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VwGH vom 25.09.2012, 2008/13/0223

VwGH vom 25.09.2012, 2008/13/0223

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 5/DG, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3458-W/07, miterledigt RV/3457-W/07, betreffend u. a. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2002 bis 2005, Umsatzsteuer 2002 bis 2005 und Einkommensteuer 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (erster Spruchpunkt) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Strittig ist die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und die damit zusammenhängende Geltendmachung von Vorsteuern durch die mit einem Steuerberater verheiratete, nicht berufstätige Beschwerdeführerin.

Das Finanzamt erließ auf Grund der Erklärungen der Beschwerdeführerin im April 2005 (für das Jahr 2004) sowie Jänner 2006 (für die Jahre 2002 und 2003) und März 2006 (für das Jahr 2005) Umsatzsteuerbescheide, in denen die Umsatzsteuer mit EUR -3.718,-- (2002), EUR -300,-- (2003), EUR -194.991,94 (2004) und EUR -13.675,86 (2005) festgesetzt wurde. Der Anerkennung der für das Jahr 2004 geltend gemachten Vorsteuern im Zusammenhang mit der Bauführung auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin, bei der zu der von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Wohneinheit zwei neue Wohneinheiten hinzukamen, gingen im März 2005 u.a. Schreiben der Beschwerdeführerin voraus, in denen sie mitteilte, sie werde "ab 2005 vermieten". Das Finanzamt reagierte mit der Aufforderung zur Vorlage der "größeren Rechnungen", der die Beschwerdeführerin entsprach.

Im Juli 2006 überreichte die Beschwerdeführerin die Einkommensteuererklärung für 2005, in der erstmals Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufschienen, woraufhin das Finanzamt die Beschwerdeführerin zur Vorlage "des/der Mietverträge" aufforderte und in weiterer Folge eine Außenprüfung vornahm. Bei der Schlussbesprechung am , auf deren Niederschrift der Bericht vom in Bezug auf die Nichtanerkennung der Vermietungstätigkeit verwies, wurde im Wesentlichen festgehalten, die Beschwerdeführerin habe auf der ihr in den Jahren 1979 und 1999 (jeweils zur Hälfte) von ihrem Ehemann geschenkten Liegenschaft "ein Wohnhaus mit 3 Wohneinheiten" errichtet, wobei die "Bautätigkeit 2004/2005" (bei der zwei Wohneinheiten neu errichtet wurden) durch eine Sparbuchschenkung des Ehemanns der Beschwerdeführerin und ein "von ihm gegebenes Darlehen" finanziert worden sei. Die zwei nicht als Ehewohnung dienenden (neuen) Wohneinheiten seien vom Ehemann der Beschwerdeführerin gemietet und den erwachsenen Kindern gegen Ersatz der Betriebskosten unentgeltlich als Prekarium überlassen worden. Diese Gestaltung sei aus in der Niederschrift näher dargestellten Gründen trotz der dafür vorgebrachten Erklärungen steuerlich nicht anzuerkennen. Es lägen daher "einkommensteuerlich keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. umsatzsteuerlich keine unternehmerische Tätigkeit vor (Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bgl. Rechts § 21 BAO)".

Zur nachfolgenden Wiederaufnahme enthielt die Niederschrift keine Ausführungen. Im Bericht hieß es dazu, hinsichtlich Umsatzsteuer 2002 bis 2005 seien die Feststellungen in Tz 1 (wo auf die Niederschrift verwiesen wird) getroffen worden, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens erforderten. Die Wiederaufnahme erfolge "unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung". Bei der Interessenabwägung sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang gegenüber dem der Rechtsbeständigkeit einzuräumen gewesen.

Mit acht Bescheiden vom nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2002 bis 2005 wieder auf und setzte die Umsatzsteuer jeweils neu mit EUR 0,-- fest. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag setzte es die Einkommensteuer 2005 mit EUR -689,43 fest, womit es nur dem Antrag auf Erstattung von Kapitalertragsteuer für Zinsen des Jahres 2005 entsprach, den in der Einkommensteuererklärung geltend gemachten Verlust aus Vermietung und Verpachtung in der Höhe von EUR 14.285,03 aber nicht berücksichtigte.

Gegen diese neun Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Der Außenprüfer nahm dazu mit Schreiben vom Stellung, wobei er an einer Stelle ausführte, die neu hervorgetretenen, eine Wiederaufnahme rechtfertigenden Sachverhaltselemente seien "alleine in der Tatsache gegeben, dass die Vermietung an einen nahen Angehörigen erfolgte".

Nach einem Erörterungsgespräch am und weiteren Urkundenvorlagen und schriftlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin vom 5. Juni und wies die belangte Behörde die Berufung hinsichtlich der neun beschwerdegegenständlichen Bescheide mit dem ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer von der Beschwerdeführerin mit weiteren Schriftsätzen beantworteten Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die behauptete Vermietung an den Ehemann der Beschwerdeführerin erfolgte - soweit ohne klare Feststellungen darüber im angefochtenen Bescheid erkennbar - auch nach den Annahmen der belangten Behörde auf der Grundlage von der Beschwerdeführerin unterfertigter Anbote zum Abschluss jeweils eines Mietvertrags, die im Arbeitsbogen enthalten und mit (die vom Ehemann der Beschwerdeführerin im September 2005 der 1971 geborenen Tochter zur Verfügung gestellte Wohnung) und (die vom Ehemann der Beschwerdeführerin im Mai 2006 dem 1969 geborenen Sohn zur Verfügung gestellte Wohnung) datiert sind und jeweils am Schluss die Klausel enthalten, ihre Annahme sei "nur durch Überweisung der in VII. genannten Kaution" bis zu einem bestimmten Tag möglich. Die strittigen Mietverträge zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann sollen daher zur Gänze erst nach dem ursprünglichen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004 und in Bezug auf die dem Sohn zur Verfügung gestellte Wohnung auch erst nach den ursprünglichen Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 2002 bis 2005 zustande gekommen sein. Die belangte Behörde hat sich damit bei der Bestätigung der von der Beschwerdeführerin bekämpften Wiederaufnahmen aber nicht auseinandergesetzt, was allein schon zur Aufhebung des die Umsatzsteuer 2004 betreffenden Teils der angefochtenen Entscheidung führen muss.

Hinzu kommt jedoch, dass die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren wiederholt und ausführlich vorgebracht hat, wie es zu der beanstandeten Gestaltung gekommen sei. Der Zweck der Bauführung lag demnach darin, der Beschwerdeführerin zu ihrer wirtschaftlichen Absicherung die Erzielung von Mieteinkünften zu ermöglichen, wobei "nie beabsichtigt" gewesen sei, die neu zu schaffenden Wohnungen den beiden erwachsenen Kindern zur Verfügung zu stellen, statt sie an Fremde zu vermieten. In der Folge sei es aber einerseits durch die Insolvenz des ursprünglich beauftragten Generalunternehmers zu erheblichen Verzögerungen gekommen, und andererseits seien in dieser Zeit sowohl bei der Tochter - die im Planungsstadium noch im Ausland verheiratet gewesen, in der Folge aber geschieden worden sei - als auch beim zunächst in London lebenden Sohn - der 2003 geheiratet und davor kein Interesse gezeigt habe, auf der Liegenschaft zu wohnen - unvorhergesehene Entwicklungen eingetreten. Der prekaristischen Überlassung der beiden Wohnungen an die erwachsenen Kinder durch den Ehemann der Beschwerdeführerin stehe aber im Sinne des von Anfang an verfolgten Zwecks eine fremdübliche Vermietung an ihn seitens der Beschwerdeführerin gegenüber.

Auch mit der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens über den Zweck der Bauführung und den Eintritt unvorhergesehener Entwicklungen hat sich die belangte Behörde nicht nachvollziehbar auseinandergesetzt. Sie hat nicht festgestellt, dass zunächst eine Nutzung aller drei Wohneinheiten als Ehewohnung oder ein Leerstehen von Wohnungen für den Fall späteren familiären Bedarfs geplant gewesen sei, oder was sonst - außer der dem Finanzamt angezeigten Vermietungsabsicht - als Grund für die Bauführung in Betracht komme. An einer Stelle (Seite 43 des Bescheides) kommt das - gemeint vielleicht: nur behauptete - "Abgehen von der Fremdvermietung zur Vermietung an nahe Angehörige" vor, ohne dass daraus Konsequenzen gezogen werden. Ein Eingehen auf das dazu erstattete Vorbringen wäre jedenfalls für die Umsatzsteuer 2002 bis 2004, darüber hinaus aber auch für die Würdigung des Mietanbots vom August 2005 und seiner Annahme erforderlich gewesen.

Stattdessen hat die belangte Behörde bei der Begründung der Entscheidung über die Wiederaufnahmen der mit Bescheiden von 2005 und 2006 abgeschlossenen Verfahren eine im Februar 2008 erstellte, das Jahr 2007 betreffende Betriebskostenabrechnung ins Spiel gebracht, in der "eine Kostenposition beispielsweise betreffend Auslagen für die Verwaltung im Sinn des § 22 MRG gefehlt hatte", und dazu ausgeführt, "gemäß den zwingenden Vorschriften des Mietrechtsgesetzes" hätte die Beschwerdeführerin ihrem Ehemann für das Jahr Jahr 2007 auch diese Kosten vorschreiben können, sodass sich aus dem Fehlen dieser Kostenposition in der Abrechnung für das Jahr 2007 ein "Beweis für die Undurchsichtigkeit, somit Fremdunüblichkeit der behaupteten Verhältnisse" ergebe. Dass beide Mietvertragsanbote in Punkt I. darauf hinweisen, der Vertrag falle aus näher dargelegten Gründen (Datum der Baubewilligung, keine öffentlichen Mittel) jeweils nur in den Teilanwendungsbereich gemäß § 1 Abs. 4 Z 1 Mietrechtsgesetz, bleibt dabei unerörtert.

In den Ausführungen der belangten Behörde zur Begründung der Sachbescheide ("Betätigung der Bw. auf der Liegenschaft") dominiert eine Auseinandersetzung mit zum Teil nebensächlichen Aspekten, wobei etwa zur Verzögerung der Bauführung durch die Insolvenz des Generalunternehmers ein "Auswahlverschulden" bei der Auftragserteilung postuliert und dem Umstand Gewicht beigemessen wird, dass die Konkurseröffnung erst einige Monate nach der Entziehung des Auftrags erfolgte. In Bezug auf die in zwei Schritten vorgenommene Übereignung der Liegenschaft wird "das durch § 162 StGB geschützte Rechtsgut" erörtert u.dgl.m. Aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine "Hausfrauenehe" führt, werden "Fremdbestimmung", "wirtschaftliche Unterlegenheit" und "psychologische Hemmnisse" abgeleitet, die der Anerkennung der Vermietung an den Ehemann der Beschwerdeführerin entgegenstünden, wobei wieder die Betriebskostenabrechnung für 2007 kommentiert und jetzt vollständig wiedergegeben wird. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin über die Üblichkeit des Vertragsabschlusses mit schriftlichem Anbot und konkludenter Annahme durch ein im Anbot genau umschriebenes Verhalten zwecks Ersparnis der Vertragsgebühr, was u.a. im Bankgeschäft weit verbreitet sei und von der Finanzverwaltung akzeptiert werde, weist die belangte Behörde darauf hin, die Beschwerdeführerin sei "in den Streitjahren weder als einfache, noch als leitende Bankangestellte für ein Bankinstitut tätig" gewesen, so wie an anderer Stelle auch ausgeführt wird, Verträge zwischen Ehegatten seien "nicht nach der Bauordnung" zu beurteilen. Der Nachweis der vom Außenprüfer nicht bestrittenen Fremdüblichkeit der vereinbarten Miete durch vorgelegte Urkunden wird mit nicht schlüssigen Argumenten beiseitegeschoben, auch wenn die belangte Behörde zugesteht, dass "der Kaltmietzins der Höhe nach fremdüblich sein könnte". Im Vordergrund steht die Kritik an anderen Punkten der Mietvertragsanbote, nämlich dem Fehlen des Prozentsatzes für den jeweiligen Betriebskostenanteil (wobei den Verträgen aber Pläne angeschlossen sind), der Abrechnung der Betriebskosten im Nachhinein im Hinblick auf ihre relative Geringfügigkeit, der Vereinbarung einer Kaution auch zur Sicherung von Mahn- und Gerichtskosten (eine Klausel zum Nachteil des Mieters) und der Höhe der Kaution im Ausmaß von nur zwei statt drei Monatsmieten.

Das alles ist nicht geeignet, die Nichtanerkennung des strittigen Mietvertrages von 2005 und des schon außerhalb des Streitzeitraums liegenden zweiten Mietvertrages ohne Würdigung des Vorbringens über ihre Vorgeschichte zu tragen, wobei nur der Vollständigkeit halber hinzuzufügen ist, dass die belangte Behörde im Gegensatz zum Finanzamt keinen Missbrauch angenommen hat. Das auf der Vorgeschichte aufbauende Vorbringen im Verwaltungsverfahren, der Vorsteuerabzug wäre auch bei einer Bauführung des Ehemanns der Beschwerdeführerin entstanden und dieser hätte in Bezug auf die Geltendmachung von Werbungskosten erheblich günstigere Möglichkeiten gehabt als die Beschwerdeführerin, wird von der belangten Behörde nicht in Frage gestellt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am