VwGH vom 29.07.2010, 2010/15/0013
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamts Klagenfurt in 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 2 und 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zl. RV/0296-K/07, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2006 (mitbeteiligte Partei: J D in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte ist Angestellter der ÖBB Dienstleistungs GmbH. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte setzt sich - bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - aus den Wegstrecken von der Wohnung zur Bushaltestelle (1 km), Bushaltestelle bis Bahnhof K (öffentliches Verkehrsmittel - Bus, 6 km), Bahnhof K bis Bahnhof V (öffentliches Verkehrsmittel - Bahn, 38 km), Bahnhof V bis Arbeitsstätte (2 km) zusammen und beträgt insgesamt 47 km. Die Fahrtkosten - im Falle der Benützung der angeführten öffentlichen Verkehrsmittel - ergaben sich im Jahr 2006 mit insgesamt 395,08 EUR (Jahreskarte Stadtwerke Bus: 340 EUR; ÖBB Fahrbegünstigungskostenbeitrag: 55,08 EUR).
Der Mitbeteiligte machte zuletzt Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 395,08 EUR als Werbungskosten geltend.
Mit dem angefochtenen Bescheid anerkannte die belangte Behörde - in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung - diese Fahrtkosten als Werbungskosten. Gemäß § 3 Abs. 1 Z 21 EStG 1988 sei der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung der eigenen Arbeitnehmer und ihrer Angehörigen bei Beförderungsunternehmen von der Einkommensteuer befreit. Nach § 16 Abs. 1 Z 6 erster Satz EStG 1988 zählten zu den Werbungskosten auch die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Aufwendungen würden einerseits durch den Verkehrsabsetzbetrag, anderseits durch das Pendlerpauschale berücksichtigt. Werde der Arbeitnehmer überwiegend im Werkverkehr befördert, dann stünden ihm die Pauschalbeträge (Pendlerpauschale) nicht zu. Entstehende Fahrt- bzw. Beförderungskosten seien aber im jeweiligen Einzelfall jedenfalls bis zur Höhe des entsprechenden Pauschales zu berücksichtigen. Die hier vorliegenden Fahrtkosten in Höhe von 395,08 EUR lägen im Rahmen der Betragsbegrenzung des kleinen Pendlerpauschales für eine Fahrtstrecke von 47 km (981 EUR). Die Gesamtfahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei nicht - wie vom Finanzamt eingewandt - in isoliert zu betrachtende Teilstrecken aufzuteilen; die Einstiegstelle zur Nutzung des Werkverkehrs könne nicht als "Arbeitsstätte" beurteilt werden.
Dagegen wendet sich die Beschwerde des Finanzamtes mit dem Antrag, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Das EStG habe für jene Strecke, für die ein Werkverkehr eingerichtet sei, eine Sonderregelung normiert, und diese Teilstrecke aus der pauschal abzugeltenden Betrachtung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 herausgenommen. Es habe daher für jene Teilstrecke, auf der keine Beförderung im Werkverkehr möglich sei, eine gesonderte Beurteilung des Anspruches auf ein Pendlerpauschale zu erfolgen. Im Ergebnis sei daher bei einem Werkverkehr die Wegstrecke zwischen Wohnung und Einstiegstelle so zu behandeln wie die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte; die Einstiegstelle des Werkverkehrs werde somit für Belange des Pendlerpauschales mit der Arbeitsstelle gleichgesetzt. Auf der überwiegenden Strecke zwischen Wohnung und Einstiegstelle sei ein öffentliches Verkehrsmittel benutzbar; die einfache Fahrtstrecke betrage weniger als 20 km, sodass kein Anspruch auf ein Pendlerpauschale bestehe. Es könnten daher nur Werbungskosten in Höhe von 55,08 EUR (tatsächliche Kosten im Werkverkehr) berücksichtigt werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich nicht am verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 115/2005) sind Werbungskosten auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, wobei mit dem Verkehrsabsetzbetrag und allenfalls den in lit. b und c konkretisierten Pauschbeträgen alle entsprechenden Ausgaben abgegolten sind. Wird der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend im Werkverkehr (§ 26 Z 5 EStG 1988) befördert, dann stehen ihm die Pauschbeträge nach lit. b und c nicht zu. Erwachsen ihm für die Beförderung im Werkverkehr Kosten, dann sind diese bis zur Höhe der sich aus lit. b und c ergebenden Beträge als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Gemäß § 26 Z 5 EStG 1988 gehört die Beförderung des Arbeitnehmers im Werkverkehr nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Werkverkehr liegt vor, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit Fahrzeugen in der Art eines Massenbeförderungsmittels befördern lässt. Nach § 3 Abs. 1 Z 21 EStG 1988 ist der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung der eigenen Arbeitnehmer und ihrer Angehörigen bei Beförderungsunternehmen von der Einkommensteuer befreit.
Die Bedeutung der Bestimmung, dass dem Arbeitnehmer, der im Lohnzahlungszeitraum überwiegend im Werkverkehr befördert wird, die im § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und c EStG 1988 normierten Pauschbeträge nicht zustehen, ist darin zu sehen, dass eine pauschale Berücksichtigung von Werbungskosten dann nicht gerechtfertigt ist, wenn - wie dies bei Werkverkehr typisch ist - dem betreffenden Arbeitnehmer keine (oder gegenüber Arbeitnehmern, die nicht im Werkverkehr befördert werden, erheblich geringere) Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erwachsen und ein aus der kostenlosen oder begünstigten Beförderung entstehender Vorteil nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört. Die ratio legis in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz erfordert die Erstreckung der Rechtsfolgeanordnung, sodass auch im Fall der verbilligten (oder unentgeltlichen) Beförderung der eigenen Arbeitnehmer bei Beförderungsunternehmen gemäß § 3 Abs. 1 Z 21 EStG 1988 ein entsprechendes Pauschale grundsätzlich nicht zusteht, entstehende Kosten aber bis zur Höhe des entsprechenden Pauschales als Werbungskosten zu berücksichtigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 92/14/0092, VwSlg. 7.001 F/1995).
Es ist herrschende Lehre, dass einem Arbeitnehmer, der bestimmte Wegstrecken zwischen seiner Wohnung und der Einstiegstelle des Werkverkehrs zurücklegen muss, gegebenenfalls für diese Wegstrecke das Pendlerpauschale zusteht ( Doralt, EStG13, § 16 Tz 113; Hofstätter/Reichel, § 26 Z 5 Tz 1). Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Rechtsmeinung an, auch für den hier vorliegenden Fall einer Beförderung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 21 EStG 1988.
Die belangte Behörde hat neben den Kosten für den Werkverkehr auch Kosten für ein Massenbeförderungsmittel angesetzt und sich dabei auf § 16 Abs. 1 Z 6 letzter Absatz EStG 1988 gestützt, der aber nur die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für den Werkverkehr (bzw. hier für die Beförderung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 21 EStG 1988) vorsieht. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Neben den tatsächlichen Kosten für den Werkverkehr (oder Beförderung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 21 EStG 1988) steht für den Restweg nur allenfalls ein Pendlerpauschale zu.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Wien, am