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VwGH vom 23.01.2019, Ra 2018/13/0014

VwGH vom 23.01.2019, Ra 2018/13/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des E in F, vertreten durch Mag. Stephan Hemetsberger, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Hietzinger Hauptstraße 158, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7104134/2017, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde hinsichtlich Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2014 als verspätet, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der als Bauleiter unselbständig erwerbstätige Revisionswerber gab in seiner Erklärung vom zur Arbeitnehmerveranlagung 2014 als Wohnanschrift eine Adresse in Wien an. Laut Einkommensteuerbescheid vom ergab die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2014 ein Einkommen des Revisionswerbers von EUR 5.992,08 und eine Einkommensteuer von EUR 00,00.

2 Mit Bescheid vom hob das Finanzamt den Bescheid vom gemäß § 299 BAO auf. Mit zwei weiteren Bescheiden vom selben Tag setzte es die Einkommensteuer für das Jahr 2014 - nunmehr mit EUR 22.675,00 auf der Grundlage eines Einkommens von EUR 65.569,02 - sowie Anspruchszinsen fest. Als Anschrift des Revisionswerbers war in diesen Bescheiden eine Adresse in Feistritz am Wechsel angeführt.

3 Mit Schriftsatz vom erhob der anwaltliche Vertreter des Revisionswerbers Beschwerde gegen die Bescheide vom . Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde brachte er vor, der Revisionswerber habe "keinen der angefochtenen Bescheide zugestellt erhalten". Erst nach Zugang einer Zahlungsaufforderung "via Postweiterleitung" und "rechtlicher Anleitung" habe er am "die angefochtenen Bescheide von FinanzOnline heruntergeladen".

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde wegen Versäumung der einmonatigen Beschwerdefrist zurück. Zur Begründung wurde dargelegt, zum Zeitpunkt der elektronischen Zustellung der angefochtenen Bescheide am habe der Revisionswerber an FinanzOnline teilgenommen. Die "Zustimmung iSd § 97 Abs. 3 vierter Satz BAO" (Anmerkung: dieses Zustimmungserfordernis war mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112, abgeschafft worden) sei nicht (gemeint: im Sinne eines Verzichts nach § 5b FinanzOnline-Verordnung 2006) widerrufen worden. Für den Zustellzeitpunkt maßgeblich sei die am erfolgte Einbringung der Daten in die Databox bei FinanzOnline und nicht die Einsichtnahme durch den Empfänger.

5 Im Vorlageantrag vom brachte der Vertreter des Revisionswerbers vor, dieser sei "auf Grund eines Auslandsarbeitseinsatzes seit bis dato" nicht an seiner "Wohnadresse" in Feistritz "aufhältig", sondern "durchgehend in der Stadt (...), Ägypten, wohnhaft". Seit sei er "von sämtlichen inländischen Abgabestellen abwesend". Die Zustellung der angefochtenen Bescheide am gelte daher "trotz Einbringens in die Databox von FinanzOnline gemäß § 98 Abs. 2 BAO als nicht bewirkt", weshalb die Beschwerde nicht verspätet sei.

6 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde vom , soweit sie den Einkommensteuerbescheid vom betraf, gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurück. Es stützte diese Entscheidung - ausgehend von dem vom Revisionswerber bescheinigten Auslandsaufenthalt "seit Juni 2016 bis dato (bzw. bis )" - im Wesentlichen darauf, dass der Revisionswerber zur Zeit des Zustellvorgangs von seinen "inländischen Abgabestellen" nicht nur im Sinne des § 98 Abs. 2 dritter Satz BAO "abwesend" gewesen sei, sondern auf Grund der Dauer der Abwesenheit von einer Änderung der Abgabestelle(n) im Sinne ihres "Untergangs" auszugehen sei. Das Herunterladen der Bescheide sei "daher" nicht der Rückkehr an die Abgabestelle im Sinne des § 98 Abs. 2 dritter Satz BAO "gleichzuhalten".

7 Der Revisionswerber habe ferner auch nicht vorgebracht, warum es ihm am nicht möglich gewesen sei, die Bescheide herunterzuladen, wenn ihm dies doch am - ebenfalls noch vom Ausland aus - gelungen sei. Er habe sich, wie seinem Vorbringen zu entnehmen sei, Postsendungen nachschicken lassen, hinsichtlich der elektronischen Zustellung aber keine Vorkehrungen, etwa auch durch Verzicht auf die elektronische Zustellung, getroffen. Da der behauptete Grund für die Unwirksamkeit der Zustellung am nicht vorliege, sei die Beschwerde verspätet.

8 Eine Revision dagegen erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig, weil "die einmonatige Beschwerdefrist" (gemeint wohl:

das Vorgehen bei Versäumung der in § 245 Abs. 1 BAO geregelten Beschwerdefrist) "in § 260 Abs. 1 lit. b BAO geregelt" sei und der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom , 2009/13/0105, VwSlg 8836/F, bestätigt habe, dass in die Databox eingelegte Schriftstücke "damit zugestellt" seien.

9 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der das Finanzamt keine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist - wie in ihr vorgebracht - zulässig, weil zu der vom Bundesfinanzgericht verneinten Subsumierbarkeit einer länger dauernden (laut Revision: "dauernden") Abwesenheit unter § 98 Abs. 2 dritter Satz BAO (oder unter die früher maßgebliche, im Wesentlichen inhaltsgleiche Bestimmung des § 26a dritter Satz ZustG) keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.

12 Die Revision ist aber nicht begründet.

13 § 98 Abs. 2 BAO lautet:

"(2) Elektronisch zugestellte Dokumente gelten als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

14 Die Regelung wurde mit dem Abgabensicherungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 99, eingeführt und sollte die Rechtslage gemäß § 26a ZustG fortführen (vgl. die Regierungsvorlage, 270 BlgNR

23. GP 13; zur Entstehungsgeschichte des § 26a ZustG Stumvoll in Fasching/Konecny2 II/2, Anh § 87 ZPO,§ 26a ZustG, Rz 2). Zu § 26a dritter Satz ZustG war im Schrifttum u. a. dargelegt worden, es sei "nicht wirklich klar, wo bei der elektronischen Zustellung die Abgabestelle tatsächlich angenommen wird. Erkennbar wird vorausgesetzt, dass der Aufstellort (gemeint: die Aufstellung) des Empfangsgeräts nur an einer Abgabestelle des Empfängers iSd § 4 (nunmehr § 2 Z 4) ZustG erfolgt". Mit § 26a ZustG seien "wiederum teilweise nicht eindeutig formulierte und nicht leicht durchschaubare und vollziehbare Normen gesetzt" worden (Stumvoll, a.a.O., Rz 9 f). In der Regierungsvorlage zum Abgabensicherungsgesetz 2007 wurde zum dritten Satz der fast unverändert übernommenen Bestimmung angemerkt, ein Empfänger sei "somit während seiner Abwesenheit von der Abgabestelle (z.B. während seines Urlaubes) vor zustellrechtlichen Folgen einer ihm nicht zur Kenntnis gelangten elektronischen Zustellung geschützt" (a.a.O.).

15 Das Bundesfinanzgericht ist davon ausgegangen, die in § 98 Abs. 2 erster Satz BAO getroffene Regelung werde durch den dritten Satz nur für den Fall einer vorübergehenden, die Dauer etwa eines langen Urlaubes nicht übersteigenden Abwesenheit, aber nicht für den hier vorliegenden Fall eines "Untergangs" der Abgabestelle (Hinweis auf , VwSlg 15457/A) durchbrochen.

16 Der Revisionswerber, der nicht bestreitet, dass die elektronisch zugestellten Dokumente in seinen elektronischen Verfügungsbereich im Sinne des § 98 Abs. 2 erster Satz BAO gelangt sind, hält dem entgegen, die "Verschiebung des Zustellzeitpunkts auf den Tag nach der Rückkehr an die Abgabestelle" müsse "umso mehr" gelten, wenn die Abwesenheit so lange dauere, dass die Abgabestelle im Sinne des vom Bundesfinanzgericht zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes sogar "aufgehoben" sei. Zu dem vom Gesetzgeber mit der Regelung "offenbar" verfolgten Konzept vertritt der Revisionswerber dabei die Ansicht, der Empfänger solle die Möglichkeit haben, "das zugestellte Dokument an ¿seinem PC' an seiner Abgabestelle zu empfangen und nicht (beispielsweise) in irgendeinem Internetcafe des jeweiligen Aufenthaltsorts".

17 Dieser Deutung des mit der Regelung verfolgten Ziels ist beizupflichten. Sie dient erkennbar dazu, die geordnete Empfangnahme und Bearbeitung der Sendung - bei Bedarf etwa auch durch Herstellung von Ausdrucken - mit Hilfe der vom Empfänger für solche Zwecke regelmäßig verwendeten und nach seinen Vorstellungen gesicherten Einrichtungen zu ermöglichen, und geht davon aus, dass dem eine Abwesenheit von der dafür verwendeten Abgabestelle gemäß (jetzt) § 2 Z 4 ZustG in der Regel entgegensteht. Schützenswert sind nach der zitierten Stelle in der Regierungsvorlage zum Abgabensicherungsgesetz 2007 und nach allgemeinem Verständnis etwa Urlaubszeiten des Empfängers, die auch nicht mit täglichem Prüfen möglicher Zustellungen aus der Ferne belastet sein sollen (vgl. in diesem Sinn Stumvoll in Fasching/Konecny3 II/2, § 1 ZustG, Rz 30/2, zur elektronischen Zustellung nach dem dritten Abschnitt des ZustG). Dass Letzteres an Fremdgeräten oder eigenen mobilen Kleingeräten möglich wäre, wird mit der Annahme eines Hindernisses im Sinne des § 98 Abs. 2 dritter Satz BAO bei Beachtung des Gesetzeszwecks meist vereinbar sein (vgl. wohl in einem ähnlichen Sinn nun auch § 35 Abs. 7 Z 2 ZustG i.d.F. des Deregulierungsgesetzes 2017, BGBl. I Nr. 40). Eine gewisse Verzögerung der Zustellwirkung und den mit der Feststellung ihrer Voraussetzungen verbundenen Verfahrensaufwand nimmt das Gesetz in solchen Fällen in Kauf.

18 Auf den Sachverhalt einer Übersiedlung mit wenn auch nur temporärer Aufgabe der bisherigen Abgabestelle, dessen Vorliegen im Revisionsfall in der Revision nicht bestritten wird (vgl. zum Verlust der Abgabestelle der Wohnung durch längere Nichtbenützung auch die Nachweise bei Stumvoll, a.a.O., § 2 ZustG, Rz 25 ff), lässt sich dies aber nicht übertragen. Wer seine Abgabestelle aufgibt und anderswo eine neue begründet, ist damit nur von seiner früheren und nicht von seiner aktuellen Abgabestelle abwesend und wird die zuvor erwähnten Empfangseinrichtungen - anders als in einem Urlaub - in der Regel mitgenommen haben. Erweist sich dies etwa wegen der Verhältnisse an der neuen Abgabestelle und/oder einer geplanten späteren Rückkehr an die frühere Abgabestelle nicht als opportun, wie dies beim Revisionswerber der Fall gewesen sein könnte, so verbleibt die in § 5b FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006, in der Fassung der Novelle BGBl. II Nr. 373/2012, geregelte Möglichkeit, auf die elektronische Form der Zustellung zu verzichten. Für den Fall, dass dies nicht geschieht, würde die in der Revision vertretene Auffassung bedeuten, dass die Wirksamkeit aus der Sicht der Behörde schon bewirkter Zustellungen nicht nur begrenzt im Umfang üblicher Abwesenheiten, sondern unter Umständen um Jahre hinausgeschoben oder - mangels Rückkehr an die frühere Abgabestelle - niemals eintreten würde, ohne dass sich die Erwägungen, auf denen § 98 Abs. 2 dritter Satz BAO beruht, dafür ins Treffen führen ließen.

19 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018130014.L00

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