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VwGH vom 12.06.2013, 2013/04/0024

VwGH vom 12.06.2013, 2013/04/0024

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2013/04/0014 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Zirm, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Dr. Stephan Denk, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen den Bescheid des Vorstandes der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) vom , Zl. V AGB G 15/12, PA 5442/12, betreffend Genehmigung Allgemeiner Bedingungen des Netzzuganges zu Verteilerleitungsanlagen nach dem GWG 2011 (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Verteilernetzbetreiber iSd § 7 Abs. 1 Z. 72 Gaswirtschaftsgesetz 2011 - GWG 2011. Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Vorstand der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control), im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet, die Allgemeinen Bedingungen des Netzzugangs zu Verteilerleitungsanlagen (kurz: Allgemeine Bedingungen bzw. AB VN) der Beschwerdeführerin genehmigt (Spruchpunkt 1.) und unter einem (Spruchpunkt 2.) mehrere Auflagen vorgeschrieben.

Im Beschwerdefall ist folgende Auflage 2.g. von Bedeutung:

"In Punkt G XXIX sind folgende Absätze einzufügen:

Beruft sich ein Netzbenutzer gegenüber einem Versorger auf das Recht auf Versorgung in letzter Instanz gemäß § 124 GWG 2011, ist der Netzbetreiber zur Netzdienstleistung, unbeschadet allfälliger bis zu dieser Berufung ausständiger Zahlungen, verpflichtet. Der Netzbetreiber kann jedoch die Bereitstellung der Netzdienstleistung von einer Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung in Höhe von einer Teilbetragszahlung für einen Monat abhängig machen. Beruft sich ein Netzbenutzer auf das Recht auf Versorgung in letzter Instanz und wird erneut mit Zahlungen säumig, ist der Netzbetreiber bis zur Bezahlung dieser ausstehenden Beträge zur Abschaltung berechtigt. Ziffer (3) gilt sinngemäß. Keine Verpflichtung zur Netzdienstleistung besteht, wenn aus den im Gesetz genannten Gründen der Netzzugang durch den Netzbetreiber ganz oder teilweise verweigert wird.

Beruft sich ein Netzbenutzer auf das Recht auf Versorgung in letzter Instanz gemäß § 124 GWG 2011, ist sinngemäß das Verfahren einer Neuanmeldung iSd Verordnung gemäß § 123 GWG 2011 heranzuziehen. Dabei verkürzen sich die in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen für die Prüfung auf Übereinstimmung der Daten auf 24 Stunden und für die Inbetriebnahme bei Anlagen, bei denen eine Messeinrichtung vorhanden ist, auf einen Arbeitstag."

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe über Aufforderung durch die belangte Behörde die Genehmigung der Allgemeinen Bedingungen am beantragt. Nach Prüfung des Antrages und Aufforderung durch die belangte Behörde habe die Beschwerdeführerin die Allgemeinen Bedingungen in einigen Punkten angepasst und schließlich am die gegenständliche, geänderte Fassung der Allgemeinen Bedingungen zur Genehmigung eingereicht. Gemäß § 28 GWG 2011 sei die Regulierungsbehörde für die Genehmigung sowie für jede Änderung der Allgemeinen Bedingungen zuständig. Soweit dies zur Erfüllung der Vorschriften des GWG 2011 erforderlich sei, könne die Genehmigung unter Auflagen oder Bedingungen erteilt werden. Verteilernetzbetreiber seien überdies verpflichtet, soweit dies zur Erreichung eines wettbewerbsorientierten Marktes erforderlich sei, die Allgemeinen Bedingungen aufgrund einer Aufforderung seitens der Regulierungsbehörde zu ändern. Bei der Genehmigung der Allgemeinen Bedingungen sei u.a. § 28 Abs. 2 und 3 GWG 2011 zu berücksichtigen. Die von der Beschwerdeführerin eingereichten Allgemeinen Bedingungen entsprächen inhaltlich großteils der von der Behörde empfohlenen Musterfassung. Konkret zur Auflage 2.g. führte die belangte Behörde begründend aus:

"Die Geltendmachung des Rechts auf Versorgung in letzter Instanz gemäß § 124 GWG 2011 setzt einen intakten Netzanschluss voraus. Hätte im Falle einer Berufung auf den Versorger letzter Instanz der Netzbetreiber die Möglichkeit, den Zugang zum Netz auszusetzen bzw. zu unterbrechen, liefe dies dem Sinn und Zweck der gesamten Regelung, die auf die Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt zurückgeht, zuwider. Die Europäische Kommission prüft zudem die Qualität der Umsetzung nicht nur am reinen Wortlaut des Gesetzes, sondern an den praktischen Auswirkungen. Die von Österreich gewählte Umsetzung ist zwar gemäß dem Wortlaut der Richtlinie erfolgt, würde dieser jedoch letztendlich widersprechen, wenn die praktische Anwendung dermaßen erfolgt, dass sich die Regelung totläuft. Sowohl die europarechtliche Vorgabe, als auch deren nationale Umsetzung zielen darauf ab, dass der Kunde eine zweite Chance erhält: Er soll auch im Falle von Zahlungsrückständen nicht von der Versorgung mit elektrischer Energie abgeschnitten bleiben. Jede andere Auslegung würde dazu führen, dass die zum Schutze der Kunden geschaffene gesetzliche Verpflichtung in der Praxis nie anwendbar wäre, da in der Regel zugleich Zahlungsrückstände aus der Energierechnung und der Netzrechnung vorhanden sind. Schließlich ist der Netzbetreiber auch Monopolist und hat damit strengeren Anforderungen hinsichtlich der Erbringung seiner Leistungen zu entsprechen. Eine teleologische und richtlinienkonforme Interpretation gebietet es daher, den Netzbetreiber in den Fällen des § 124 GWG 2011 zur Aufrechterhaltung der Netzdienstleistung zu verpflichten. Das Interesse des Netzbetreibers an der Sicherstellung offener Forderungen bleibt durch eine Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung gewahrt. Neben der materiellen Regelung (Punkt XXVII Ziffer 7 der Musterfassung) ist auch ein entsprechendes Verfahren für die Berufung auf die Grundversorgung aufzunehmen (Punkt XXVII Ziffer 8 der Musterfassung); dieses orientiert sich an dem in der Verordnung gemäß § 123 GWG 2011 festgelegten Verfahren der Neuanmeldung (vgl die Punkte 3.2.1 und 3.3.1 des Anhangs zur Wechselverordnung Gas 2012). Aus diesen Gründen sind die in der Musterfassung enthaltenen Bestimmungen (Punkt XXVII Ziffern 7 und 8) in die AB VN aufzunehmen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat. Die Beschwerdeführerin hat zusätzlich Stellungnahmen abgegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In ihrer Beschwerde wendet die Beschwerdeführerin ein, dass bei der Genehmigung der Allgemeinen Bedingungen rechtswidrig die zitierte Auflage 2.g. vorgeschrieben worden sei.

Unter Hinweis auf den Wortlaut des § 124 GWG 2011 führt sie in den Beschwerdegründen u.a. aus, dass sie durch die gegenständliche Auflage zur Netzdienstleistung verpflichtet werde, obwohl der Netzbenutzer, der sich auf das Recht auf "Versorgung in letzter Instanz" berufe, eine Vorauszahlung bzw. Sicherheitsleistung lediglich für einen Monat leisten müsse. Damit kämen nicht nur sozial bedürftige oder sonst in irgendeiner Form benachteiligte Personen in den Genuss der Netzdienstleistung unter erleichterten Bedingungen (Vorauszahlung für bloß einen Monat), sondern es könnten sich auch Wohlhabende, die sich weigerten, ihren regulären Gasbezug zu bezahlen, auf dieses Recht berufen. Durch die "Versorgung in letzter Instanz" würden alle Haushaltskunden, die große Zahl der Gewerbetreibenden und faktisch alle Freiberufler und Landwirte begünstigt. Dies bedeute umgekehrt für die Beschwerdeführerin, dass sie einem unakzeptablen wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt werde, weil sie Netzbenutzer mit Netzdienstleistung und Energie beliefern müsse, obwohl die Vorauszahlung bzw. Sicherheitsleistung systematisch nur einen Teil der in Anspruch genommenen Leistungen abdecke. Verschärfend komme hinzu, dass die Beschwerdeführerin in allen Fällen einer Vertragsbeendigung zuvor ein qualifiziertes Mahnverfahren (zweimalige Mahnung mit jeweiliger Nachfristsetzung) durchführen müsse, sodass sich im Falle der "Versorgung in letzter Instanz" bis zur Abschaltung der Energielieferung wegen Nichtbezahlung in der Praxis eine Mindestlieferdauer von 60 Tagen ergebe, für welche die Beschwerdeführerin lediglich die genannte Vorauszahlung/Sicherstellung für 30 Tage erhalte. Unter dem Gesichtspunkt der Unverhältnismäßigkeit der Auflage führt die Beschwerdeführerin weiter aus, sie müsse angesichts der genannten Auflage "sehenden Auges" mit jedem zahlungssäumigen Kunden Verträge abschließen, die typischerweise mit uneinbringlichen Aufwendungen verbunden seien.

Abgesehen davon gelte die Begünstigung des § 124 Abs. 2 dritter Satz GWG 2011 betreffend die Beschränkung der Vorauszahlung/Sicherheitsleistung auf die einmonatige Leistung nur für den "Verbraucher iSd § 1 Abs. 1 Z. 2 KSchG", der sich auf die Grundversorgung berufe. Demgegenüber habe die belangte Behörde diese Begünstigung in der bekämpften Auflage auf alle in § 124 Abs. 1 GWG 2011 genannten Netzbenutzer, somit auch auf Kleinunternehmen, ausgedehnt. Dies sei rechtswidrig und führe zu einer weiteren unverhältnismäßigen Belastung der Beschwerdeführerin. Diese Erweiterung des Kreises der Begünstigten durch die Auflage sei auch unionsrechtlich nicht geboten, weil es die Richtlinie 2009/73/EG in ihrem Art. 3 ausdrücklich dem Mitgliedstaat überlässt, den Kreis der "schutzbedürftigen Kunden" zu bestimmen.

Im Übrigen sei die Beschwerdeführerin ihrer Ansicht nach von der Verpflichtung des § 124 Abs. 1 GWG 2011 gar nicht erfasst, weil diese Bestimmung lediglich Erdgashändler und sonstige Versorger betreffe, nicht jedoch Netzbetreiber.

1.2. Art. 3 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt lautet auszugsweise (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Artikel 3

Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

und Schutz der Kunden

(1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten entsprechend ihrem institutionellen Aufbau und unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips, dass Erdgasunternehmen unbeschadet des Absatzes 2 nach den in dieser Richtlinie festgelegten Grundsätzen und im Hinblick auf die Errichtung eines wettbewerbsbestimmten, sicheren und unter ökologischen Aspekten nachhaltigen Erdgasmarkts betrieben werden und dass diese Unternehmen hinsichtlich der Rechte und Pflichten nicht diskriminiert werden.

(2) Die Mitgliedstaaten können unter uneingeschränkter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags, insbesondere des Artikels 86, den im Gassektor tätigen Unternehmen im Allgemeinen wirtschaftlichen Interesse Verpflichtungen auferlegen, die sich auf Sicherheit, einschließlich Versorgungssicherheit, Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Versorgung sowie Umweltschutz, einschließlich Energieeffizienz, Energie aus erneuerbaren Quellen und Klimaschutz, beziehen können. Solche Verpflichtungen müssen klar festgelegt, transparent, nicht diskriminierend und überprüfbar sein und den gleichberechtigten Zugang von Erdgasunternehmen der Gemeinschaft zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen. In Bezug auf die Versorgungssicherheit, die Energieeffizienz/Nachfragesteuerung sowie zur Erreichung der Umweltziele und der Ziele für die Energie aus erneuerbaren Quellen im Sinne dieses Absatzes können die Mitgliedstaaten eine langfristige Planung vorsehen, wobei die Möglichkeit zu berücksichtigen ist, dass Dritte Zugang zum Netz erhalten wollen.

(3) Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen zum Schutz der Endkunden und tragen insbesondere dafür Sorge, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht. In diesem Zusammenhang definiert jeder Mitgliedstaat ein Konzept des 'schutzbedürftigen Kunden', das sich auf Energiearmut sowie unter anderem auf das Verbot beziehen kann, solche Kunden in schwierigen Zeiten von der Versorgung auszuschließen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechte und Verpflichtungen im Zusammenhang mit schutzbedürftigen Kunden eingehalten werden. Insbesondere treffen sie geeignete Maßnahmen zum Schutz von Endkunden in abgelegenen Gebieten, die an das Erdgasnetz angeschlossen sind. Sie können für an das Erdgasnetz angeschlossene Kunden einen Versorger letzter Instanz benennen . Sie gewährleisten einen hohen Verbraucherschutz, insbesondere in Bezug auf die Transparenz der Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen und Streitbeilegungsverfahren. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass zugelassene Kunden tatsächlich problemlos zu einem neuen Lieferanten wechseln können. Zumindest im Fall der Haushaltskunden schließen solche Maßnahmen die in Anhang I aufgeführten Maßnahmen ein.

..."

1.3. Das Gaswirtschaftsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 107/2011 (GWG 2011), lautet auszugsweise:

"Anwendungsbereich

§ 3. (1) Dieses Bundesgesetz hat

1. die Erlassung von Bestimmungen für die Fernleitung, die Verteilung, den Kauf oder die Versorgung von Erdgas einschließlich des Netzzugangs sowie des Speicherzugangs;

3. die Festlegung von sonstigen Rechten und Pflichten für Erdgasunternehmen sowie

….

zum Gegenstand, sofern sich aus Abs. 2 nichts anderes ergibt.

Ziele

§ 4. Ziel dieses Bundesgesetzes ist es,

1. der österreichischen Bevölkerung und Wirtschaft Erdgas umweltfreundlich, kostengünstig, ausreichend, sicher und in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen und dessen effizienten Einsatz, insbesondere auch bei der Umwandlung von Strom und Wärme, zu gewährleisten sowie die zur sicheren Erdgasversorgung der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft erforderliche Infrastruktur zu schaffen;

Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

§ 5. (1) Den Netzbetreibern werden nachstehende gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Allgemeininteresse auferlegt:

1. die Gleichbehandlung aller Kunden eines Netzes bei gleicher Charakteristik der Transportleistung;

2. der Abschluss von privatrechtlichen Verträgen mit Netzbenutzern über den Anschluss an ihre Erdgasleitungsanlagen (Allgemeine Anschlusspflicht);

3. die Errichtung und Erhaltung einer für die inländische Erdgasversorgung und für die Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen ausreichenden Erdgasinfrastruktur.

(2) Den Erdgasunternehmen werden nachstehende gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Allgemeininteresse auferlegt:

1. die Erreichung der in § 4 Z 1 und 2 angeführten Ziele mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln;

2. die Erfüllung der durch Rechtsvorschriften auferlegten Pflichten im öffentlichen Interesse.

(3) Erdgasunternehmen haben die bestmögliche Erfüllung der ihnen gemäß Abs. 1 bis 2 im Allgemeininteresse auferlegten Verpflichtungen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln anzustreben.

Begriffsbestimmungen

§ 7. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes bezeichnet der Ausdruck

14. 'Erdgashändler' eine natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die Erdgas kauft oder verkauft, ohne innerhalb oder außerhalb des Netzes, in dem sie eingerichtet ist, eine Fernleitungs- oder Verteilerfunktion wahrzunehmen;

16. 'Erdgasunternehmen' eine natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die in Gewinnabsicht von den Funktionen Fernleitung, Verteilung, Lieferung, Verkauf, Kauf oder Speicherung von Erdgas, einschließlich verflüssigtes Erdgas mindestens eine wahrnimmt und für die kommerziellen, technischen oder wartungsbezogenen Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen verantwortlich ist, mit Ausnahme der Endverbraucher; Unternehmen gemäß Z 58, § 13 und § 17 sind Erdgasunternehmen;

41. 'Netzbenutzer' jede natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die in ein Netz einspeist, aus einem Netz ausspeist oder daraus versorgt wird bzw. deren Anlage an ein Netz angeschlossen ist;

43. 'Netzbetreiber' jeder Fernleitungs- oder Verteilernetzbetreiber;

68. 'Versorger' eine natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die die Versorgung wahrnimmt;

72. 'Verteilernetzbetreiber' eine natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die die Funktion der Verteilung wahrnimmt und verantwortlich ist für den Betrieb, die Wartung sowie erforderlichenfalls den Ausbau des Verteilernetzes in einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls der Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie für die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Verteilung von Gas zu befriedigen;

Bedingungen des Netzzugangs zu Verteilerleitungsanlagen

§ 28. (1) Die Allgemeinen Verteilernetzbedingungen sowie deren Änderungen bedürfen der Genehmigung der Regulierungsbehörde. Diese Genehmigung ist erforderlichenfalls unter Auflagen oder Bedingungen zu erteilen, soweit dies zur Erfüllung der Vorschriften dieses Gesetzes erforderlich ist .

Verteilernetzbetreiber sind verpflichtet, soweit dies zur Erreichung eines wettbewerbsorientierten Marktes erforderlich ist, die Allgemeinen Verteilernetzbedingungen auf Aufforderung der Regulierungsbehörde zu ändern. (…) Die genehmigten Allgemeinen Verteilernetzbedingungen sind im Internet zu veröffentlichen.

(2) Die Allgemeinen Verteilernetzbedingungen dürfen nicht diskriminierend sein und keine missbräuchlichen Praktiken oder ungerechtfertigten Beschränkungen enthalten und weder die Versorgungssicherheit noch die Dienstleistungsqualität gefährden. Insbesondere sind sie so zu gestalten, dass

1. die Erfüllung der dem Verteilernetzbetreiber obliegenden Aufgaben gewährleistet ist;

2. die Leistungen der Netzbenutzer mit den Leistungen des Verteilernetzbetreibers in einem sachlichen Zusammenhang stehen;

3. die wechselseitigen Verpflichtungen ausgewogen und verursachungsgerecht zugewiesen sind;

...

(3) Die Allgemeinen Verteilernetzbedingungen haben insbesondere zu enthalten:

1. die Rechte und Pflichten der Vertragspartner, insbesondere zur Einhaltung der Sonstigen Marktregeln;

...

11. die Vertragsdauer, Bedingungen für eine Verlängerung und Beendigung der Leistungen und des Vertragsverhältnisses;

12. etwaige Entschädigungs- und Erstattungsregelungen bei Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Leistungsqualität und einen Hinweis auf gesetzlich vorgesehene Streitbeilegungsverfahren;

...

15. die Verpflichtung von Netzzugangsberechtigten zur Vorauszahlung oder Sicherheitsleistung (Barsicherheit, Bankgarantie, Hinterlegung von nicht vinkulierten Sparbüchern) in angemessener Höhe , insoweit nach den Umständen des Einzelfalles zu erwarten ist, dass der Netzbenutzer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nicht zeitgerecht nachkommt;

16. Modalitäten, zu welchen der Kunde verpflichtet ist, Teilbetragszahlungen zu leisten, wobei eine Zahlung zumindest zehnmal jährlich jedenfalls anzubieten ist;

...

Versorger letzter Instanz

§ 124. (1) Erdgashändler und sonstige Versorger, zu deren Tätigkeitsbereich die Versorgung von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG zählt, haben ihren Allgemeinen Tarif für die Versorgung in letzter Instanz von Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG in geeigneter Weise (zB Internet) zu veröffentlichen. Sie sind verpflichtet, zu ihren geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen und zu diesem Tarif Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG, und Kleinunternehmen, die sich ihnen gegenüber auf die Grundversorgung berufen, mit Erdgas zu beliefern (Pflicht zur Grundversorgung). Die Regulierungsbehörde ist ermächtigt, nähere Bestimmungen über die Zumutbarkeit einer Grundversorgung und über die Gestaltung der Tarife für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG und Kleinunternehmen für die Versorgung letzter Instanz durch Verordnung festzulegen .

(2) Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG darf nicht höher sein als jener Tarif, zu welchem die größte Anzahl ihrer Kunden, welche Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG sind, versorgt werden. Der Allgemeine Tarif der Grundversorgung für Kleinunternehmen darf nicht höher sein als jener Tarif, welcher gegenüber vergleichbaren Kundengruppen Anwendung findet. Dem Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG, der sich auf die Grundversorgung beruft, darf im Zusammenhang mit der Aufnahme der Belieferung keine Sicherheitsleistung oder Vorauszahlung abverlangt werden, welche die Höhe einer Teilbetragszahlung für einen Monat übersteigt.

(3) Gerät der Verbraucher während sechs Monaten nicht in weiteren Zahlungsverzug, so ist ihm die Sicherheitsleistung rückzuerstatten und von einer Vorauszahlung abzusehen, solange nicht erneut ein Zahlungsverzug eintritt."

1.4. Die Gesetzesmaterialien (RV 1081 BlgNR 24. GP) führen zu § 124 GWG 2011 wie folgt aus:

"Zu § 124:

Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/73/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein Konzept des 'schutzbedürftigen Kunden' zu erstellen und dafür Sorge zu tragen, dass für diese Kundengruppe ein angemessener Schutz besteht. In diesem Sinne wurde - in Gleichziehung mit der Rechtslage im Strombereich - ein Kontrahierungszwang zugunsten der gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/73/EG unter besonderem Schutz stehenden Kunden verankert und die Eckpfeiler dieser Grundversorgung. dh. insbesondere die Zumutbarkeit einer solchen Versorgung für den Lieferanten, die maximale Höhe des der Entgeltverrechnung sowie die maximale Höhe der forderbaren Vorauszahlung/Sicherheitsleistung (als Bedingung für die Aufnahme der Versorgung letzter Instanz) vorzunehmen."

2. Im vorliegenden Beschwerdefall geht es ausschließlich um die Frage der Rechtmäßigkeit der Auflage 2.g.. Von der Rechtmäßigkeit der Auflage (die einen unselbständigen Bestandteil der Genehmigung darstellt; vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0155, mwN) hängt es ab, ob der gesamte angefochtene Bescheid Bestand haben kann.

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 GWG 2011 ist die Genehmigung von Allgemeinen Verteilernetzbedingungen erforderlichenfalls unter (u.a.) Auflagen zu erteilen, soweit dies zur Erfüllung der Vorschriften dieses Gesetzes erforderlich ist. Gemäß § 28 Abs. 2 Z. 3 GWG 2011 müssen die Allgemeinen Bedingungen so gestaltet sein, dass die wechselseitigen Verpflichtungen zwischen Netzbetreiber und Netzbenutzer ausgewogen sind.

2.2. Im angefochtenen Bescheid begründet die belangte Behörde die Erforderlichkeit des zitierten Auflagenpunktes 2.g. im Kern damit, dass es im Fall des § 124 GWG 2011 (ein Verbraucher oder Kleinunternehmen beruft sich auf sein Recht auf Grundversorgung mit Erdgas) zum Zwecke der Einhaltung der sich aus der Richtlinie 2009/73/EG ergebenden "europarechtlichen Vorgabe" (erkennbar wird damit Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/73/EG angesprochen) erforderlich sei, die gegenständliche Auflage vorzuschreiben.

2.3. Zunächst ist festzuhalten, dass, wie sowohl die Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde in ihren Schriftsätzen zugestehen, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Verordnung gemäß § 124 Abs. 1 dritter Satz GWG 2011 nicht erlassen war.

Gegen die Übertragung der in § 124 Abs. 1 GWG 2011 normierten Verpflichtungen auf die Beschwerdeführerin mittels Auflage wendet diese zunächst ein, dass sich diese Gesetzesbestimmung nicht an Netzbetreiber richte, sondern nur an Erdgashändler oder sonstige Versorger. Daher könne die Beschwerdeführerin als Verteilernetzbetreiber ihrer Ansicht nach auch nicht im Wege der Genehmigung der Allgemeinen Bedingungen den in § 124 GWG 2011 genannten Pflichten unterworfen werden.

Richtig ist, dass Normadressat des § 124 GWG 2011 nach dessen Wortlaut Erdgashändler und Versorger (§ 7 Abs. 1 Z. 14 und 68 leg. cit.) sind. Die belangte Behörde hat die Pflichten des § 124 GWG 2011 mittels Auflage auf die Beschwerdeführerin als Verteilernetzbetreiber (§ 7 Abs. 1 Z. 72 leg. cit.) ausgedehnt. Dies ist deshalb nicht als rechtswidrig zu erkennen, weil andernfalls, wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, die unionsrechtliche Verpflichtung des angemessenen Schutzes von schutzbedürftigen Kunden (Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie) nicht wirksam umgesetzt werden könnte. Da nämlich der Verteilernetzbetreiber eine Monopolstellung hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0084, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien), kann dieser Schutz - Aufrechterhaltung der Gasversorgung schutzbedürftiger Kunden - nicht durch den Versorger alleine sichergestellt werden, sondern es bedarf auch der verpflichtenden Zurverfügungstellung des Verteilernetzes durch den Netzbetreiber.

Dieses Ergebnis steht im Übrigen auch mit der innerstaatlichen Rechtslage im Einklang: Die Beschwerdeführerin unterliegt nämlich als Netzbetreiber (§ 7 Abs. 1 Z. 43 und 72 GWG 2011) nicht nur den in § 5 Abs. 1 leg. cit. genannten Verpflichtungen im Allgemeininteresse. Als Netzbetreiber ist die Beschwerdeführerin gleichzeitig auch Erdgasunternehmen (§ 7 Abs. 1 Z. 16 GWG 2011) und unterliegt damit auch den Verpflichtungen des § 5 Abs. 2 iVm § 4 Z. 1 und 2 GWG 2011, somit insbesondere auch der Verpflichtung im Allgemeininteresse, die österreichische Bevölkerung mit Erdgas sicher und ausreichend zu versorgen, wozu auch die Sicherstellung einer Grundversorgung im Sinne des § 124 Abs. 1 GWG 2011 zählt.

2.4. Nach dem Gesagten ist somit nicht daran zu zweifeln, dass die Genehmigung der Allgemeinen Bedingungen der Beschwerdeführerin, wenn es gemäß § 28 Abs. 1 zweiter Satz GWG 2011 zur Erfüllung der Vorschriften dieses Gesetzes und der diesem zugrunde liegenden unionsrechtlichen Verpflichtungen (somit u.a. zur Gewährleistung einer Grundversorgung mit Erdgas iSd § 124 GWG 2011) erforderlich ist, grundsätzlich an bestimmte Auflagen geknüpft werden kann.

Zu prüfen ist nun, ob die in Rede stehende Auflage 2.g., durch die eine Ergänzung der Allgemeinen Bedingungen erfolgt, inhaltlich auch dem in § 28 Abs. 2 Z. 3 GWG 2011 genannten Kriterium entspricht. Nach der letztgenannten Bestimmung sind die Allgemeinen Bedingungen so zu gestalten, dass die wechselseitigen Verpflichtungen zwischen Netzbetreiber und Netzbenutzer "ausgewogen" sind (siehe zur vergleichbaren Rechtslage des GWG das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0084).

2.5. Mit Recht wendet die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang ein, dass dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden kann, weshalb von der Ausgewogenheit bzw. der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Auflage 2.g. auszugehen sei, wo doch die Beschwerdeführerin durch die bekämpfte Auflage verpflichtet wird, nicht nur die Grundversorgung (Versorgung in letzter Instanz) gemäß § 124 Abs. 1 GWG 2011 gegenüber den in dieser Bestimmung genannten Netzbenutzern zu gewährleisten, sondern auch (insoweit über § 124 GWG 2011 hinausgehend) einem weiteren Personenkreis als in dieser Gesetzesstelle vorgesehen die Begünstigung der beschränkten Vorauszahlung/Sicherheitsleistung (nämlich in Höhe lediglich einer Teilbetragszahlung für einen Monat) einzuräumen.

Während nämlich der Gesetzgeber in § 124 Abs. 1 GWG 2011 das Recht auf Grundversorgung den Verbrauchern iSd § 1 Abs. 1 Z. 2 KSchG und Kleinunternehmen gewährt, die Begünstigung der Beschränkung der Vorauszahlung/Sicherheitsleistung aber nur dem Verbraucher einräumt (§ 124 Abs. 2 GWG 2011), wird die Beschwerdeführerin durch die gegenständliche Auflage verpflichtet, diese Begünstigung der beschränkten Vorauszahlung/Sicherheitsleistung sämtlichen Netzbenutzern, die sich auf die Versorgung in letzter Instanz berufen, somit auch Kleinunternehmern, einzuräumen.

Die belangte Behörde hätte daher begründen müssen, weshalb diese über den Gesetzeswortlaut des § 124 GWG 2011 hinausgehende Verpflichtung der Beschwerdeführerin, im Falle der Grundversorgung von Kleinunternehmern auch von diesen nur eine Vorauszahlung bzw. Sicherheitsleistung für einen Monat verlangen zu dürfen (was jedenfalls auf den ersten Blick zu einer deutlichen Erhöhung des wirtschaftlichen Risikos der Beschwerdeführerin führt), eine "ausgewogene" Verpflichtung iSd § 28 Abs. 2 Z. 3 GWG 2011 darstellt (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/04/0084, zur Ausgewogenheit und Erforderlichkeit von Auflagen nach dem GWG). Der angefochtene Bescheid ist daher insoweit mit einem wesentlichen Begründungsmangel behaftet. Dieser kann nach ständiger hg. Rechtsprechung durch ergänzende Ausführungen in der Gegenschrift nicht behoben werden (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, E 142 ff zu § 60 AVG referierte Judikatur).

3. Aufgrund des genannten untrennbaren Zusammenhanges der in Rede stehenden Auflage mit dem übrigen Spruch erweist sich daher der gesamte angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Dieser war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am