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VwGH vom 20.11.2012, 2008/13/0243

VwGH vom 20.11.2012, 2008/13/0243

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln in 2100 Korneuburg, Laaerstraße 13, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , GZ. RV/0040-G/07, betreffend "Haftungs- und Abgabenbescheid" (mitbeteiligte Partei: K in S, vertreten durch Mag. Franz Kienast, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstraße 17), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, der Mitbeteiligte besitze einen Gewerbeschein zur "Vermittlung von Werkverträgen für Personen, die nach den Bestimmungen des Krankenpflegegesetzes zur freiberuflichen Ausübung des Krankenpflegefachdienstes (§ 5 Krankenpflegegesetz) berechtigt sind, sowie für Institutionen, die Krankenpflege anbieten und im Rahmen dieser Tätigkeit Pflegehelfer bzw. Pflegehelferinnen zur Verfügung stellen (§ 52 Abs 5 Krankenpflegegesetz)". Auf Basis dieses Gewerbescheines habe der Mitbeteiligte mit verschiedenen Krankenhäusern und Pflegeheimen Verträge abgeschlossen, auf deren Grundlage er diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal bei Personalbedarf vermittelt habe.

Im Zuge einer gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben durch Organe der Gebietskrankenkasse über den Zeitraum 10/2000 bis 12/2004 sei festgestellt worden, dass in tatsächlicher Hinsicht keine Vermittlung einer freiberuflichen Tätigkeit des Pflegepersonals vorgelegen sei, sondern eine Arbeitskräfteüberlassung. Das Finanzamt habe daher einen Haftungs- und Abgabenbescheid betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2000 bis 2004 erlassen. Zur Begründung habe das Finanzamt ausgeführt, dass die Krankenhäuser oder Pflegeheime dem Mitbeteiligten ihren Bedarf an Pflegepersonal sowie den Bedarfstag und die genaue Arbeitszeit mitteilten. Vom Mitbeteiligten würde dann Pflegepersonal zur Verfügung gestellt, das vor allem dem Abdecken von Personalmangel in Notsituationen diene. Die geleisteten Dienste seien vom Mitbeteiligten dem jeweiligen Krankenhaus/Pflegeheim in Rechnung gestellt worden. Die Entlohnung der Pflegekräfte sei nach geleisteten Stunden erfolgt, wobei das Entgelt ausschließlich durch den Mitbeteiligten ausbezahlt worden sei. Zu einem Geldfluss zwischen dem jeweiligen Krankenhaus und den überlassenen Pflegekräften sei es nie gekommen. Hinsichtlich der zu verrichtenden Arbeiten habe kein Unterschied zwischen den "Poolschwestern" und den angestellten Schwestern bestanden. Bei seinen Tätigkeiten sei das "Poolpersonal" den Weisungen sowie der Kontrolle durch die Stationsleitung und das Stammpersonal unterlegen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände seien die Voraussetzungen für das Vorliegen von Dienstverhältnissen eindeutig erfüllt. Unter Verweis auf den "VwGH (Erk. vom , 2340/71)" seien dem Mitbeteiligten die lohnabhängigen Abgaben vorgeschrieben worden, weil bei der Überlassung von Arbeitskräften an Dritte derjenige als Arbeitgeber anzusehen sei, der die Arbeitnehmer dem Dritten überlassen habe und diese entlohne (Überlasser), und nicht jener (Beschäftiger), der diese Arbeitskräfte in seinem Betrieb zur Arbeitsleistung einsetze.

In der dagegen erhobenen Berufung sei im Wesentlichen vorgebracht worden, dass zwischen dem Mitbeteiligten und dem von ihm vermittelten Pflegepersonal kein Dauerschuldverhältnis bestehe. Es handle sich vielmehr um eine Vielzahl von Werkverträgen, allenfalls freien Dienstverträgen, weil die "Pooldienstleistung" nicht auf Dauer ausgerichtet, sondern jeweils mit Erfüllung der Pflegedienstleistung abgeschlossen und erfüllt sei. Auch die Erbringung der Pflegeleistungen in mehr als einem Krankenhaus lasse auf eine unternehmerische Tätigkeit schließen. Die für ein Arbeitsverhältnis typischen Merkmale, wie z.B. die Weisungsgebundenheit oder persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit, seien nicht gegeben. Das vermittelte Pflegepersonal handle eigenständig und eigenverantwortlich. Bezüglich des geleisteten Entgeltes liege zwar kein direkter Geldfluss zwischen vermittelter Stelle und Pflegepersonal vor, jedoch sei der Mitbeteiligte auch nur mit "bloßer Inkassobevollmächtigung" ausgestattet worden. Der Mitbeteiligte biete dem Poolpersonal keine regelmäßigen Angebote und kein regelmäßiges Einkommen. Da das vermittelte Personal weder im Auftrag noch auf Rechnung des Mitbeteiligten handle, seien die notwendigen Merkmale für eine Arbeitskräfteüberlassung nicht erfüllt.

Im Zuge der Beweisaufnahme hätten sich - so die weiteren Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung entscheidungswesentliche Umstände dahingehend ergeben, dass die Verträge zwischen den Krankenhäusern/Pflegeheimen und dem Mitbeteiligten betreffend Vermittlung von Pflegepersonal mündlich abgeschlossen worden seien. Die jeweiligen Auftraggeber hätten sich an den Mitbeteiligten gewandt, weil sie zu einem bestimmten Zeitpunkt Bedarf an Pflegekräften gehabt hätten. Nach Benennung der Pflegekräfte hätten die Krankenhäuser/Pflegeheime mit diesen Zeit und Ort der zu leistenden Dienste vereinbart. Inhalt der Verträge zwischen dem Mitbeteiligten und den Krankenhäusern/Pflegeheimen sei (nur) gewesen, dass der Mitbeteiligte bei Bedarf "Leute vermitteln würde". Dafür sei von den Krankenhäusern/Pflegeheimen eine Vermittlungsprovision zu zahlen gewesen. Diese mündlichen Abmachungen hätten ihren Niederschlag in den Abrechnungen des Mitbeteiligten gefunden. Die einzelnen Schwestern/Pfleger stellten dem jeweiligen Krankenhaus/Pflegeheim eine Rechnung über die geleisteten Dienste aus und beauftragten den Mitbeteiligten, die Rechnung an den Rechnungsempfänger weiterzuleiten, die Rechnungssumme "in ihrem Namen zu kassieren und anschließend auf ihr Bankkonto zu überweisen". Dementsprechend sei die Rechnung auch als "Rechnung/Inkassoauftrag" bezeichnet. Der Mitbeteiligte habe den jeweiligen Krankenhäusern/Pflegeheimen seine Vermittlungsprovision zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und die Honorarforderungen der Schwestern/Pfleger als "durchlaufende Posten" behandelt. Diese Vorgangsweise sei auch im Zuge einer Umsatzsteuernachschau des Zeitraumes 1/2000 - 6/2001 vom Finanzamt "als richtig anerkannt (keine Umsatzsteuerbarkeit der weitergeleiteten Honorare)" worden. Im Zuge der Beweisaufnahme habe der Mitbeteiligte auch erläutert, dass ihm bekannt sei, dass die von ihm vermittelten Schwestern/Pfleger ihre Einkünfte beim jeweiligen Wohnsitzfinanzamt (teilweise unaufgefordert und teilweise erst über Aufforderung durch das Finanzamt) erklärt und versteuert hätten.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides hält die belangte Behörde fest, strittig sei, ob zwischen dem Mitbeteiligten und dem Pflegepersonal ein Dienstverhältnis bestehe. Für die steuerliche Beurteilung seien dabei nicht allein die vertraglichen Abmachungen maßgeblich, sondern das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit. Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung habe der Berufungssenat die Überzeugung gewonnen, dass sich der wahre wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen zwischen dem Mitbeteiligten und den Pflegekräften in den (Ausgangs)Rechnungen des Mitbeteiligten widerspiegle: Die Pflegekräfte hätten ihre Abrechnungen mit dem jeweiligen Krankenhaus/Pflegeheim vorgenommen, wobei der Mitbeteiligte nur als Inkassobevollmächtigter tätig geworden sei. Seine Leistung, nämlich die Vermittlung der Arbeitskräfte, habe er gesondert verrechnet. Dieser Eindruck werde auch "durch die Erhebungen des Finanzamtes" gestützt, das im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau des Zeitraumes 1/2000 bis 6/2001 die Abrechnung als richtig beurteilt habe. Die belangte Behörde sehe daher keinen Grund, den Sachverhalt in wirtschaftlicher Betrachtungsweise anders zu interpretieren, als es der Mitbeteiligte getan habe. Die vom Mitbeteiligten vermittelten Pflegekräfte stünden "nach der Sachlage" in keinem Dienstverhältnis zum Mitbeteiligten, weil sie diesem nicht ihre Arbeitskraft schuldeten (die er in weiterer Folge einem Dritten überlassen könnte). Ob die Pflegekräfte zu einem anderen Auftraggeber in einem Dienstverhältnis stünden, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften seitens der belangten Behörde und des Mitbeteiligten in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Von zentraler Bedeutung für die Tragfähigkeit der Begründung eines Bescheides im Sinne ihrer Eignung, dem Verwaltungsgerichtshof die ihm aufgetragene Gesetzmäßigkeitskontrolle zu ermöglichen, ist die zusammenhängende Darstellung des von der belangten Behörde festgestellten, für die Subsumtion unter den gesetzlichen Tatbestand maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. für viele z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2004/13/0092). Aus der Begründung hat weiters hervorzugehen, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliegt. Die Erwägungen zur Beweiswürdigung haben schlüssig darzulegen, was die Behörde veranlasst hat, ein Beweismittel dem anderen vorzuziehen (vgl. zum Ganzen etwa Ritz , BAO4, § 93 Tz 11 f, mit zahlreichen Hinweisen auf die hg. Judikatur).

Im angefochtenen Bescheid wird nach der Wiedergabe des Ganges des Verwaltungsverfahrens im Erwägungsteil ausgeführt, es sei im Verfahren strittig, ob zwischen dem Beschwerdeführer und dem Pflegepersonal ein Dienstverhältnis bestehe. In der Folge verneint die belangte Behörde ein solches Dienstverhältnis im Wesentlichen lediglich mit der Begründung, dass sie im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung zur Überzeugung gekommen sei, dass die vom Beschwerdeführer erstellten - im Übrigen inhaltlich auch nicht näher dargestellten - (Ausgangs)Rechnungen den "wahren wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarungen" zwischen ihm und den Pflegekräften widerspiegelten. Diese Begründung ist schon deshalb mangelhaft, weil in ihr die Überlegungen nicht nachvollziehbar dargestellt sind, welche die belangte Behörde zu ihrer "Überzeugung" kommen ließen. Auch lässt sich aus ihr allein noch keine hinreichende Auseinandersetzung mit den maßgebenden Kriterien für ein Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 entnehmen (vgl. dazu etwa die - ebenfalls Sachverhalte im Zusammenhang mit Personalgestellungen betreffenden - hg. Erkenntnisse vom , 97/13/0164, und vom , 99/15/0191, VwSlg. 7777/F). Zu Recht rügt das beschwerdeführende Finanzamt in diesem Zusammenhang auch, die belangte Behörde hätte sich bei ihrer Beurteilung nicht ohne Weiteres darauf stützen dürfen, dass im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau für den Zeitraum 1/2000 bis 6/2001 (mit der Personalgestellung sei erst Mitte 2000 begonnen worden) die Abrechnung "als richtig" anerkannt worden sei. Der Prüfungsbericht über eine Betriebsprüfung über die Jahre 1997 bis 1999 sowie die damit verbundene Umsatzsteuernachschau für den Zeitraum 1/2000 bis 6/2001 vom enthält nämlich (unter der Tz. 11) nur die (formularmäßige) Feststellung, dass sich bei der Überprüfung der Umsatzsteuervoranmeldungen "keine Feststellungen" ergeben hätten. Eine konkrete Beurteilung der strittigen Abrechnungen geht daraus nicht hervor, wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass eine Nachschau nach § 144 BAO eher nur der äußeren Kontrolle dient (vgl. z.B. Ritz , aaO, § 144 Tz 4).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am