VwGH vom 24.07.2018, Ra 2018/08/0074
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der J GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 83-85/18, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W228 2169323-1/5E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse; weitere Partei:
Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Wiener Gebietskrankenkasse hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei erhob gegen einen Beitragsbescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde wurde von einer Steuerberatungsgesellschaft eingebracht und mit den Worten "wir schreiben Ihnen für: (revisionswerbende Partei)" eingeleitet.
2 Das Bundesverwaltungsgericht erteilte der revisionswerbenden Partei gemäß § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG den Auftrag, die Beschwerde um das Begehren und die Beschwerdegründe zu ergänzen und eine Vollmacht vorzulegen.
3 Mit Schriftsatz vom ergänzte die revisionswerbende Partei die Beschwerde. Ihre Vertreterin berief sich gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG ausdrücklich auf die erteilte Vollmacht.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mangels Erfüllung des Verbesserungsauftrages zurück, weil die Vollmacht nicht vorgelegt worden sei. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Über die gegen diesen Beschluss erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil das Bundesverwaltungsgericht - wie die Revision aufzeigt - von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.
7 § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG eröffnet einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person die Möglichkeit, sich anstelle des urkundlichen Nachweises lediglich auf die erteilte Vollmacht zu berufen. Das bedeutet nicht, dass die Berufung auf die erteilte Vollmacht nach § 10 Abs. 1 AVG das Vorliegen einer - auch im Innenverhältnis wirksam zustande gekommenen - Vollmacht ersetzen kann; es entfällt lediglich die Pflicht des urkundlichen Nachweises eines zustande gekommenen Bevollmächtigungsverhältnisses. Treten Zweifel über den Inhalt und Umfang sowie über den Bestand einer Vertretungsbefugnis auf, so ist die Behörde (bzw das Verwaltungsgericht) nach § 10 Abs. 2 AVG (iVm § 17 VwGVG) befugt, sich Klarheit darüber zu verschaffen und die Vollmacht nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen (vgl. ).
8 Im vorliegenden Fall ist eine Steuerberatungsgesellschaft eingeschritten. Gemäß § 2 Abs. 2 Z 3 iVm §§ 51 ff WTBG war sie zur "Beratung und Vertretung in Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen, einschließlich der Vertretung vor den Verwaltungsgerichten" berechtigt. Sie durfte sich daher auf Grund ihrer Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung im vorliegenden Beitragsverfahren gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG auf die erteilte Vollmacht berufen (vgl. auch § 77 Abs. 11 WTBG).
9 Die Berufung auf die Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG kann etwa durch die Klausel "Vollmacht erteilt" auf einem Schriftsatz oder dadurch erfolgen, dass ein Rechtsmittel "namens und auftrags meiner Mandantschaft" eingebracht wird (vgl. etwa , 0158).
10 In der im vorliegenden Fall gewählten Formulierung "Wir schreiben Ihnen für:" war zwar noch keine Berufung auf die erteilte Vollmacht zu erblicken. Der Verbesserungsauftrag des Bundesverwaltungsgerichts hätte aber auch die Möglichkeit umfassen müssen, ihm durch eine Berufung auf die Vollmacht zu entsprechen, wie sie im Schriftsatz vom erfolgt ist. Nur wenn das Bundesverwaltungsgericht Grund gehabt hätte, die Erteilung der Vollmacht anzuzweifeln, wäre es berechtigt gewesen, auch deren Vorlage zu verlangen. Anhaltspunkte für solche Zweifel sind aber nicht ersichtlich und wurden im angefochtenen Beschluss auch nicht angeführt. Der von vornherein ausdrücklich nur auf die Vorlage der Vollmacht bezogene Verbesserungsauftrag war demnach zu eng gefasst. Dessen Nichterfüllung hätte somit die Sanktion des § 13 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG, also die Zurückweisung der Beschwerde, nicht nach sich ziehen dürfen (vgl. zu einem insofern vergleichbaren Fall ).
11 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
12 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG eine Eingabengebühr nicht zu entrichten war.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080074.L00 |
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