VwGH vom 06.07.2011, 2008/13/0149

VwGH vom 06.07.2011, 2008/13/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch die Jirovec Partner Rechtsanwalts-GmbH in 1010 Wien, Bauernmarkt 24, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/3204-W/07, "betreffend Zurückweisung einer Berufung (§ 273 BAO)", zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist strittig, ob ein von der beschwerdeführenden Partei gestellter Antrag auf Entscheidung über eine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz (Vorlageantrag nach § 276 Abs. 2 BAO) zu Recht wegen versäumter Frist zurückgewiesen wurde (§ 273 Abs. 1 lit. b iVm § 276 Abs. 2 BAO).

Zum Gang des Verwaltungsverfahrens wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass an den Beschwerdeführer am Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1998 bis 2000 zugestellt worden seien. Die nach Fristverlängerungsanträgen (Frist zuletzt bis zum ) eingebrachte Berufung vom habe das Finanzamt wegen Versäumung der Berufungsfrist als verspätet zurückgewiesen. Einem daraufhin gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe das Finanzamt stattgegeben.

In der Folge habe das Finanzamt eine vom Berufungsbegehren abweichende Berufungsvorentscheidung betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 1998 bis 2000 vom erlassen, die dem Beschwerdeführer am zugestellt worden sei. Am habe der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag gestellt.

Weil ein im Vorlageantrag angesprochenes Fristverlängerungsansuchen im Akt nicht aufgelegen sei, habe das Finanzamt den Beschwerdeführer mit Vorhalt vom ersucht, nachzuweisen, dass ein solcher Antrag überhaupt gestellt worden sei. Im Vorhalt sei auch darauf hingewiesen worden, dass aus Gründen eines anderen Verfahrens - offenbar zum Nachweis der Fristverlängerung - eine Kopie eines Fristverlängerungsansuchens betreffend den Vorlageantrag (datiert mit , Fristverlängerung bis ) nachgereicht worden sei. Es könne allerdings nicht nachvollzogen werden, ob das Schriftstück tatsächlich eingelangt sei. Die Beweislast für das Einlangen eines Schriftstückes bei der Behörde treffe nach ständiger Rechtsprechung den Absender.

Der Beschwerdeführer habe am mitgeteilt, dass das Fristverlängerungsansuchen am zur Post gebracht worden sei, "wie sich einerseits aus dem Postbuch ergebe, andererseits auch durch eine Einvernahme der Sekretärin als Zeugin feststellbar sei". Da somit ausreichend dokumentiert sei, dass das Schriftstück zur Post gegeben worden sei, sei davon auszugehen, dass dieses auch bei der Behörde eingelangt sei. Wo das Schriftstück in Verstoß geraten sei, entziehe sich seiner Kenntnis.

Mit Bescheid vom habe das Finanzamt den Vorlageantrag wegen Verspätung zurückgewiesen. Obwohl der Absender die Beweislast für das Einlangen eines Schriftstücks bei der Behörde trage, habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit eines Nachweises des Einlangens nicht wahrgenommen, sondern lediglich die Übergabe eines Schriftstückes an die Post durch die Vorlage der Ablichtung eines Postaufgabebuches zu belegen versucht. Zudem habe die Zeugin mangels Namhaftmachung nicht vernommen werden können.

In der gegen den Zurückweisungsbescheid eingebrachten Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er mit der Vorhaltsbeantwortung vom "die erfolgten Fristverlängerungsansuchen vorgelegt hätte". Bei der Sekretärin habe es sich um "Fr. (M.)" gehandelt. Da das bisherige Verfahren an einem Verfahrensmangel leide, habe kein Termin für eine Zeugeneinvernahme vereinbart werden können.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Eine Eingabe sei bei der Abgabenbehörde nur dann als eingebracht anzusehen, wenn sie der Behörde auch tatsächlich ausgehändigt worden sei. Die Gefahr des Verlustes einer zur Post gegebenen Eingabe trage der Absender. Da aus "obiger" Sachverhaltsdarstellung hervorgehe, dass bei der Abgabenbehörde erster Instanz kein Fristverlängerungsansuchen eingelangt sei, sei der Vorlageantrag vom als nicht fristgerecht eingebracht zu qualifizieren und somit gemäß § 273 Abs. 1 lit. b BAO zurückzuweisen gewesen. Die Vorlage des Postausgangsbuches biete keinen Beweis für das tatsächliche Einlangen eines Fristverlängerungsansuchens bei der Abgabenbehörde erster Instanz. Dies gelte auch für die Befragung der namhaft gemachten Zeugin, weil auch diese entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers "bestenfalls Aussagen hinsichtlich der postalischen Aufgabe machen könnte, so dass aus diesem Grund von einer Vernehmung der Zeugin Abstand genommen wurde". Zu einem vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gehe die belangte Behörde davon aus, dass dieser auf Grund seiner Formulierung so zu verstehen sei, dass der Beschwerdeführer begehre, "im Falle einer Stattgabe gegenständlicher Berufung im Vorlageverfahren gegen die Sachbescheide eine mündliche Verhandlung abzuhalten und sich der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung keineswegs auf das gegenständliche Verfahren bezieht".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, hätte die belangte Behörde eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, wäre dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben gewesen, "sein gesamtes bisheriges Vorbringen unter Beweis zu stellen". Dies sei auch unbedingt erforderlich gewesen, weil (trotz mehrfacher Nennung der Daten) die Sekretärin nicht einvernommen worden sei. Insbesondere hätte bei der mündlichen Verhandlung aufgeklärt werden können, dass rechtzeitig ein Fristverlängerungsansuchen eingebracht worden sei und damit der Vorlageantrag "gegen die Betriebsprüfungsbescheide betreffend die Jahre 1998 bis 2000 fristgerecht erfolgte". Wie sich aus dem Akteninhalt ergebe, "liegt nämlich das Fristverlängerungsansuchen offensichtlich in einem anderen Akt - der ein anderes Verfahren betrifft, dies jedoch beim selben Finanzamt". Nach der Judikatur sei es ausreichend, wenn das Schriftstück bei der Einlaufstelle der Behörde eingelangt sei, sofern es auch rechtzeitig abgesandt worden sei. "Genau dies" hätte sich durch Einvernahme der beantragten Sekretärin in der mündlichen Berufungsverhandlung ergeben, wobei die Absendung bereits durch andere Beweismittel dokumentiert worden sei, "womit zumindest eine prima-fazie-Beweis vorliegt, der nicht einfach übergangen werden kann".

Die belangte Behörde habe auch - ohne tatsächliche Einvernahme der Zeugin - überhaupt nicht wissen können, welche Angaben diese Zeugin zum gegenständlichen Beweisthema machen könne. Die Zeugin sei "zum Beweis für das Vorbringen der Rechtzeitigkeit des Fristverlängerungsansuchens und auch des tatsächlichen Einlangens bei der Behörde geführt worden", wozu sie auch auf Grund ihrer damaligen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Postaufgabe und auch den Erhebungen bei der Behörde, "insbesondere auch im anderen Akt zweckdienliche Angaben machen hätte können".

Ein Verfahrensmangel, wozu auch das Unterbleiben einer beantragten mündlichen Berufungsverhandlung nach § 284 BAO zählt, führt nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn er wesentlich ist, d.h. wenn die Behörde bei Vermeidung des Fehlers zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, was der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof so weit darzustellen hat, dass ein solches Ergebnis vom Verwaltungsgerichtshof nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0126, sowie Ritz , BAO3, § 284 Tz 11, mwN).

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Beförderung einer Sendung durch die Post auf die Gefahr des Absenders erfolgt. Die Beweislast für das Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde trifft den Absender. Dafür reicht der Beweis der Postaufgabe nicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0165, sowie Ritz, BAO3, § 108 Tz 10, mwN).

Soweit in der Beschwerde eine Nachweisführung in Bezug auf die rechtzeitige Absendung des Fristverlängerungsansuchens angesprochen wird, ist der dazu gerügte Verfahrensmangel schon deshalb nicht von Relevanz, weil nach der aufgezeigten Rechtslage der Beweis der Postaufgabe für den Beweis des Einlangens des Schriftstückes bei der Behörde für sich nicht ausreicht.

Der Beschwerdeführer stellt aber auch nicht dar, welchen konkreten Sachverhalt die Zeugin zur Frage des "tatsächlichen Einlangens bei der Behörde" hätte bezeugen können, sodass es insoweit schon an einem tauglichen Beweisthema fehlt. Zum Vorbringen, wonach sich aus dem Akteninhalt ergebe, dass das Fristverlängerungsansuchen offensichtlich in einem anderen Akt liege, ist zudem daran zu erinnern, dass nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid (der Schilderung des Verfahrensganges) in einem anderen Verfahren nur eine "Kopie" eines Fristverlängerungsansuchens "nachgereicht" worden sei.

Es ist damit insgesamt nicht zu erkennen, dass die Behörde bei Vermeidung des gerügten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der Beschwerde konnte damit schon deshalb - ohne auf die Frage einer allfälligen unrichtigen Deutung der Formulierung des Verhandlungsantrages in der Berufung durch die belangte Behörde eingehen zu müssen - kein Erfolg zukommen, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am