VwGH vom 13.12.2012, 2010/16/0023

VwGH vom 13.12.2012, 2010/16/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der S GmbH in L, vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Dr. Nikolaus Schertler, Mag. Nicolas Stieger und Mag. Andreas Droop, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0528-F/08, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft mbH (Beschwerdeführerin) und die Gemeinde K schlossen einen "Abschlussvertrag" vom , in welchem die Beschwerdeführerin als "Anbauberechtigte" bezeichnet wird und welcher auszugsweise folgenden Wortlaut aufweist:

"I.

1. Festgestellt wird, dass die Gemeinde grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaften in EZ … und EZ … ist.

2. Die I betreibt seit 1952 auf diesen Liegenschaften einen Steinbruch, der nun stillgelegt wurde. Die I ist Inhaber eines genehmigten Hauptbetriebsplanes/Gewinnungsbetriebsplanes gemäß Mineralrohstoffgesetz.

3. Die I ist verpflichtet, unter anderem einen Abschlussbetriebsplan gemäß § 114 Mineralrohstoffgesetz aufzustellen und das Gelände endzugestalten. Das entsprechende Verfahren ist bei der Bezirkshauptmannschaft … anhängig.

4. Zwischen der Gemeinde und der I ist beabsichtigt, die Rechte und Pflichten aus dem Abschlussbetriebsplan (einschließlich Hauptbetriebsplan / Gewinnungsbetriebsplan) zunächst auf die Gemeinde zu übertragen; weiters besteht die Absicht, die Rechte und Pflichten aus diesem Abschlussbetriebsplan von der Gemeinde auf die Anbauberechtigte zu übertragen.

Gleichzeitig ist beabsichtigt, einen Wechsel gemäß § 84 Abs. 2 Mineralrohstoffgesetz vorzunehmen, und zwar zunächst von der I auf die Gemeinde und dann von der Gemeinde auf die (Beschwerdeführerin).

II.

1. Die Gemeinde übergibt nunmehr eine Teilfläche des GST Nr … der Anbauberechtigten sowie gestattet und verpflichtet hiermit die Anbauberechtigte zur Errichtung und zum Betrieb einer Bodenaushubdeponie auf diesem Grundstück gem. Verfahren BH …… der Bezirkshauptmannschaft ….. sowie zur Vornahme der Abbauendgestaltung und die Anbauberechtigte übernimmt diese Flächen und ist berechtigt sowie verpflichtet nach dem Abfallwirtschaftsgesetz bzw dem Mineralrohstoffgesetz die Deponie zu betreiben sowie die Endgestaltung durchzuführen.

2. …..

III.

1. Zwischen den Parteien wird vereinbart, dass die Anbauberechtigte für die Anschüttung von inertem Aushub- und Abbaumaterial (fest eingebaut und verdichtet) pro m3 EUR 4,50 (Euro vier 50/100) zuzüglich Umsatzsteuer in der jeweiligen gesetzlichen Höhe (derzeit 20%) an die Gemeinde an Nutzungsentgelt bezahlt.


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2.
…..
5.
Nach Abschluss der Anschüttungsarbeiten erfolgt auf Kosten der Anbauberechtigten eine Massenkotrolle durch eine geodätische Geländeaufnahme. Die "hochwertigen" Stein-, Kies-, Sand- und Bruchschottermaterialien, die für die bescheidmäßig vorgeschriebene Herstellung der Entwässerungen und des luftseitigen Stütz- und Fahrwegdammes erforderlich sind, sowie die humose Deckschicht werden nicht in die Abrechnungskubatur einbezogen, da sie ausschließlich Aufwendungen sind.
Der Einbau dieser "hochwertigen" Materialien unterliegt einer Eingangskontrolle mittels Lieferscheinen, um die entsprechende Berücksichtigung dieser Kubaturen anlässlich der Endabrechnung zu ermöglichen.
6.
…..
IV.
1.
Die Anbauberechtigte verpflichtet sich, die Endgestaltung auf ihre Kosten nach behördlichen Bescheiden über den Abschlussbetriebsplan ….. sowie sonstigen behördlichen Auflagen und Bedingungen vorzunehmen.
Die Anbauberechtigte hat auf ihre Kosten die Liegenschaften durchgehend mit wuchsfähigem, humosen Material zu überdecken und die Liegenschaften bei Beendigung des Vertrages so als anpflanzungsfähiges Waldgrundstück der Gemeinde zu übergeben. Die Aufforstung erfolgt auf Kosten der Anbauberechtigten gemäß den behördlichen Bescheidauflagen und Bescheidbedingungen und in Absprache mit der Gemeinde.
2.
Falls die Anbauberechtigte eine eigene Zu- und Abfahrt zu den Anschüttungsflächen auf eigene Kosten herstellt ….. und erhält, wird vereinbart, dass diese von der Anbauberechtigten neu zu errichtende Zu- und Abfahrt nach vollständiger Beendigung der Endgestaltung nach Wahl der Gemeinde kostenlos zu belassen oder von der Anbauberechtigten auf eigene Kosten wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen ist.
3.
…..
4.
Die Anbauberechtigte verpflichtet sich drei Jahre lang Garantie und Gewährleistung für die Mängelfreiheit zu geben, und zwar gerechnet ab ordnungsgemäßer Rückgabe der Liegenschaft an …..
V.
1.
Der gegenständliche Vertrag wird unter der aufschiebenden Bedingung abgeschlossen, dass der Abschlussbetriebsplan endgültig auf die Anbauberechtigte übertragen und der Bescheid betreffend den Abschlussbetriebsplan rechtskräftig wird.
2.
Der Anbauberechtigte verpflichtet sich weiters, mit dem Anbau erst dann zu beginnen, wenn sämtliche erforderlichen behördlichen Bewilligungen vorliegen und rechtskräftig sind.
VI.
1.
Der gegenständliche Vertrag wird wirksam, sobald die Rechte und Pflichten aus dem Abschlussbetriebsplan auf die Anbauberechtigte übertragen sind, die entsprechende Bewilligung rechtskräftig ist, der Inhaberwechsel bei der Bezirkshauptmannschaft angezeigt ist und dauert bis zum vollständigen Anbau (Endgestaltung), längstens aber bis zum . Eine Verlängerung der Frist ist im Einvernehmen mit der Gemeinde im Rahmen der Bewilligungen möglich.
2.
Die Gemeinde ist berechtigt, das Vertragsverhältnis vorzeitig aufzulösen, wenn die Anbauberechtigte ihren Verpflichtungen trotz Mahnung in einem wesentlichen Punkt nicht nachkommt.
VII.
1.
Die Anbauberechtigte ist berechtigt und verpflichtet, die vertragsgegenständliche Anbaufläche, wie in Punkt II. des Vertrages näher bezeichnet, im Rahmen der behördlichen Genehmigungen anzubauen und endzugestalten.
2.
….
IX.
Die Anbauberechtigte verpflichtet sich der Gemeinde gegenüber und allen natürlichen Personen, die in der Gemeinde K wohnhaft sind, für die Anschüttung geeignetes Material aus dem Gemeindegebiet K entgegen zu nehmen, und zwar zu Selbstkosten von …... Kleinmengen von Bewohnern aus K werden bis zu einem Umfang von in Summe maximal 10 m3 pro Monat kostenlos während der Betriebszeiten nach Rücksprache mit der Anbauberechtigten übernommen.
Auch für dieses Material bzw diese Kleinmengen ist das Nutzungsentgelt gemäß Punkt III Abs 1 dieses Vertrages zu entrichten.
X.
1.
Die Anbauberechtigte verpflichtet sich, der Gemeinde vor Unterfertigung dieses Vertrages durch die Anbauberechtigte eine Kaution in Form ….. zur Sicherstellung aller ihrer Verpflichtungen aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag einschließlich Zinsen, Schäden und Kosten zu übergeben.
2.
…..
XI.
Die Gemeinde hat der Firma H im Pacht- und Mietvertrag ….. ein Vorpachtrecht für den von der I betriebenen Steinbruch eingeräumt, falls die I das Pachtverhältnis mit der Gemeinde K aus irgendwelchen Gründen auflösen oder beenden würden.
Die I legt den Steinbruch still, pachtet jedoch von der Gemeinde verschiedene Flächen für den Betrieb eines Lagerplatzes (Materialdepot für Wasserbausteine, Kies und Sand). Die Firma H hat mit Schreiben vom auf dieses Recht verzichtet."
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde im Instanzenzug eine Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG in Höhe von 2% der Bemessungsgrundlage fest. Der "Abschlussvertrag" stelle nämlich die Vereinbarung einer Dienstbarkeit dar.
Eine eindeutige Zuordnung des Deponievertrages zu einem zivilrechtlichen Vertragstyp sei im gegenständlichen Fall nicht möglich. Gebührenrechtlich sei daher bei Vorliegen von Elementen verschiedener Vertragstypen auf ein Überwiegen des rechtlichen und wirtschaftlichen Zweckes abzustellen. Für die Rechtsnatur sei die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkung des Vertrages maßgeblich. Dabei komme es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an.
Die Vetragsvereinbarung sei nicht auf die bestandweise Nutzungsüberlassung gerichtet, sondern auf ein dauerndes Dulden der Einlagerung von Aushub- und Abraummaterial durch den Grundeigentümer. Diese Duldung der Deponierung von Aushub- und Abraummaterial sei als typischer Inhalt von Dienstbarkeiten anzusehen. Ein der Gemeinde erwachsender Vorteil aus der Duldung könne die Duldung nicht in eine Forderung verkehren. Dass die Beschwerdeführerin der Grundeigentümerin für die Anschüttung von Material ein mengenmäßiges Entgelt zu entrichten habe, verdeutliche das überwiegende rechtliche und wirtschaftliche Interesse der Vertragsparteien, nämlich das Deponierecht einerseits und die Pflicht zur Duldung der Deponie von Aushub- und Abraummaterial andererseits. Es handle sich um eine offenkundige Dienstbarkeit, weil die Belastung der dienenden Grundstücke in der Natur erkennbar sei. Daher sei trotz der Nichtverbücherung das Bestehen einer Dienstbarkeit zu vermuten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht darauf verletzt erachtet, dass der Abschlussvertrag nicht nach den Bestimmungen des § 33 TP 9 (Dienstbarkeiten) GebG zu vergebühren sei.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der III. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957 (GebG) behandelt die Gebühren für Rechtsgeschäfte. Dieser Abschnitt unterwirft die im Tarif des § 33 GebG angeführten Rechtsgeschäfte den dort vorgesehenen Gebühren.
§ 33 GebG lautet auszugsweise:

"§ 33. Tarif der Gebühren für Rechtsgeschäfte

Tarifpost

5 Bestandverträge

(1) Bestandverträge (§§1090 ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert

1.im allgemeinen ……………………….1 v.H.;

2. beim Jagdpacht vertrag …….

…..

9 Dienstbarkeiten

Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt oder die entgeltliche Erwerbung von dem Verpflichteten bestätigt wird, von dem Wert des bedungenen Entgeltes……………2 v.H. ."

Die Gebührentatbestände des § 33 GebG verwenden im Allgemeinen die Begriffe des Zivilrechts. Für die Abgrenzung unterschiedlich geregelter gebührenpflichtiger Rechtsgeschäfte voneinander ist daher deren zivilrechtliche Einordnung maßgebend. Enthält ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente, ist er gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlichen oder wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend. Dabei kommt es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/16/0053, mwN).

Dass die Vereinbarung von der Beschwerdeführerin zukommenden Rechten und deren Verpflichtung, dafür ein von der Menge des Deponiegutes abhängiges Entgelt zu entrichten, einen als Dienstbarkeit zu beurteilenden Deponievertrag darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem erwähnten hg. Erkenntnis vom bereits ausgesprochen. Auf die Gründe jenes Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Die Beschwerdeführerin führt dagegen eine Betriebspflicht ins Treffen, welcher die Beschwerdeführerin nach dem Abschlussvertrag unterliege und welche den Hauptzweck des Vertrages bilde. Die Gemeinde K sei mit dem Abschlussvertrag nicht zu einem Dulden verpflichtet worden, sondern habe vielmehr die von ihr von der IRR übernommene Verpflichtung zur Wiederherstellung des durch Felsabbau abgetragenen Geländes im Sinne einer Stützschüttung an die Beschwerdeführerin im Rahmen der von dieser übernommenen Deponiebetriebspflicht übertragen. Mit Punkt II.1 des Abschlussvertrages habe die Gemeinde K die Beschwerdeführerin zur Errichtung und zum Betrieb einer Bodenaushubdeponie sowie zur Vornahme der Abbauendgestaltung verpflichtet. Daraus und aus der in Punkt VI.1 ausgesprochenen Verpflichtung zum vollständigen Anbau (Endgestaltung) längstens bis zum ergebe sich, dass nicht die Duldung der Deponierung, sondern die Verpflichtung zur Deponierung das Hauptelement der Vereinbarung darstelle. Dies zeige auch die Absicherung dieser Verpflichtung durch eine Bankgarantie. Daher liege ein Bestandvertrag vor.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass nach dem klaren Wortlaut des Punktes VI.1 des Abschlussvertrages keine Pflicht der Beschwerdeführerin festgelegt wurde, die Endgestaltung bis zum vorzunehmen. Vielmehr wird damit die Laufzeit des Abschlussvertrages bis zum Erreichen der Endgestaltung und für den Fall, dass diese nicht bis zum erreicht werde, bis zum begrenzt. Dies zeigt aber, dass die Deponieberechtigung und die Verpflichtung, dafür ein mengenmäßiges Entgelt zu entrichten, mit diesem Tag endet, auch wenn bis dahin die Endgestaltung nicht erreicht ist und noch Raum für zusätzliches Deponiegut vorhanden wäre.

Weiters hindert eine Betriebspflicht, die Pflicht, die eingeräumte Berechtigung tatsächlich auszuüben, nicht die Beurteilung als Dienstbarkeit. Dass die eingeräumte Berechtigung einer Deponie den wirtschaftlichen Hauptzweck des Vertrages darstellt, lässt sich auch daraus ersehen, dass das dafür vereinbarte, von der Menge des Deponiegutes abhängige Entgelt geregelt wird, während für die - nach Ansicht der Beschwerdeführerin im Vordergrund stehende, im Interesse der Gemeinde K gelegene - Übernahme der Verpflichtung zum Betreiben der Deponie kein Entgelt vorgesehen ist. Der aus der Berechtigung zum Betreiben der Deponie - wofür sie das vereinbarte Entgelt zu zahlen hat - entstehende wirtschaftliche Vorteil für die Beschwerdeführerin muss also den aus der Übertragung der Verpflichtung zum Betreiben der Deponie und aus der Endgestaltung der Liegenschaft entstehenden Vorteil für die Gemeinde K überwogen haben und ist nicht als - wie es die Beschwerdeführerin bezeichnet - "wirtschaftlich sinnvolles Nebenprodukt" anzusehen.

Die Beschwerdeführerin führt für ihre Ansicht, dass die Betriebspflicht zur Herstellung der Stützschüttung das wesentliche Vertragselement darstelle, den Umstand an, dass zur Absicherung dieser Verpflichtung eine Bankgarantie zu Voraussetzung gemacht worden sei. Weshalb diese in Punkt X. des Abschlussvertrages geregelte Bankgarantie aber nicht der Absicherung der Zahlungsverpflichtung (so Punkt X.4 des Vertrages) dienen sollte, sondern der Absicherung der Betriebspflicht, legt die Beschwerdeführerin nicht dar.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am