VwGH vom 29.02.2012, 2008/13/0141
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des S in P, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0678- W/07, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2003 und 2004 sowie Festsetzung von Umsatzsteuer für den Zeitraum 2-12/2005 und 1- 4/2006, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Rahmen einer Außenprüfung (Prüfungsbericht vom ) vertrat die Prüferin den Standpunkt, dass die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit eines Musiktherapeuten von der Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 nicht umfasst sei und seine in den Jahren 2003 bis 2006 erklärten Umsätze der Umsatzsteuer zu unterziehen seien (Umsatzsteuersatz 20 %).
In der gegen die auf der Grundlage des Prüfungsberichtes ergangenen Abgabenbescheide eingebrachten Berufung vom brachte der Beschwerdeführer vor, er habe in den Jahren 1989 bis 1995 einen Lehrgang an der Schule für altorientalische Musik unter der Leitung von Gerhard T. besucht und mit einem Diplom abgeschlossen. Inhalt dieses Lehrganges seien sowohl das Erlernen der altorientalischen Musikinstrumente als auch des altorientalischen Liedgutes sowie die "Teilnahme an Vorträgen zu neurologischen, psychologischen und medizinischen Themen" gewesen. Dazu hätten auch "praktische Demonstrationen einer Musiktherapiesitzung gehört". Der Beschwerdeführer arbeite seit mehreren Jahren als freier Dienstnehmer mit Wachkomapatienten in diversen Caritasheimen und sei auch selbständig in einer Einzelpraxis tätig. Daneben veranstalte er mit einer Maltherapeutin Kurse, in denen die Bewohner von Caritasheimen durch das Spielen altorientalischer Musik zum Malen angeregt werden sollten. Die Schule für altorientalische Musiktherapie sei von Gerhard T. neu gegründet worden, um die Musiktherapie in Österreich wieder zu beleben. Der Beschwerdeführer habe an dieser Schule nach Abschluss seiner Ausbildung selbst unterrichtet. Die Schule sei Mitglied des Europäischen Dachverbandes für künstlerische Therapien (Kunst-, Musik- und Tanztherapie). Die Musiktherapie und auch die Ausbildung zum Musiktherapeuten hätten sich seit damals weiterentwickelt. Mittlerweile gebe es auch einen Hochschullehrgang an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, der mit einem Diplom abgeschlossen werde. Es gebe derzeit in Österreich noch kein einheitliches Musiktherapiegesetz, weil sich die Berufsvertretung über die Weiterentwicklung und Inhalte der Ausbildung uneinig sei. Die Musiktherapie lehne sich an psychotherapeutische Ideen und Konzepte an und diene der Stärkung der seelischen und körperlichen Kräfte des Menschen. In der Literatur werde sie in einem Naheverhältnis zur Psychologie und Psychotherapie, aber auch zur Musikwissenschaft gesehen. Es sei "nun zu prüfen, ob die Musiktherapie, vergleichbar mit der therapeutischen Tätigkeit von Gesundheitspsychologen, die ja auch nicht in § 6 Zi. 19 UStG ausdrücklich genannt werden, unter diese Befreiungsbestimmung subsumierbar ist, oder ob diese Tätigkeit, da ja ein Großteil der Ausbildung im Erlernen von altorientalischen Instrumenten und Liedern sowie Kompositionsmusik besteht, unter die künstlerische Tätigkeit eines Musikers im Sinne des § 10 Zi. UStG fällt".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, die Aufzählung der in § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 genannten Heilberufe sei abschließend, zumal eine generelle Einbeziehung "ähnlicher" Berufe nicht erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe einen sechsjährigen berufsbegleitenden Lehrgang an der Schule für altorientalische Musik absolviert. Bei dieser Ausbildung habe es sich um ein auf das islamische Gesundheitswesen gegründetes Verständnis von Musiktherapie gehandelt, die seit dem Jahr 1989 im Schloss R. im Waldviertel gelehrt werde. Nach den vorgelegten Bestätigungen seien (einwöchige) Kurse der Schule für altorientalische Musiktherapie, Meditation und Körpertherapie absolviert worden (im angefochtenen Bescheid werden dazu insgesamt 23 Kurse - jeweils rund vier Kurse pro Lehrjahr - aufgelistet).
Nach Ansicht der belangten Behörde handle es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht um eine (psycho)therapeutische Behandlung im Sinne einer anerkannten wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methode mit Schwerpunkt persönlicher Konfliktbearbeitung. Die Tätigkeit eines Musiktherapeuten, die durch den gezielten Einsatz von Musik die Gesundheit fördern bzw. wiederherstellen solle, sei auch weder von der Ausbildung noch vom Berufsbild her mit der weitaus umfassenderen Tätigkeit eines Gesundheitspsychologen im Sinne der in § 3 Abs. 1 Psychologengesetz dargestellten Berufsumschreibung vergleichbar. Anzumerken sei, dass an der Musikhochschule Wien ein zehnsemestriges Studium für Musiktherapie angeboten werde, welches im Rahmen des Psychotherapiegesetzes als Quellenberuf eingetragen worden sei. Musiktherapeuten könnten nach Abschluss des Studiums oder längerer Berufstätigkeit eine Psychotherapieausbildung anschließen. Der Beschwerdeführer habe allerdings weder ein derartiges Hochschulstudium noch eine Psychotherapeutenausbildung absolviert.
Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994 für Tätigkeiten als Künstler sei im Beschwerdefall ebenfalls nicht möglich. Die ausgeübte Tätigkeit als Musiktherapeut sei nämlich nicht "als eigentümliche geistige Schöpfung bzw. als Präsentation eines Kunstwerkes" zu werten. Im Mittelpunkt der Tätigkeit des Beschwerdeführers stehe vielmehr die Musik als bedeutsames Erlebnis- und Gestaltungsfeld in der Therapie, um die seelischen und körperlichen Kräfte des Menschen zu stärken. Damit handle es sich bei der Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht "um darbietende Kunst, sondern um den gezielten Einsatz von Musik (-klängen, Klangkombinationen, Rhythmen, Melodien) mit der Zielsetzung, die seelische, körperliche oder geistige Gesundheit zu fördern oder wieder herzustellen".
In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem "Recht auf Steuerfreiheit bzw. auf Nichtunterziehung unter den 20 % Steuersatz, in eventu Unterziehung unter den 10 % Steuersatz, meiner Umsätze als Musiktherapeut verletzt".
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Nach § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 sind von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 leg. cit. fallenden Umsätzen die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Dentist, Psychotherapeut, Hebamme sowie als freiberuflich Tätiger im Sinne des § 52 Abs. 4 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 102/1961 in der Fassung BGBl. Nr. 872/1992 und des § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 460/1992 steuerfrei.
In der Beschwerde wird vorgebracht, es sei unzutreffend, dass die Aufzählung der "Befreiungsbestimmungen" im § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 abschließend wäre. Die Tätigkeit als Musiktherapeut sei im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde "jedenfalls der Tätigkeit eines Gesundheitspsychologen vergleichbar, jedoch auch der Tätigkeit eines Psychotherapeuten vergleichbar".
Mit diesem Beschwerdevorbringen wird schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weil es sich bei der Aufzählung der nach § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreiten Heilberufe entgegen der in Beschwerde vertretenen Meinung um eine abschließende Aufzählung handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0291, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann). Daran ändert es auch nichts, dass nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der - im Beschwerdefall noch anzuwendenden - 6. EG-RL, 77/388/EWG, für den nationalen Gesetzgeber auch die generelle Einbeziehung arztähnlicher Berufe in die Steuerbefreiung möglich wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0224, und z.B. Ruppe/Achatz , UStG4, § 6 Tz. 417/1). Die Durchführung von "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" ist für sich auch noch nicht ausreichend, um in den Genuss der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der 6. EG-RL zu gelangen, zumal diese weiters im Rahmen der "Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen oder arztähnlichen Berufe" erbracht werden müssen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0224, mit Hinweis auf das , C-444/04, Solleveld und van den Houtvan Eijnsbergen, Randnr. 23).
Dass der Beschwerdeführer der in § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 aufgezählten Berufungsgruppe der Psychotherapeuten selbst zu subsumieren wäre, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet, die im Übrigen auch in keiner Weise darlegt, weshalb die vom Beschwerdeführer in den Jahren 1989 bis 1995 absolvierte - aus jeweils einwöchigen Kurseinheiten, rund viermal pro Jahr, bestehende - Ausbildung, die nach dem Berufungsvorbringen zu einem Großteil im Erlernen von altorientalischen Instrumenten und Liedern sowie Kompositionstechnik bestand, und die auf Grund dieser Ausbildung ausgeübte Tätigkeit etwa der (umfassenden) Ausbildung eines Psychotherapeuten im Sinne des Psychotherapiegesetzes, BGBl. Nr. 361/1990, und der Tätigkeit eines solchen gleichwertig sein sollte. Daraus, dass nach dem Beschwerdevorbringen bei anderen Musiktherapeuten die Steuerbefreiung von den Finanzbehörden "akzeptiert" worden sei, lässt sich in rechtlicher Hinsicht für den Beschwerdeführer nichts gewinnen.
Zur "in eventu" geltend gemachten Rechtsverletzung in Bezug auf die Anwendung des ermäßigen Umsatzsteuersatzes nach § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994 für die Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler wird in der Beschwerde geltend gemacht, die belangte Behörde habe mit keinem Wort begründet, warum die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit "nicht als eigentümlich geistige Schöpfung bzw. als Präsentation eines Kunstwerkes erscheinen sollte". Es sei "wohl bei Darbringung altorientalischer Musik von einem künstlerischen Charakter dieser Darbietung im individuellen Sinn und als kreative Schöpfung auszugehen".
Diesem Beschwerdevorbringen kann vor dem Hintergrund der Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht gefolgt werden, in dem sich die belangte Behörde in einer nicht als rechtswidrig zu erkennenden Weise auch damit auseinander gesetzt hat, weshalb die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit als Musiktherapeut keine künstlerische Tätigkeit darstellte. Nach der auch im angefochtenen Bescheid angesprochenen ständigen Rechtsprechung und herrschenden Lehre ist sowohl im Ertragsteuer- als auch im Umsatzsteuerrecht als Künstler anzusehen, wer eine persönliche und eigenschöpferische Tätigkeit in einem umfassenden Kunstfach auf Grund künstlerischer Begabung entfaltet und sich nicht darauf beschränkt, Erlernbares oder Erlerntes wiederzugeben (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0023, mwN). Die Darbietung altorientalischer Musik genügt damit allein noch nicht, um von einer Tätigkeit als Künstler im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1994 ausgehen zu können.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am