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VwGH vom 08.09.2005, 2005/18/0047

VwGH vom 08.09.2005, 2005/18/0047

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des C, geboren 1958, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1246/04, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , mit dem der Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 ausgewiesen worden war, gemäß § 63 Abs. 5 iVm § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Der Bescheid der Behörde erster Instanz sei nach zwei Zustellversuchen am 9. und am Postamt hinterlegt worden, wo er ab zur Abholung bereit gelegen sei. Die zweiwöchige Berufungsfrist habe somit am geendet. Die gegenständliche Berufung sei erst am erhoben worden und somit verspätet.

Dem Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom Gelegenheit eingeräumt worden, zu diesem Sachverhalt Stellung zu nehmen. Er habe in seiner Stellungnahme vom vorgebracht, die Verständigungen über den weiteren Zustellversuch und die Hinterlegung nicht vorgefunden zu haben. Erst am hätte er die Hinterlegungsanzeige zufällig oberhalb des Postfaches abgelegt gefunden; am darauffolgenden Tag hätte er den Bescheid behoben. Zum Beweis dafür, dass auf Grund der Größe des Postfaches und der Anzahl der Parteien des öfteren Sendungen in falsche Postfächer gelegt und dann von den Hausparteien oberhalb der Postfächer abgelegt würden, habe der Beschwerdeführer mehrere Fotos vorgelegt.

Dieses Vorbringen sei nicht geeignet, eine rechtzeitige Berufungseinbringung darzutun. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Zustellvorgänge stattgefunden hätten, und bestätige auch, dass der Bescheid postamtlich hinterlegt worden sei. Das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer die Hinterlegungsanzeige erst am vorgefunden und am folgenden Tag den Bescheid behoben hätte, erweise sich allerdings als unwahr. Nach der vom Postamt übermittelten Empfangsbestätigung habe der Beschwerdeführer den Bescheid bereits am beim Postamt behoben. Dem Vorbringen in der Stellungnahme vom müsse somit jede Glaubwürdigkeit versagt bleiben. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass - selbst wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers zutreffend gewesen wäre - die mangelnde Kenntnis von der Hinterlegung an der Rechtswirksamkeit der Zustellung nichts zu ändern vermöge.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die §§ 7, 17 und 21 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG), haben folgenden Wortlaut:

"Heilung von Zustellmängeln

§ 7. (1) Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

(2) Der Versuch der Zustellung an einer gemäß § 4 nicht vorgesehenen Adresse ist ein Zustellmangel im Sinne des Abs. 1.

...

Hinterlegung

§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

...

Zustellung zu eigenen Handen

§ 21. (1) Dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen dürfen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.

(2) Kann die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden, so ist der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen."

Eine Hinterlegung ohne schriftliche Verständigung oder auf Grund einer fehlerhaften Verständigung entfaltet keine Rechtswirkungen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 E 25 zu § 17 ZustG zitierte hg. Judikatur). So ist etwa eine Hinterlegung dann unwirksam, wenn die Verständigung nach § 17 Abs. 2 ZustG in den Briefkasten einer anderen als der im Rückschein angegebenen Abgabestelle des Empfängers eingelegt wurde (vgl. Walter/Thienel, aaO E 30). Ebenso gilt eine hinterlegte Sendung auch dann nicht als zugestellt, wenn die in § 17 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 ZustG vorgesehenen Verständigungen nicht in das Hausbrieffach des Empfängers, sondern in das einer anderen Person eingelegt werden.

2. Vorliegend wurde der Bescheid der Behörde erster Instanz unstrittig nach den beiden Zustellversuchen vom 9. und beim Postamt hinterlegt, wo er ab zur Abholung bereit lag.

Unter der Voraussetzung der ordnungsgemäßen Verständigung des Empfängers gemäß § 17 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 ZustG hätte die Sendung daher am als zugestellt gegolten.

3. Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme vom u.a. Folgendes ausgeführt:

"Dazu möchte ich feststellen, dass ich über die vorgenommenen Zustellversuche und die stattgefundene Hinterlegung nicht in entsprechender Weise informiert worden bin. In meinem Postfach Garnisongasse 14-16/214 hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt keine Verständigung von der Hinterlegung des Schriftstückes bzw. des Zustellversuches gefunden. Kenntnis habe ich erst am von der Zustellung erlangt, als ich zufälligerweise die Verständigung über die Hinterlegung oberhalb des Postfaches abgelegt fand. Darauf hin habe ich am den gegenständlichen Bescheid behoben.

Das Ganze erklärt sich dadurch, dass auf Grund der Größe des Postfaches und der Anzahl an Parteien des öfteren Zustellungen in falschen Postfächern hinterlegt werden. Auch in meinem Postfach finden sich häufig Zustellungen, welche nicht an mich adressiert wurden. Üblicherweise werden die zugestellten Schriftstücke dann einfach durch die Personen, welche sie erhalten haben, am Postfach abgelegt, wie es auch in meinem Fall geschehen ist. Der Adressat findet sie dort zufälligerweise oder auch gar nicht."

Dazu hat er Fotos vorgelegt, die eine große Anzahl von Hausbrieffächern zeigen, auf denen zum Teil auch Poststücke abgelegt sind.

4. Die belangte Behörde hat das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Verständigung erst am vorgefunden und die Sendung am darauffolgenden Tag behoben zu haben, als unwahr gewertet, weil die Sendung nach der Empfangsbestätigung des Postamtes bereits am behoben worden ist. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom müsse sohin "jegliche Glaubwürdigkeit versagt bleiben". Soweit die belangte Behörde ausführte, dass selbst bei Zutreffen des Vorbringens des Beschwerdeführers die mangelnde Kenntnis von der Hinterlegung an der Rechtswirksamkeit der Zustellung nichts zu ändern vermöge, vertrat sie erkennbar die Auffassung, dass die Berufung auch unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers jedenfalls verspätet wäre.

5. In der Beschwerde wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer den Bescheid jedenfalls einen Tag nach Vorfinden der Hinterlegungsanzeige behoben habe. Sollte die Behebung tatsächlich am stattgefunden haben, so sei die Anzeige bereits am vorgefunden worden. Dieser Irrtum beim Datum ändere nichts daran, dass der Beschwerdeführer die Hinterlegungsanzeige oberhalb der Postfächer und nicht in seinem Postfach vorgefunden habe.

6. Der Beschwerdeführer hat in der Stellungnahme vom mit ausreichender Deutlichkeit vorgebracht, dass die Verständigungen gemäß § 17 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 ZustG nicht ordnungsgemäß in sein Hausbrieffach, sondern in das Hausbrieffach eines anderen Hausbewohners eingelegt worden seien, der sie dann oberhalb der Brieffächer abgelegt habe.

Ausgehend von diesem Vorbringen hätte die Hinterlegung nach der oben 1. dargestellten Rechtslage mangels ordnungsgemäßer Verständigung nicht die Wirkung der Zustellung entfaltet. Die Zustellung wäre diesfalls gemäß § 7 ZustG erst dadurch bewirkt worden, dass dem Beschwerdeführer die Sendung anlässlich der Abholung beim Postamt - wie er nunmehr auch in der Beschwerde einräumt, am - tatsächlich zugekommen ist. Ausgehend davon wäre die Berufung am rechtzeitig eingebracht worden.

Die Ansicht der belangten Behörde, die Berufung wäre auch bei Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers verspätet, beruht somit auf einer Verkennung der Rechtslage.

Von daher hat die belangte Behörde keine Feststellung dazu getroffen, ob die Verständigungen gemäß § 17 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 ZustG in das Hausbrieffach des Beschwerdeführers oder in ein anderes Hausbrieffach eingelegt worden sind. Zu einer derartigen Feststellung wäre die belangte Behörde auf Grund des diesbezüglichen Vorbringens des Beschwerdeführers gehalten gewesen. Der bloße Hinweis, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers "jegliche Glaubwürdigkeit versagt werden müsse", kann vorliegend eine solche ausdrückliche Feststellung nicht ersetzen.

7. Da der Bescheid somit auf der dargestellten Verkennung der Rechtslage beruht, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

8. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am