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VwGH vom 04.04.2019, Ra 2018/11/0225

VwGH vom 04.04.2019, Ra 2018/11/0225

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen der Niederösterreichischen Landesregierung, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Domgasse 2, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich jeweils vom , Zlen. 1. LVwG-AV-708/001-2018 (hg. Zl. Ra 2018/11/0225), 2. LVwG-AV-706/001-2018 (hg. Zl. Ra 2018/11/0226) und 3. LVwG-AV-707/001-2018 (hg. Zl. Ra 2018/11/0227), alle betreffend Aussetzung eines Verwaltungsverfahrens nach dem NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz (mitbeteiligte Parteien: ad 1. Verein E, ad 2. Verein J und ad 3. Verein S, sämtliche vertreten durch die Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die Anträge der Revisionswerberin auf Aufwandersatz werden abgewiesen.

Begründung

1 Mit (Mandats-)Bescheiden der nunmehrigen Revisionswerberin jeweils vom wurde gemäß § 57 Abs. 1 AVG iVm § 53 Abs. 4 NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz (NÖ KJHG) einerseits festgestellt, dass die Eignung der mitbeteiligten Parteien zum Betrieb von Wohngemeinschaften nicht mehr vorliege, da deren Leistungserbringung nicht mehr dem Kindeswohl entspreche, und andererseits die mit früheren Bescheiden ausgesprochenen Eignungsfeststellungen der mitbeteiligten Parteien mit sofortiger Wirkung widerrufen.

2 In der Begründung dieser Mandatsbescheide stellte die Revisionswerberin aufgrund der Erhebungsergebnisse einer eingesetzten Sonderkommission im Wesentlichen gleichlautend fest, es lägen in den Einrichtungen der mitbeteiligten Parteien gravierende Missstände vor. Insbesondere seien die betreuten Minderjährigen (teilweise über lange Zeiträume hinweg) "physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt" gewesen und Personal sei ohne ausreichende Qualifikation alleine zu Nachtdiensten eingeteilt worden.

3 Überdies seien in den Einrichtungen der erstmitbeteiligten Partei Bedarfsmedikation in unzulässiger Weise ohne ärztliche Vorschreibung verabreicht bzw. Medikamente in unzulässiger Weise von den diensthabenden Pädagogen dispensiert und Dokumentationen über Vorfälle nachträglich verändert worden. In den Einrichtungen der zweitmitbeteiligten Partei sei es aufgrund der mangelhaften Betreuung der Jugendlichen zu mehreren Polizeieinsätzen gekommen, den "bescheidmäßigen" Auflagen über die Anzahl des zu beschäftigenden Personals sei nicht entsprochen worden. In den Einrichtungen der drittmitbeteiligten Partei sei es infolge einer Verletzung der Aufsichtspflicht zu einem schwerwiegenden Suizidversuch gekommen.

4 In der Begründung der Mandatsbescheide wurde ferner (im Sinne des § 53 Abs. 4 letzter Satz NÖ KJHG) darauf hingewiesen, dass die betreuten Kinder und Jugendlichen aus den Einrichtungen entfernt würden.

5 Zu den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 AVG wurde ausgeführt, es liege Gefahr in Verzug vor, weil bei einer weiteren Leistungserbringung durch die mitbeteiligten Parteien eine akute Gefährdung des Kindeswohles nicht auszuschließen sei. Daher hätten gegen diese Mandatsbescheide eingebrachte Vorstellungen gemäß § 57 Abs. 2 AVG keine aufschiebende Wirkung.

6 Die über die dagegen erhobenen Vorstellungen geführten Verfahren setzte die Revisionswerberin mit im Wesentlichen gleichlautenden Bescheiden vom gemäß § 38 AVG aus und begründete dies damit, dass die genannte Sonderkommission ihren Endbericht sowie eine Sachverhaltsdarstellung an die zuständigen Staatsanwaltschaften übermittelt habe, bei welchen nach Geschäftszahlen näher bezeichnete Strafverfahren gegen den Beschuldigten X.Y. (der, wie sich u.a. aus den aktenkundigen Vorstellungsschriftsätzen ergibt, Obmann aller drei mitbeteiligten Parteien ist) anhängig seien. Gegenstand dieser Strafverfahren sei vor allem die Frage, ob die Minderjährigen in den Wohngemeinschaften der mitbeteiligten Parteien physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen seien. Diese in den Strafverfahren als Hauptfrage zu klärende Frage stelle in den gegenständlichen Verwaltungsverfahren eine präjudizielle Vorfrage dar, sodass diese Verfahren im Sinne der Verfahrensökonomie bis zum rechtskräftigen Abschluss der anhängigen strafgerichtlichen Verfahren ausgesetzt würden.

7 Gegen diese Aussetzungsbescheide erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerden, denen mit den nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnissen vom unter gleichzeitiger Aufhebung dieser Bescheide Folge gegeben wurde. Dazu wurde jeweils ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 In der Begründung dieser Erkenntnisse führte das

Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens im

Wesentlichen gleichlautend aus, dass gegen X.Y. als Obmann aller

drei mitbeteiligten Parteien bei den zuständigen

Staatsanwaltschaften Strafverfahren wegen des Verdachts der

Übertretungen der § 83 ff StGB, § 88 StGB, § 92, 93, 94 StGB,

§ 99 StGB, § 105 StGB, § 107, 107b, 108 StGB, § 111, 115 StGB,

§ 146 ff StGB, § 153, 153b StGB, § 199 StGB, § 206 f StGB,

§ 212 StGB und § 302 StGB eingeleitet worden seien.

9 Dabei handle es sich jedenfalls um anhängige Verfahren iSd § 38 AVG, zumal nach der Rechtsprechung (Hinweis auf ) ein Strafverfahren gemäß § 1 Abs. 2 StPO dann beginne, sobald die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung eines Tatverdachtes gegen eine bekannte oder unbekannte Person ermittle oder Zwang gegen einen Verdächtigen ausübe.

10 Allerdings, so die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, fehle es an der für die Aussetzung gemäß § 38 AVG notwendigen Präjudizialität. Die Revisionswerberin habe in den von ihr geführten (Vorstellungs-)Verfahren gemäß § 53 Abs. 4 NÖ KJHG zu beurteilen, ob bei den gegenständlichen privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen Missstände vorliegen und ob diese so gravierend seien, dass eine Leistungserbringung nicht mehr dem Kindeswohl entspreche.

Diese Fragen würden aber in den genannten Strafverfahren nicht als Hauptfrage beurteilt werden, da dort die genannten Verdachtsmomente lediglich in strafrechtlicher Hinsicht zu prüfen seien. In den Strafverfahren zu beurteilen sei "weder, ob es sich hiebei um Missstände im Sinne des § 53 Abs. 4 NÖ KJHG handelt, noch, ob diese so gravierend sind, dass diese die Feststellung der mangelnden Eignung und den Widerruf der Eignungsfeststellung nach § 53 Abs. 4 NÖ KJHG sowie die Entfernung der betreuten Minderjährigen rechtfertigen". Zwar hätte die Revisionswerberin ihrer Beurteilung die Entscheidung des Strafgerichts zugrunde zu legen, sie müsste aber dennoch eine eigenständige Wertung dieser strafrechtlichen Tatbestände vornehmen, wobei sie dabei auch zu dem Ergebnis kommen könnte, dass die Missstände den verfahrensgegenständlichen Widerruf der Eignungsfeststellung nicht rechtfertigten. Umgekehrt könne die Behörde auch im Falle eines Freispruches oder der Einstellung des Strafverfahrens zur Auffassung gelangen, dass die genannten Missstände vorlägen.

11 Außerdem stünden auch andere Vorwürfe als jene, die Gegenstand der Strafverfahren seien, im Raum, wie zB die unzulässige Bedarfsmedikation bzw. Medikamentendispensierung und die Einteilung von nicht qualifiziertem Personal. Es sei "nicht ausgeschlossen, dass auch diese Vorwürfe, sofern sie zutreffen, das Vorgehen der belangten Behörde rechtfertigen kann", sodass nicht davon ausgegangen werden könne, die Entscheidung des Strafgerichts sei für die Entscheidung in den gegenständlichen Verwaltungsverfahren "unabdingbar".

12 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die auf Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG gestützten außerordentlichen Amtsrevisionen, die der Verwaltungsgerichtshof wegen ihres rechtlichen, sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden hat.

13 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung bzw. die Abweisung der Revisionen beantragten.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Das NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz (NÖ KJHG), LGBl. 9270- 0 in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 23/2018, lautet auszugsweise:

"§ 1

Inhalt und Trägerschaft

(1) Das NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz regelt die Aufgaben und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Leistungen dienen der Unterstützung der Eltern bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages. Zur Sicherstellung des Kindeswohles können diese Leistungen den Erziehungsauftrag der Eltern ergänzen oder gänzlich ersetzen.

(2) Träger der Kinder- und Jugendhilfe ist das Land.

(3) Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe werden von der Landesregierung und den Bezirksverwaltungsbehörden besorgt.

(4) Die Besorgung der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe kann auch durch private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen erfolgen.

...

§ 5

Begriffsdefinitionen

Im Sinne dieses Gesetzes bedeuten die Begriffe:

...

7. Private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen:

Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit oder deren Rechtsträger, deren Eignung vom Kinder- und Jugendhilfeträger festgestellt ist, Leistungen nach diesem Gesetz zu erbringen;

...

§ 51

Volle Erziehung durch private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen

(1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger kann zur Besorgung der Erziehungshilfen gemäß § 50 private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen heranziehen, deren Eignung durch Bescheid festgestellt wurde.

...

§ 53

Aufsicht

(1) Private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, deren Eignung festgestellt wurde, unterliegen der Aufsicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers. Dieser hat sich in geeigneten Zeitabständen, mindestens aber einmal jährlich zu überzeugen, ob die privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen den Erfordernissen weiterhin entsprechen.

(2) Die private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung hat den Aufsichtsorganen jederzeit Zutritt zu den Räumlichkeiten sowie den erforderlichen Einblick in die Dokumentation zu ermöglichen und die nötigen Auskünfte zu erteilen.

(3) Liegen Missstände vor, die eine fachgerechte Besorgung der übernommenen Leistung(en) gefährden, so hat der Kinder- und Jugendhilfeträger mittels Bescheid vorzuschreiben, dass diese Missstände innerhalb angemessener Frist behoben werden müssen.

(4) Werden die Missstände nicht fristgerecht beseitigt, oder sind die Missstände so gravierend, dass eine Leistungserbringung nicht mehr dem Kindeswohl entspricht, hat der Kinder- und Jugendhilfeträger mit Bescheid festzustellen, dass die Eignung der Einrichtung für diese Leistung(en) nicht mehr vorliegt und die Eignungsfeststellung für diese Leistung(en) zu widerrufen. Gleichzeitig ist die Entfernung der Kinder und Jugendlichen anzuordnen und bei Gefahr in Verzug sofort zu vollziehen.

..."

16 § 38 AVG lautet:

"§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

17 Es bestehen keine Zweifel, dass die gegenständlichen Revisionen, wie sich schon aus der Bezeichnung der Revisionswerberin auf der jeweils ersten Seite ergibt (vgl. ebenso das Revisionsbegehren), von der belangten Behörde erhoben wurden. Daran ändert der Hinweis in den Revisionsbeantwortungen, dass am Ende der Revisionsschriftsätze jeweils "Land Niederösterreich" angeführt ist, nichts.

18 Entgegen den Revisionsbeantwortungen sind die Revisionen auch zulässig, weil die angefochtenen Erkenntnisse von der hg. Rechtsprechung (Hinweis auf ), was die vom Verwaltungsgericht verneinte Präjudizialität des anhängigen Strafverfahrens betrifft, abweichen.

19 Wie dargestellt, hat das Verwaltungsgericht die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 38 AVG zum einen deshalb verneint, weil das Ergebnis der anhängigen Strafverfahren für die Frage des Vorliegens von gravierenden Missständen iSd § 53 Abs. 4 NÖ KJHG nicht präjudiziell sei, zumal gegen die mitbeteiligten Parteien auch andere, von den Strafverfahren nicht erfasste Vorwürfe (im Zusammenhang mit der Verabreichung von Medikamenten an die Jugendlichen bzw. mit der nächtlichen Beaufsichtigung derselben) im Raum stünden, die schon für sich solche Missstände begründen könnten.

20 Zum anderen wurde die Rechtswidrigkeit der Aussetzung des Ermittlungsverfahrens damit begründet, dass die Verdachtsmomente, soweit diese Gegenstand der Strafverfahren sind, dort lediglich in strafrechtlicher Hinsicht geprüft würden, nicht aber hinsichtlich der Frage, ob es sich dabei auch um gravierende Missstände im Sinne des maßgebenden § 53 Abs. 4 NÖ KJHG handle. Die letztgenannte Beurteilung müsse vielmehr die belangte Behörde treffen.

21 Mit dem zweitgenannten Argument bringt das Verwaltungsgericht zum Ausdruck, es fehle gegenständlich an einer notwendigen Übereinstimmung der einerseits in den strafrechtlichen Verfahren und andererseits im Verfahren nach § 53 Abs. 4 NÖ KJHG maßgebenden Rechtsfragen. Damit wird jedoch die Rechtslage verkannt, weil § 38 AVG für die Aussetzung eines Verfahrens (bloß) voraussetzt, dass eine im Verwaltungsverfahren relevante "Vorfrage" von einer (anderen) Verwaltungsbehörde oder von einem Gericht (in einem dort bereits anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren) als "Hauptfrage" zu entscheiden ist.

22 Die Vorfrage ist eine Rechtsfrage, deren Lösung eine unabdingbare Voraussetzung für die Lösung einer anderen Frage, nämlich der jeweiligen Hauptfrage darstellt, sodass eine Vorfrage schon begrifflich nicht mit der Hauptfrage ident sein kann (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG, § 38 Rz 1 und 2, und die dort referierte Judikatur). Eine Vorfrage liegt vielmehr bereits dann vor, wenn der relevante Tatbestand ein (explizit angeführtes oder durch Auslegung zu ermittelndes) Element enthält, das für sich allein Gegenstand der bindenden Entscheidung einer anderen Behörde bzw. eines Gerichts (oder allenfalls derselben Behörde in einem anderen Verfahren) sein kann (vgl. etwa die bei Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht (2014), Rn 306, angeführte Rechtsprechung und Literatur). So hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob jemand eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, als Vorfrage iSd § 38 AVG für die im Verwaltungsverfahren als Hauptfrage zu beurteilende Vertrauenswürdigkeit der betreffenden Person angesehen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2013/03/0070).

23 In den die mitbeteiligten Parteien betreffenden Verfahren nach § 53 Abs. 4 NÖ KJHG ist entscheidungsrelevant, ob "gravierende Missstände" iS dieser Bestimmung vorliegen. Solche Missstände könnten zweifellos dann vorliegen, wenn den mitbeteiligten Parteien ein strafbares Verhalten (insbesondere ihres Obmannes) zuzurechnen wäre, wie es nach den oben wiedergegebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts bereits Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ist (durch welche die Strafverfahren gemäß § 1 Abs. 2 StPO eingeleitet und somit anhängig iSd § 38 AVG wurden; vgl. auch dazu ).

24 Damit ergibt sich, dass die den Gegenstand der Strafverfahren bildende Hauptfrage (konkret ob die erwähnten Bestimmungen des Strafgesetzbuches vom Obmann der mitbeteiligten Parteien übertreten wurden) zugleich ein entscheidungsrelevantes Element (Vorfrage) der Rechtsfrage, ob "gravierende Missstände" iSd § 53 Abs. 4 NÖ KJHG vorliegen, darstellt. Der Qualifikation als Vorfrage steht (entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts) nicht entgegen, dass es zur Lösung der letztgenannten Rechtsfrage (welche die Hauptfrage in den genannten Vorstellungsverfahren der mitbeteiligten Parteien bildet) überdies (arg. "gravierend") einer Wertung bzw. Gewichtung der in den Strafverfahren allenfalls festgestellten Straftat(en) bedürfte.

25 Das Verwaltungsgericht hat, wie erwähnt, die Aussetzungsbescheide vom auch deshalb für rechtswidrig erachtet, weil es auf die in den Strafverfahren zu untersuchenden Tatvorwürfe nicht ankomme, zumal der Tatbestand des § 53 Abs. 4 NÖ KJHG schon durch die anderen Verdachtsmomente im Zusammenhang mit der Verabreichung von Medikamenten an die Jugendlichen und mit der nächtlichen Beaufsichtigung ("sofern diese zutreffen") verwirklicht sein könnte.

26 Zwar geht das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend davon aus, dass eine Entscheidung in den in Rede stehenden Strafverfahren nur dann präjudiziell iSd ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa , Pkt. 3.2.2., mwN) und damit Vorfragenentscheidung im verfahrensrechtlich relevanten Sinn ist, wenn sie eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung (hier: ob gravierende Missstände vorlagen) "unabdingbar" ist und letztere in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise regelt.

27 Zur Bindung eines in Rechtskraft erwachsenden Schuldspruches genügt es auf das letztzitierte Erkenntnis zu verweisen.

28 Richtig ist, dass die Klärung der Frage, ob der Obmann der mitbeteiligten Parteien die erwähnten Übertretungen des StGB begangen hat, für die Beurteilung gravierender Missstände dann nicht "unabdingbar" wäre, wenn bereits andere als die den Gegenstand der Strafverfahren bildenden Missstände eine Anwendung des § 53 Abs. 4 NÖ KJHG ermöglichten. Ob diese Voraussetzung gegenständlich allerdings erfüllt ist (und damit der Aussetzung gemäß § 38 AVG entgegensteht), lässt sich ohne - konkrete - Feststellungen zum betreffenden Fehlverhalten bzw. zu den Missständen (samt entsprechender Beweiswürdigung) nicht beurteilen. Ohne diesbezügliche Feststellungen zu treffen durfte das Verwaltungsgericht daher im Rahmen der Überprüfung der Voraussetzungen des § 38 AVG den ausstehenden Entscheidungen in den Strafverfahren nicht von vornherein die Präjudizialität absprechen.

29 Die somit auf einer Verkennung der Rechtslage beruhenden angefochtenen Erkenntnisse waren daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

30 Der Antrag auf Aufwandersatz war abzuweisen, weil einem Revisionswerber im Fall des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG gemäß § 47 Abs. 4 VwGG ein Anspruch auf Aufwandersatz nicht zusteht. Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018110225.L00

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