VwGH vom 24.06.2010, 2010/15/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des M G in I, vertreten durch Mag. Michael Goller, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Edith-Stein-Weg 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0330-I/06, betreffend Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Finanzamt Innsbruck erließ am Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1999 sowie Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 2000. Diese Bescheide wurden dem Beschwerdeführer am zugestellt.
Am beantragte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers namens einer anderen Person (Steuernummer 018/yyyy, Y), die Berufungsfrist bis zum zu verlängern. Mit Eingabe vom teilte der steuerliche Vertreter mit, er habe am ein Fristverlängerungsansuchen eingebracht. Durch ein Versehen des Sekretariats sei unter Verwendung eines Musterschreibens als Berufungswerber Herr Y und die Steuernummer mit 018/yyyy angegeben worden. Aus den im Text angeführten Ziffern und Daten gehe aber eindeutig hervor, dass es sich um die Berufung gegen die an den Beschwerdeführer ergangenen Bescheide handle. Er ersuche, das Versehen zu entschuldigen und die Berufung bzw. den Stundungsantrag vom dem Beschwerdeführer zuzuordnen. Weiters beantragte der Beschwerdeführer, die Berufungsfrist bis zum zu verlängern. Am erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Die belangte Behörde wandte sich mit Vorhalt vom an den Beschwerdeführer. Aus dem Schreiben vom gehe nicht hervor, dass es sich hiebei um ein Fristverlängerungsansuchen des Beschwerdeführers handle. Dies habe zur Folge, dass der am gestellte Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist bereits nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht worden sei und eine hemmende Wirkung nicht mehr habe entfalten können; die Berufung vom sei daher verspätet. Es werde Gelegenheit gegeben, hiezu innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer brachte hiezu mit der Eingabe vom (mit näheren Ausführungen) vor, aus dem Schreiben vom gehe hervor, dass dieses den Beschwerdeführer betroffen habe. Allenfalls wäre der ergänzende Antrag vom als Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 308 BAO zu werten gewesen, weil dargelegt worden sei, dass einer im Übrigen verlässlichen Kanzleikraft ein Irrtum (geringes Verschulden) unterlaufen sei.
Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom die Berufung betreffend die Wiederaufnahmebescheide Umsatz- und Einkommensteuer 2000 als unzulässig und im Übrigen die Berufung als verspätet zurück.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem hg. Erkenntnis vom , 2005/14/0109, als unbegründet abgewiesen.
Mit der Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist (Bescheide zur Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1999 sowie Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 2000). Zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer und sein steuerlicher Vertreter seien bisher von einer wirksamen Fristverlängerung bis und somit von einer fristgerechten Berufung ausgegangen. Der Bescheid der belangten Behörde vom , zugestellt am , lasse diese Rechtsauffassung als irrig erscheinen; der Rechtsirrtum sei mit der Zustellung dieses Bescheides weggefallen.
Das Finanzamt Innsbruck wies mit Bescheid vom den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück. Die Bescheide vom seien am zugestellt worden. Die ergänzende Bescheidbegründung für sämtliche Bescheide in Form des Betriebsprüfungsberichts vom sei am zugestellt worden, sodass die Berufungsfrist am geendet habe. Der Irrtum über eine wirksame Verlängerung der Berufungsfrist sei für den Beschwerdeführer bzw. dessen steuerlichen Vertreter spätestens am erkennbar gewesen. Mit dem Entdecken dieses Irrtums sei das Hindernis weggefallen, aufgrund dessen die Einbringung der Berufung oder eines Antrages auf Verlängerung der Berufungsfrist unterlassen worden sei. Die Frist zur Erhebung eines Antrages auf Wiedereinsetzung habe daher am geendet, sodass der nunmehrige Antrag verspätet sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab. Die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages hänge davon ab, wann der Beschwerdeführer oder sein steuerlicher Vertreter den Irrtum über eine Verlängerung der Berufungsfrist erkennen habe können bzw. müssen. In der mündlichen Verhandlung vom habe der Vertreter des Finanzamtes bestätigt, dass der Vertreter des Beschwerdeführers am bei der Abgabenbehörde vorgesprochen und die irrtümliche Mandantenbezeichnung im Fristverlängerungsansuchen vom aufgeklärt habe. Es scheine auch zuzutreffen, dass sich das Finanzamt bei der Besprechung dieser Angelegenheit der Ansicht des steuerlichen Vertreters, der Mangel einer unrichtigen Parteienbezeichnung sei durch Nachreichung eines in diesem Punkt berichtigten Fristverlängerungsansuchens behebbar, angeschlossen habe. Damit sei für den Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erkennen gewesen, dass die für eine Verlängerung der Berufungsfrist erforderliche Voraussetzung eines vor dem Ablauf der Berufungsfrist eingebrachten Fristverlängerungsantrages tatsächlich nicht erfüllt gewesen sei; der Beschwerdeführer habe vielmehr zunächst noch von einer erfolgreichen, die Berufungsfrist wahrenden Behebung des der Eingabe vom anhaftenden Mangels ausgehen können. Der Irrtum über eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist habe aber mit Zustellung des Schreibens der belangten Behörde vom (am ) auffallen müssen. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte der Beschwerdeführer in Betracht ziehen müssen, dass es zu keiner Hemmung des Laufes der Berufungsfrist habe kommen können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist einer Partei gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß § 308 Abs. 3 BAO (idF BGBl. I Nr. 97/2002) binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen.
Als Hindernis ist jenes Ereignis zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis iSd § 308 Abs. 1 BAO in einem Irrtum, so fällt dieses Hindernis weg, sobald die Partei den Irrtum als solchen erkennen konnte und musste (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/14/0005). Für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist kommt es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an, also auf den Wegfall des Irrtums oder der Umstände, unter denen er nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegen stehenden Weise vorwerfbar ist (vgl. Ritz, BAO3, § 308 Tz 22, mwN).
Auch ein Rechtsirrtum kann ein maßgebliches "Ereignis" sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/03/0183, mwN). Hiebei ist im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen. Rechtsirrtümer über den Beginn des Fristenlaufes können bei einer rechtskundigen Partei oder beim Einschreiten eines rechtskundigen Vertreters nur in besonderen Ausnahmefällen zur Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages führen (vgl. den hg. Beschluss vom , 99/20/0253, mwN). Ein aus einer unrichtigen Rechtsauskunft eines behördlichen Organs resultierender Rechtsirrtum kann einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2001/18/0014, und den hg. Beschluss vom , 2003/17/0313, je mwN). "Ordentliche Prozessparteien" trifft die Obliegenheit, sich bei geeigneten Stellen zu erkundigen und sich Gewissheit zu verschaffen, wann der Beginn des Fristenlaufes eingetreten ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom ). Dieser Obliegenheit ist der Vertreter des Beschwerdeführers auch nachgekommen: Entsprechend den Feststellungen der belangten Behörde habe der steuerliche Vertreter am beim Finanzamt vorgesprochen und es scheine auch zuzutreffen, dass sich das Finanzamt der Ansicht des steuerlichen Vertreters angeschlossen habe, der Mangel der unrichtigen Parteienbezeichnung sei durch Nachreichung des in diesem Punkt berichtigten Fristverlängerungsansuchens behebbar. Demnach war - insoweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unstrittig - zu diesem Zeitpunkt das behauptete Hindernis, das einer rechtzeitigen Berufung entgegen stand, noch nicht weggefallen.
Mit Verfügung vom wurde dem Beschwerdeführer aber von der (zuständigen Referentin der) belangten Behörde vorgehalten, das Ansuchen vom sei nicht ihm zuzurechnen, der Antrag vom sei sohin bereits nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht worden und habe eine hemmende Wirkung nicht mehr entfalten können. Damit wurde dem Beschwerdeführer bekannt, dass jedenfalls die zuständige Referentin der belangten Behörde eine rechtliche Meinung vertrat, die - abweichend von der rechtlichen Meinung des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers und des Finanzamtes - eine Verspätung der Berufung bedingen würde. Zwar bestritt der Beschwerdeführer diese Rechtsmeinung mit seiner Stellungnahme vom . Im Hinblick auf die Verfügung vom waren aber die Umstände weggefallen, unter denen der Rechtsirrtum nicht in einer der Wiedereinsetzung entgegen stehenden Weise vorwerfbar war.
Die falsche Bezeichnung des Einschreiters stellt kein Formgebrechen dar. Anbringen einer hiezu nicht legitimierten Person sind von der Abgabenbehörde zurückzuweisen. Ein Vertreter kann immer nur als Vertreter jener Person angesehen werden, für die er nach außen hin auftritt. Vertritt er dabei irrtümlich eine Person, der im Abgabenverfahren keine Parteistellung zukommt, so wird dieser Legitimationsmangel nicht dadurch zu einem bloßen - behebbaren - Formgebrechen, dass derselbe Vertreter auch zur Vertretung der Partei selbst befugt gewesen wäre (vgl. die Erkenntnisse vom , 2678/79 (hiezu auch Stoll, BAO I, 853 f); und vom , 2009/17/0110); ein undeutlicher Inhalt der Erklärung (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2008/15/0252) lag insoweit nicht vor. Dass der Beschwerdeführer vor diesem Hintergrund und trotz Vorhalts der belangten Behörde auf seinem Rechtsstandpunkt, der sich in der Folge als irrig erwies, beharrte, überschreitet den minderen Grad des Versehens.
Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass in der Beschwerde zwar behauptet wird, das Finanzamt habe nach Prüfung der Aktenlage "die Entscheidung" getroffen, die Berufung vorzulegen (und nicht als verspätet zurückzuweisen). Damit wird aber nicht behauptet, das Finanzamt habe - wenn auch rechtswidrig, so doch wirksam (vgl. Ritz, BAO3, 245 Tz 23) durch mündliche Verkündung (Ritz, aaO,Tz 19) - den Antrag auf Fristverlängerung bewilligt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am