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VwGH vom 18.11.2009, 2008/13/0218

VwGH vom 18.11.2009, 2008/13/0218

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0761-W/08, betreffend Familienbeihilfe ab September 2007 (mitbeteiligte Partei: F in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die im April 1982 geborene und seit Juli 2000 verheiratete Mitbeteiligte, eine Staatsangehörige Rumäniens, hielt sich seit Dezember 2002 in Österreich auf. Ihr Ehemann, ebenfalls rumänischer Staatsbürger, folgte ihr im Jahr 2006. Im September 2007 brachte die Mitbeteiligte in Wien ein Kind zur Welt. In ihrem Antrag auf Familienbeihilfe ab September 2007 gab sie an, sie sei Studentin und ihr Ehemann sei "arbeitslos".

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab, weil die Mitbeteiligte sich als ausländische Studentin nur vorübergehend in Österreich aufhalte und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen nicht im Inland habe.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid führte die Mitbeteiligte u.a. aus, sie lebe schon seit etwa fünf Jahren in Österreich, habe hier zu studieren begonnen, inzwischen auch einen "Kurs über die Europäische Union" besucht, und hoffe einen guten Job zu finden. Ihr Mann sei jetzt auch hier und sie seien auf der Suche nach Arbeit. Sie lebe von Ersparnissen und Unterstützung der Eltern. Bis vor kurzem habe sie "bei Jesuiten gewohnt", sie habe jetzt aber einen Mietvertrag. Wegen des Kindes werde sie das Studium für ein oder zwei Semester unterbrechen.

Über Vorhalt des Finanzamtes führte sie in einer weiteren Eingabe u.a. aus, ihr Mann sei auf der Suche nach Arbeit und helfe ihr bei der Erziehung des Kindes. Finanziell würden sie von ihren Eltern unterstützt. Darüber hinaus legte sie Unterlagen über ihre Ausbildung in Österreich und einen Mietvertrag vom vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Sie stützt diese Entscheidung u.a. auf Feststellungen darüber, dass die Mitbeteiligte, für die auch die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 und 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 erfüllt seien, schon vor Beginn ihres Studiums in Österreich gelebt und "bei einer kirchlichen Ordensgemeinschaft Aufnahme und Unterstützung" gefunden habe, dass die Ablegung von Prüfungen noch kurz vor der Geburt für ihr Bemühen um ein berufliches Weiterkommen spreche und ihre Erklärung, in Österreich berufstätig sein zu wollen, durchaus glaubwürdig sei, und dass der Umstand, dass ihr im Jahr 2006 auch ihr Mann gefolgt sei und sich dieser nun ebenfalls in Österreich um Arbeit bemühe, den Schluss nahe lege, dass die Mitbeteiligte ihre familiäre Existenz in Österreich aufbauen wolle. Den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen habe die Mitbeteiligte, die mit ihrem Ehemann und dem Kind in Wien einen gemeinsamen Haushalt führe, daher in Österreich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Mitbeteiligte ist, wie sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergeben hat, im November 2008 nach Rumänien zurückgekehrt. Die Amtsbeschwerde macht jedoch nicht geltend, eine baldige Rückkehr der Mitbeteiligten sei absehbar gewesen. Sie argumentiert vielmehr dahin gehend, dass ungeachtet der aufenthaltsrechtlichen Folgen des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union ein bloß vorübergehender Aufenthalt "zu Studienzwecken" vorliege. Der Bekundung, in Österreich berufstätig sein zu wollen, stehe entgegen, dass das Studium, das eine Dauer von acht Semestern umfasse, erst mit dem Sommersemester 2007 aufgenommen worden sei und sich "durch die Beurlaubung wegen Pflege des Kindes noch verlängern" werde. Es fehle daher an einer wirtschaftlichen Verfestigung, die der Familie mit Kind ohne Inanspruchnahme öffentlich-rechtlicher Familienleistungen die Möglichkeit der eigenständigen unabhängigen finanziellen Lebensgestaltung biete, im Bundesgebiet. Durch die finanzielle Unterstützung der Eltern bestünden weiterhin wesentliche Anknüpfungspunkte zum Heimatland. Während der Zeiten der nicht im Heimatland absolvierten Ausbildung sei üblicherweise eine Anbindung zum Ausbildungsort in einem geringen Ausmaß vorhanden. Erst der Abschluss einer Berufsausbildung und die daraus resultierende Berufsausübung könnten zu einer Änderung der Betrachtungsweise führen.

Gemäß § 2 Abs. 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen kann auch dann in Österreich liegen, wenn die Absicht besteht, Österreich nach einer gewissen Zeit wieder zu verlassen. Ein Zuzug für immer ist nicht erforderlich. Besteht die stärkste persönliche Beziehung zu Österreich, so ist die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend (vgl. zu all dem das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0054). Von ausschlaggebender Bedeutung ist bei verheirateten Personen mit gemeinsamer Haushaltsführung der Familienwohnsitz (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/15/0145, und vom , Zl. 2007/15/0279).

Im vorliegenden Fall, in dem die Mitbeteiligte, die sich schon seit dem Jahr 2002 in Österreich aufhielt, mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Kind in Wien im gemeinsamen Haushalt lebte und auch nach der in der Amtsbeschwerde vertretenen Auffassung damit zu rechnen war, dass dies noch jahrelang der Fall sein werde, reicht die Abhängigkeit von Unterhaltszahlungen der in Rumänien lebenden Eltern nach diesen Maßstäben nicht aus, um der Annahme der belangten Behörde, der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Mitbeteiligten sei in Österreich gelegen, entgegen zu stehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/15/0325).

Die Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am