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VwGH vom 30.05.2012, 2008/13/0074

VwGH vom 30.05.2012, 2008/13/0074

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2008/13/0084 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des P in M, vertreten durch die Exinger GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1013 Wien, Renngasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zl. RV/0438-K/06, betreffend Einkommensteuer 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war von 1988 bis 1996 als atypisch stiller Gesellschafter am Unternehmen der X GmbH beteiligt. Die Einkünfte der atypisch stillen Gesellschaft wurden gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festgestellt. Für 1996 erging am zunächst ein Bescheid, wonach die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der atypisch stillen Beteiligung zu unterbleiben habe (im Folgenden nur: Nichtfeststellungsbescheid). Gegen diesen Bescheid erhob die A Bank am Berufung, die sie u.a. damit begründete, dass ein Nichtbescheid vorliege. Am erließ das für die atypisch stille Gesellschaft zuständige Finanzamt sodann nach Wiederaufnahme des Verfahrens einen Feststellungsbescheid, laut dem die atypisch stillen Gesellschafter 1996 einen Abschichtungsgewinn von 26,649.463 S erzielten.

Das für den Beschwerdeführer zuständige Finanzamt erließ daraufhin am einen gemäß § 295 BAO berichtigten Einkommensteuerbescheid 1996, in dem es die Einkünfte des Beschwerdeführers aus der atypisch stillen Gesellschaft entsprechend dem Feststellungsbescheid vom mit 552.052 S erfasste und damit im Zusammenhang stehende verrechenbare Verluste der Vorjahre von 20.052 S berücksichtigte.

Der Beschwerdeführer legte gegen den Einkommensteuerbescheid vom Berufung ein und begründete diese damit, dass das Recht, die Einkommensteuer 1996 festzusetzen, bereits verjährt sei.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und führte dazu begründend aus, die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 sei aufgrund des Feststellungsbescheides vom erfolgt (Bindungswirkung). Im Feststellungsverfahren sei für das Jahr 1996 eine Berufung eingebracht worden. Die Berufung sei noch offen und daher noch keine Verjährung eingetreten.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte im Vorlageantrag u.a. aus, dass für das Jahr 1996 "kein Gewinnfeststellungsbescheid" existiere und "eine vorsorglich eingebrachte Berufung" zurückgezogen worden sei.

Um von einem unstrittigen Verfahrensablauf ausgehen zu können, hielt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die für das Jahr 1996 feststellbaren Vorgänge im Feststellungsverfahren der atypisch stillen Gesellschaft (wonach am u. a. ein Nichtfeststellungsbescheid erlassen worden sei, gegen den die A-Bank am Berufung erhoben habe) und im Einkommensteuerverfahren des Beschwerdeführers (wonach der Einkommensteuerbescheid 1996 am erlassen und am gemäß "§ 303 Abs. 4 BAO" berichtigt worden sei) vor. Zugleich forderte sie den Beschwerdeführer zu einer Stellungnahme hierzu auf.

Der Beschwerdeführer legte eine Stellungnahme des steuerlichen Vertreters der atypisch stillen Gesellschaft vor, in der dieser zum Feststellungsverfahren für das Jahr 1996 wie folgt Stellung nahm:

"Sehr geehrte (…),

der Feststellungsbescheid 1996 vom ist mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksam. Faktum ist, dass dieser Bescheid aus meiner Feder stammt und selbst die Bescheidformulare noch im Vorfeld mit mir abgestimmt wurden. Daher wäre es jetzt nicht fair, hier noch die Unwirksamkeit ins Spiel zu bringen, obwohl mangels näherer Informationen über die einzelnen Beteiligten (Anleger) niemand mit letzter Genauigkeit sagen kann, ob jede einzelne anlegerspezifische Information stimmt. Nach damaliger Rechtslage hätte die materielle Fehlbezeichnung eines Anlegers die Nichtigkeit des gesamten F-Bescheides zur Folge.

Der Kern des Problems liegt freilich tiefer: Auf Ebene der (atypisch stillen Gesellschaft) ist bis dahin (also bis in das Jahr 2006) ein wirksamer F-Bescheid nicht ergangen. Die bis dahin ergangenen Erledigungen haben - sofern es solche überhaupt gibt - definitiv keine Bescheidqualität erlangt. Die Erledigungen des Jahres 2004 haben ebenfalls keine Bescheidqualität erlangt. Abgesehen davon haben sie sich darauf beschränkt, die Verluste für den Zeitraum 1988 bis 1995 abzuerkennen. Damit hat sich die Frage einer Aufgabe Gewinnbesteuerung im Jahr 1996 gar nicht gestellt und ist ein solcher Bescheid damals auch nicht ergangen (und wenn er ergangen wäre, wäre er aus besagten Gründen nichtig gewesen)."

Mit dem hier angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und führte nach Anführung der Bezug habenden Gesetzesstellen aus, dass einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen habe, der Eintritt der Verjährung gemäß § 209a Abs. 1 BAO nicht entgegen stehe. Hänge eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung ab, stehe gemäß § 209a Abs. 2 BAO der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung vor diesem Zeitpunkt eingebracht worden sei. Eine Abgabenfestsetzung hänge von der Erledigung einer Berufung iSd § 209a Abs. 2 BAO ab, wenn die Berufung gegen einen Grundlagenbescheid (z.B. einen Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO) gerichtet sei. Werde eine solche Berufung vor Eintritt der Verjährung "(der 'abgeleiteten' Abgabe)" eingebracht, so stehe der Umstand, dass sie erst nach Eintritt der Verjährung meritorisch erledigt werde, der Anpassung abgeleiteter Abgabenbescheide nicht entgegen (Hinweis auf Ritz , BAO3, § 209a Tz 6).

Die Verjährung betreffend Einkommensteuer 1996 wäre nach der Rechtslage vor dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, mit Ablauf des Jahres 2004 eingetreten, wenn nicht am ein Nichtfeststellungsbescheid betreffend die atypisch stille Gesellschaft ergangen wäre und die A Bank nicht am eine Berufung gegen diesen Bescheid eingebracht hätte. Durch die Berufung vom komme § 209a Abs. 2 BAO zum Tragen, der iVm § 323 Abs. 18 vierter Satz BAO idF des Abgabenänderungsgesetzes 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, einer Verjährung der Einkommensteuer 1996 entgegenstehe. "Von der Erledigung dieser Berufung, von der man weder am , noch am (dem letzten Tag der 'alten Verjährungsbestimmungen') sagen konnte, wie sie ausgehen wird, war hier die Einkommensteuerfestsetzung mittelbar abhängig." Dass es sich bei der Berufung vom allenfalls um eine unzulässige Berufung handle, stehe der Anwendung des § 209a Abs. 2 BAO nicht entgegen. Die A Bank hätte überhaupt keine Berufung einbringen müssen, "wenn sie tatsächlich vom Vorliegen eines Nichtbescheides völlig überzeugt gewesen wäre". Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass die Berufung sowohl das Vorliegen eines Nichtbescheides ins Treffen geführt, als auch die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Nichtfeststellungsbescheides geltend gemacht habe, "weil das Finanzamt die Liebhaberei völlig unzutreffend festgestellt hätte". Die Zurückziehung der Berufung sei deshalb erfolgt, weil das von den atypisch stillen Gesellschaftern gewollte Ergebnis durch den Feststellungsbescheid vom herbeigeführt worden sei. "Ausdrücklich festzuhalten ist nämlich, dass im gegenständlichen Fall die atypisch Stille die Verluste der Jahre 1988 bis 1995 anerkannt haben wollte, was ihr letztendlich mit den endgültigen Feststellungsbescheiden für 1988 bis 1995 vom gelang. Dies war jedoch nur in Verbindung mit der Veranlagung des Abschichtungsgewinnes des Jahres 1996 laut Feststellungsbescheid für 1996 vom möglich. Letzteren möchte der (Beschwerdeführer) nun aus dem Rechtsbestand bekommen, um so nur die Verluste der Vorjahre - rd. S 617.000,00 - konsumieren zu können."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Erstattung einer Gegenschrift und Aktenvorlage durch die belangte Behörde sowie einer Replik des Beschwerdeführers auf die Gegenschrift erwogen:

Gemäß § 295 Abs. 1 BAO ist ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Änderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides vom Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

Ist der abgeleitete Bescheid wie im Beschwerdefall ein Abgabenbescheid, so ist seine Änderung dem § 302 Abs. 1 BAO zufolge - sofern nicht der Ausnahmefall des § 209a Abs. 2 BAO vorliegt - nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig (vgl. Ritz , BAO4, § 295 Tz 11).

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Verjährung betreffend Einkommensteuer 1996 nach der Rechtslage vor dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, mit Ablauf des Jahres 2004 eingetreten wäre, wenn nicht am ein Nichtfeststellungsbescheid betreffend die atypisch stille Gesellschaft ergangen wäre und die A Bank nicht am eine Berufung gegen diesen Bescheid eingebracht hätte. Durch die Berufung vom komme - so die belangte Behörde weiter - § 209a Abs. 2 BAO zum Tragen, der iVm § 323 Abs. 18 vierter Satz BAO idF des Abgabenänderungsgesetzes 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, einer Verjährung der Einkommensteuer 1996 entgegenstehe.

Nach § 209a Abs. 1 BAO steht einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen. Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung ab, so steht gemäß § 209a Abs. 2 BAO der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde.

Während Abs. 1 des § 209a BAO vorsieht, dass eine Abgabenfestsetzung in einer Berufungsentscheidung - auf Grund eines Rechtsmittels gegen einen vorangehenden, innerhalb der Verjährungsfrist erlassenen Bescheid - auch nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgen darf, gestattet Abs. 2 die verjährungsungebundene Abgabenfestsetzung auch außerhalb eines Rechtsmittelverfahrens dann, wenn die Abgabenfestsetzung von der Erledigung einer anderen mit Berufung bekämpften Verwaltungsangelegenheit abhängig ist. Eine Abhängigkeit in diesem Sinne ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Abgabenfestsetzung von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist. Dies trifft im Verhältnis des Einkommensteuerbescheides zu der gemäß § 188 BAO erfolgten einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften zu. Liegen einem Bescheid Feststellungen zu Grunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann gemäß § 252 Abs. 1 BAO der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Vor diesem Hintergrund erfasst § 209a Abs. 2 BAO jene Fälle, in denen eine Berufung gegen den Feststellungsbescheid anhängig ist, und stellt diese Sachverhaltskonstellationen im Hinblick auf die Verjährungsfolgen jenen Fällen gleich, in denen die Abgabenfestsetzung selbst Gegenstand eines anhängigen Berufungsverfahrens ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0216).

Ein Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides (§ 188 BAO) oder eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat, aufweist, dem aber keine Bescheidqualität zukommt, entfaltet keine Wirkung. Von der Erledigung der gegen ein derartiges Dokument gerichteten Berufung, die nur in einer Zurückweisung derselben bestehen kann, hängt die in § 209a Abs. 2 BAO geforderte Abgabenfestsetzung nicht ab.

Der Beschwerdeführer brachte im Berufungsverfahren u.a. vor, auf Ebene der atypisch stillen Gesellschaft sei bis 2006 kein wirksamer Feststellungsbescheid ergangen und der Nichtfeststellungsbescheid vom habe keine Bescheidqualität erlangt. Die belangte Behörde ging davon aus, dass "die Berufung laut § 209a Abs. 2 BAO keine 'zulässige' sein muss", und hat keine Feststellungen zur Frage getroffen, ob es sich bei dem in den Verwaltungsakten erliegenden Dokument vom (gegen das die für ihren Standpunkt ins Treffen geführte Berufung vom gerichtet ist) um einen Bescheid handelt oder nicht (sekundärer Verfahrensmangel).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am