VwGH vom 10.12.2008, 2005/17/0055

VwGH vom 10.12.2008, 2005/17/0055

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der UB GmbH in O, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Zollsenat 1) vom , Zl. ZRV/173-Z1W/02, betreffend Altlastenbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb das Hauptzollamt Wien der Beschwerdeführerin gemäß § 201 BAO iVm § 7 Abs. 1 Z 3 Altlastensanierungsgesetz (ALSaG) für das erste Quartal 1997 für die "mehr als einjährige Zwischenlagerung von zur thermischen Verwertung bestimmten Kunststoffabfällen" im Bereich der Deponie Nord im Gemeindegebiet von G einen Altlastenbeitrag in Höhe von S 430.950,-- (EUR 31.318,36) vor. Begründend wurde ausgeführt, bei einer Nachschau der Abteilung Außen- und Betriebsprüfung/Zoll des Hauptzollamtes Wien sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin Betreiberin eines Kunststoffballenzwischenlagers auf dem Gelände der Deponie Nord im Gemeindegebiet von G sei.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach der Wiedergabe des Verfahrensganges und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, in den Monaten Oktober 1995 bis Dezember 1995 seien 2.873 t Kunststoffballen eingelagert worden. Auf Grund der unbestritten länger als einjährigen Lagerung der Kunststoffabfälle sei die Beitragsschuld für die Beschwerdeführerin als Betreiberin des Lagers gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 ALSaG mit Ablauf des 1. Kalendervierteljahres entstanden. Es sei davon auszugehen, dass beabsichtigt sei, die verfahrensgegenständlichen Kunststoffabfälle einer thermischen Verwertung zu unterziehen. Die Beschwerdeführerin habe nicht nachgewiesen, dass ein anderer als der für "alle übrigen Abfälle" geltende Beitragssatz zur Anwendung zu kommen habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , B 245/04-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof ab.

In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde machte die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin wendet sich ausschließlich gegen die Höhe des von der belangten Behörde angewandten Beitragssatzes. Sie bringt vor, dass auf Grund der Verwirklichung des Abgabentatbestandes jeweils vor dem (nämlich im vierten Quartal 1996) die belangte Behörde den für diesen Zeitraum geltenden Beitragssatz (90 S pro angefangener Tonne) anzuwenden gehabt hätte. Die belangte Behörde hätte zu Unrecht den ab dem (für Zeiträume ab diesem Zeitpunkt) geltenden Beitragssatz (150 S pro angefangener Tonne) herangezogen.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Altlastensanierungsgesetzes, BGBl. Nr. 299/1989, lauteten in der Fassung vor dem StrukturanpassungsG 1996, BGBl. Nr. 201/1996 (§ 6 idF BGBl. Nr. 760/1992):

"Artikel I

I. ABSCHNITT

Allgemeine Bestimmungen

Ziel des Gesetzes

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) …

(10) Zwischenlager im Sinne dieses Bundesgesetzes ist eine Anlage, in der Abfälle erstmalig, nicht länger als ein Jahr, mit der Absicht gelagert werden, sie einer Abfallbehandlung oder einer Verwertung zuzuführen.

II. ABSCHNITT

Altlastenbeitrag

Gegenstand des Beitrags

§ 3. (1) Dem Altlastenbeitrag unterliegen:


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1.
das Deponieren (§ 2 Abs. 8) von Abfällen;
2.
das Zwischenlagern von Abfällen nach Ablauf eines Jahres;
3. die Ausfuhr (§ 2 Abs. 12) von Abfällen.
...
Höhe des Beitrags

§ 6. Der Beitrag beträgt je angefangene Tonne für


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1.
gefährliche Abfälle (§ 2 Abs. 6) ...
2.
mineralische Baurestmassen ...
3.
alle übrigen Abfälle
ab ...................... 60 S
ab ...................... 90 S
ab ...................... 120 S.

Beitragsschuld

§ 7. (1) Die Beitragsschuld entsteht im Falle

1. des Deponierens nach Ablauf des

Kalendervierteljahres, in dem deponiert (§ 2 Abs. 8) wird,

2. des beitragspflichtigen Zwischenlagerns mit Ablauf


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des Kalendervierteljahres, das auf die einjährige, nicht beitragspflichtige Frist für die Zwischenlagerung folgt,
3. der Ausfuhr …
..."
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des ALSaG idF des StrukturanpassungsG 1996, BGBl. Nr. 201/1996 (§ 9 Abs. 2 idF BGBl. Nr. 118/1993, die übrigen Bestimmungen idF BGBl. Nr. 201/1996), lauteten:
"Artikel I
I. ABSCHNITT
Allgemeine Bestimmungen
Ziel des Gesetzes
Begriffsbestimmungen
...

§ 2. ...

...

(7) Lagern im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das länger als einjährige Lagern von Abfällen, damit diese Abfälle für eine Behandlung - ausgenommen für eine stoffliche oder thermische Verwertung - bereitgehalten oder vorbereitet werden.

...

II. ABSCHNITT

Altlastenbeitrag

Gegenstand des Beitrags

§ 3. (1) Dem Altlastenbeitrag unterliegen:

1. das langfristige Ablagern von Abfällen;

2. das Verfüllen von Geländeunebenheiten …;

3. das Lagern von Abfällen;

4. das Befördern von Abfällen zur langfristigen

Ablagerung außerhalb des Bundesgebietes.

...

Höhe des Beitrags

§ 6. (1) ...

...

(5) Der Altlastenbeitrag beträgt für das Verfüllen oder

Lagern gemäß § 3 je angefangene Tonne für

1. Baurestmassen ...

2. Erdaushub ...

3. Abfälle gemäß Abs. 1 Z 3 ...

4. alle übrigen Abfälle

ab ..................................... 150 S

ab ..................................... 200 S

ab ..................................... 300 S.

...

Beitragsschuld

§ 7. (1) Die Beitragsschuld entsteht im Falle

1. des langfristigen Ablagerns ...

2. des Verfüllens von Geländeunebenheiten ...,

3. des Lagerns mit Ablauf des Kalendervierteljahres,

das auf die einjährige, nicht beitragspflichtige Frist für die

Lagerung folgt,

4. der Beförderung der Abfälle ...

...

Erhebung des Beitrags

§ 9. (1) ...

(2) Der Beitragschuldner hat spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf das Kalendervierteljahr (Anmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Anmeldung bei dem für die Einhebung zuständigen Hauptzollamt einzureichen, in der er den für den Anmeldungszeitraum zu entrichtenden Beitrag selbst zu berechnen hat. Die Anmeldung gilt als Abgabenerklärung. Der Beitragschuldner hat den Beitrag spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

..."

Nach Art. VII Abs. 4 Z 1 leg. cit. traten die Änderungen der genannten Bestimmungen - mit Ausnahme des § 6 - durch die Novelle des StrukturanpassungsG 1996 mit Ablauf des Tages der Kundmachung, also mit Ablauf des , in Kraft. Die Änderung des § 6 trat mit in Kraft (Art. VII Abs. 4 Z 2 leg. cit.).

Nach § 8 ALSaG (in beiden Fassungen) hat der Beitragsschuldner fortlaufend Aufzeichnungen zu führen, aus denen die Bemessungsgrundlage getrennt nach Beitragssätzen sowie Umfang und Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld zu ersehen sind.

§ 20 Abs. 2 ALSaG (in beiden Fassungen) legt dem Betreiber eines beitragspflichtigen Zwischenlagers bzw. Lagers Meldepflichten hinsichtlich des Namens und der Anschrift sowie der Einstellung bzw. des Neubeginns der beitragspflichtigen Tätigkeiten auf.

Durch das StrukturanpassungsG 1996, BGBl. Nr. 201/1996, wurden u. a. die Steuertatbestände des ALSaG geändert und die Beitragssätze erhöht. Der Beitragstatbestand des Zwischenlagerns (iSd § 2 Abs. 10 iVm § 3 Abs. 1 Z 2 ALSaG) wurde durch jenen des Lagerns (§ 2 Abs. 7 iVm § 3 Abs. 1 Z 3 ALSaG) ersetzt. Während das Zwischenlagern nur das erstmalige Lagern mit der Absicht, die Abfälle einer Abfallbehandlung oder einer Verwertung zuzuführen, erfasste, fiel beim Lagern iSd StrukturanpassungsG 1996 die Erstmaligkeit des Lagerns weg und wurde die Verwertung auf eine thermischen Verwertung eingeschränkt. Nach diesem Zeitpunkt bestimmt sich auch die Anmeldefrist und der Fälligkeitstag (§ 9 ALSaG), wobei dies (seit der Novelle BGBl. Nr. 118/1993) der 15. Tag des auf das Kalendervierteljahr zweitfolgenden Kalendermonates ist.

Nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften ist - mangels entgegenstehender Vorschriften - von jener Sach- und Rechtslage auszugehen, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegeben war (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0206, mwN).

Gemäß § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Gemäß § 4 Abs. 3 BAO bleiben jedoch in Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Steuerschuld) unberührt.

Daher ist nach der hg. Rechtsprechung für das Entstehen und die Höhe einer Abgabenschuld im Allgemeinen jene Rechtslage maßgebend, die in jenem Zeitpunkt galt, in dem sich der Abgabentatbestand verwirklicht hat.

Im Beschwerdefall ist jedoch zu beachten, dass nach dem Gesetz zwar die Beitragspflicht für das Zwischenlagern bzw. Lagern von Abfällen jeweils nach Ablauf eines Jahres (§ 2 Abs. 10 iVm § 3 Abs. 1 Z 2 ALSAG idF BGBl. Nr. 760/1992; § 2 Abs. 7 iVm § 3 Abs. 1 Z 3 ALSAG idF BGBl. Nr. 201/1996) entsteht, gleichzeitig jedoch das Gesetz eine Sonderregelung für das Entstehen der Beitragsschuld enthält. Die Beitragsschuld für den Tatbestand des Zwischenlagerns bzw. Lagerns entsteht jeweils mit Ablauf des Kalendervierteljahres, das auf die einjährige nicht beitragspflichtige Frist für das Zwischenlagen bzw. Lagern folgt (§ 7 Abs. 1 Z 2 ALSAG idF BGBl. Nr. 760/1992; § 7 Abs. 1 Z 3 ALSAG idF BGBl. Nr. 201/1996). Es besteht somit eine eigene Bestimmung in der "Abgabenvorschrift" im Sinne des § 4 Abs. 3 BAO über das Entstehen der Steuerschuld. In Anwendung des Grundsatzes der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften ist daher bei der Beurteilung der Steuerpflicht und der Höhe der Abgabe nach dem von der belangten Behörde angewendeten Abgabentatbestand nicht von jener Rechtslage auszugehen, die im Zeitpunkt des Ablagerns bzw. des Ablaufs der Einjahresfrist gegeben war, sondern von jener Rechtslage, die im Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld, also in dem nach § 7 Abs. 1 Z 3 ALSAG zu ermittelnden Zeitpunkt, vorlag.

Maßgebend bei der Ermittlung dieses Zeitpunkts ist der Ablauf des Kalendervierteljahres, das auf die einjährige Frist folgt und nicht etwa der Ablauf jenes Kalendervierteljahres, in welchem diese Frist abläuft. Erst in diesem Zeitpunkt ist nach § 7 Abs. 1 Z 3 ALSAG die Steuerschuld entstanden. Für die Berechnung der Höhe der Steuerschuld ist daher grundsätzlich die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die verfahrensgegenständlichen Kunststoffballen in den Monaten Oktober bis Dezember 1995 in das Gelände der Deponie Nord im Gemeindegebiet von G verbracht und dort belassen wurden, um sie später einer Verwertung zuzuführen. Damit wurde zunächst kein Abgabentatbestand des ALSaG erfüllt. Die einjährige beitragsfreie Zeit ist zu unterschiedlichen Zeitpunkten im vierten Quartal 1996 abgelaufen, weil die Kunststoffballen zu unterschiedlichen Zeiten eingelagert wurden. Das Kalendervierteljahr, das auf die einjährige nicht beitragspflichtige Frist folgte, endete mit dem Ablauf des , sodass damit der Beitragstatbestand verwirklicht wurde und die Beitragsschuld entstand. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits die (durch die Novelle des StrukturanpassungsG 1996) geänderten Tatbestände wie auch die erhöhten Beitragssätze in Kraft. Es waren daher diese Beitragssätze zur Anwendung zu bringen.

Wenn die Beschwerdeführerin nun vermeint, bei einem derartigen Verständnis hätte sich der Gesetzgeber (verfassungswidrig) selbst die Möglichkeit eröffnet, durch die bloße Anhebung der Beitragssätze für von Abgabepflichtigen bereits im Vertrauen auf die geltende Gesetzeslage verwirklichte Beitragstatbestände nachträglich eine höhere Beitragspflicht zu schaffen, als im Zeitpunkt der Verwirklichung des Tatbestandes vorhersehbar war, so ist sie darauf hinzuweisen, dass sogar ein rückwirkendes Inkrafttreten von gesetzlichen Vorschriften grundsätzlich zulässig wäre, weil das B-VG - außer bei Strafgesetzen - kein Verbot rückwirkender Gesetzgebung kennt. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Gesetzgeber damit in eine schutzwürdige Vertrauensposition des Steuerpflichtigen eingreift (vgl. beispielsweise Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10, Rzn 494 und 1366).

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom ausgeführt hat, war für den Beschwerdefall aber die Änderung der Beitragssätze rechtzeitig (nämlich noch während der beitragsfreien Zeit) bekannt gemacht worden. Die Veröffentlichung der Änderungen durch das StrukturanpassungsG 1996 erfolgte nämlich im BGBl. Nr. 201/1996 vom und die damit vorgenommene Erhöhung der Beitragssätze trat mit in Kraft. Im Hinblick darauf, dass die (erhöhte) Beitragsschuld elf Monate bzw. drei Monate nach diesen Zeitpunkten entstand, kann von einer Rückwirkung der Bestimmungen keine Rede sein. Dass sonst in eine schutzwürdige Vertrauensposition des Beschwerdeführers eingegriffen worden wäre, ist im Beschwerdefall nicht ersichtlich.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am