche auch nicht aus eigenem durchgeführt.
9 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. So entfällt die Verhandlung nach Abs. 2 leg. cit., wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Beide Voraussetzungen lagen im Revisionsfall nicht vor. Da das LVwG mit Erkenntnis entschieden hat, kam auch ein Absehen von der Verhandlung nach § 44 Abs. 4 VwGVG, das voraussetzt, dass das Verwaltungsgericht einen Beschluss zu fassen hat, nicht in Betracht (vgl. z.B. wieder , mwN). 10 Auch die das Absehen von einer Verhandlung ermöglichenden Bestimmungen des § 44 Abs. 3 Z 1 bzw. 2 VwGVG (die weiteren Tatbestände dieser Bestimmung kommen fallbezogen nicht in Betracht) kommen im Revisionsfall nicht zur Anwendung. Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber in seiner Beschwerde gegen das Straferkenntnis nämlich die Begehung der Verwaltungsübertretung bestritten, fehlende Sachverhaltsermittlungen behauptet und Milderungsgründe für die Strafbemessung geltend gemacht. Damit hätte ein Absehen von der Verhandlung auch nicht auf § 44 Abs. 3 VwGVG gestützt werden können. Ebenso wenig ist den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten ein Verzicht auf die Durchführung einer Verhandlung durch den Revisionswerber und das Finanzamt zu entnehmen; solches wurde auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgebracht (§ 44 Abs. 5 VwGVG). 11 Dieser Verfahrensmangel war im Hinblick auf Art. 6 EMRK jedenfalls wesentlich (vgl. ). 12 Da das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war, brauchte auf das weitere Revisionsvorbringen nicht eingegangen werden.
13 Im fortzusetzenden Verfahren wird das LVwG auch eine Prüfung nach § 43 VwGVG durchzuführen haben. Nach dieser Bestimmung tritt ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft, wenn seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde 15 Monate vergangen sind, wobei in diese Frist die Zeiten gemäß § 34 Abs. 2 und § 51 VwGVG nicht eingerechnet werden.
14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018170053.L00 |
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