VwGH vom 20.11.2018, Ra 2018/05/0039

VwGH vom 20.11.2018, Ra 2018/05/0039

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Mag. W L in W, vertreten durch Mag. Gabriel Wutti, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 15, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW-211/060/3060/2017, betreffend einen Bauauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Miteigentümer der näher bezeichneten Liegenschaft mit der Adresse R. 39 in Wien.

2 Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) den Eigentümern dieser Liegenschaft gemäß § 129 Abs. 2, 4, 10 und 11 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) den Auftrag, binnen einer Frist von neun Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die im Gutachten des Dipl.-Ing. E vom festgestellten Mängel hinsichtlich der Stahlkonstruktion, des Daches samt Dacheindeckung und Dachflächenfenster, des Rauchfangkehrersteges, des Lichtbandes sowie des Brandschutzes zu beseitigen und die Baulichkeit gemäß dem Konsens mit Baubewilligung vom , vom (1. Planwechsel) sowie vom (2. Planwechsel) wiederherzustellen.

3 Die vom Gutachter festgestellten Mängel wurden im Bescheid

wie folgt wiedergegeben:

"Zur Stahlkonstruktion ... :

Die Stahlkonstruktion weist mangelhafte und in Teilbereichen sogar überhaupt keine Schweißnähte auf. Bereichsweise wurden Anhäufungen von Schlackeeinschlüssen festgestellt, die dann überstrichen wurden. Bereichsweise (über weite Bereiche!) wurde kein bzw. mangelhafter Korrosionsschutz festgestellt.

Die Dachkonstruktion hat insgesamt in ihrer Längsrichtung keine Aussteifung (die Rahmen übernehmen nur Lasten in Querrichtung).

Zum Dach samt Dacheindeckung, Dachflächenfenster und

Rauchfangkehrersteg ... :

Die Ziegel der Dacheindeckung sind weitgehend beschädigt. Nur jeder 10. Ziegel ist (über weite Bereiche) genagelt.

Die Ziegel rutschen teilweise ab, das Unterdach übernimmt teilweise die Funktion der Ableitung von Niederschlagswässern (in weit höherem Ausmaß als vorgesehen)

Die Dachflächenfenster sind nicht in der ordnungsgemäßen Höhe (in Relation zur Dachfläche) versetzt.

Der Rauchfangkehrersteg weist eine Vielzahl an substantiellen Mängel auf. So sind die Schweißnähte mangelhaft, die Ausführung des Seitenschutzes entspricht nicht der ÖNORM B 8207- Rauchfangkehrerstege.

Die Fenster des Lichtbandes sind verzogen, sie schließen nicht mehr dicht im Falz.

Die Einbindung der Fenster jeweils oberhalb des Eindeck- /Fensterrahmens ist offensichtlich nicht entsprechend niederschlagsdicht, es kommt immer wieder zu Wassereintritten.

Die Fenster sind bereichsweise allenfalls zu tief in Bezug auf die Dachfläche versetzt (keine Stockverlängerung).

Zur Innenauskleidung-Dachausbau:

Feuerschutz infolge einfacher Beplankung mit Bauplatten (statt Feuerschutzplatten) unzureichend. Das betrifft nicht die Dachschrägen, jedoch die horizontalen Bekleidung der Zwischendecken bzw. der Laibungen des Lichtbandes. Auch die Bekleidung des Drempels unterhalb der Dachflächenfenster des Lichtbandes ist ebenfalls nur einlagig beplankt.

Es gibt nur im Bereich des Schrägdaches eine Dampfbremse. Tatsächlich ist bei allen Bauteilen, bei denen Kondensat auftreten kann, eine solche Maßnahme erforderlich."

4 Begründend wurde weiters im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schäden eine Verschlechterung des ursprünglichen, konsens- und bauordnungsgemäßen Zustandes des Hauses darstellten und ihrer Natur nach geeignet seien, das öffentliche Interesse zu beeinträchtigen, sodass sie als Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 und 4 BO angesehen werden müssten. Gemäß § 129 Abs. 10 BO sei der vorschriftswidrige Zustand zu beseitigen. Die Maßnahmen seien auf Grund ihres Umfanges wirtschaftlich zumutbar.

5 Dagegen erhob unter anderem der nunmehrige Revisionswerber Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht).

6 Mit Beschluss des Landesrechtspflegers vom wurde der Beschwerde stattgegeben und die Rechtssache zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens und allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

7 Gegen diesen Beschluss erhob der Magistrat Vorstellung. 8 Unter Spruchpunkt I. des nunmehr angefochtenen

Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes wurde daraufhin der Bescheid des Magistrates vom hinsichtlich jener Wortfolge, die auf die Baubewilligungsbescheide vom , und rekurriert, aufgehoben; unter Spruchpunkt II. wurde die Beschwerde im Übrigen als unbegründet abgewiesen und der Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch wie folgt zu lauten habe:

"Der Magistrat erteilt gemäß § 129 Abs. 2, 4 und 11 der Bauordnung für Wien (BO) den Eigentümern auf der ... Liegenschaft nachstehenden Auftrag: Binnen einer Frist von 9 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides sind die im Gutachten des Dipl.- Ing. E ... vom ... festgestellten Mängel hinsichtlich der Stahlkonstruktion, des Daches samt Dacheindeckung und Dachflächenfenster, des Rauchfangkehrersteges, des Lichtbandes sowie des Brandschutzes zu beseitigen."

Ferner wurde unter Spruchpunkt III. die ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

9 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass es nicht Zweck eines Auftrages nach § 129 Abs. 4 BO sei, den konsensgemäßen Zustand des Bauwerkes wiederherstellen zu lassen, sondern die Beseitigung von Baugebrechen. Voraussetzung für einen Auftrag nach § 129 Abs. 4 BO sei allein das Vorliegen eines Baugebrechens. Dies zeige sich etwa darin, dass die Instandhaltungsverpflichtung auch bei bewilligungsfreien Baulichkeiten bestehe.

10 Hinsichtlich des Auftrages nach § 129 Abs. 4 BO könne daher "die Frage nach dem konsensgemäßen Zustand dahingestellt bleiben". Dem Vorbringen, es werde unzulässiger Weise ein Auftrag erteilt, einen vom Konsens abweichenden Zustand herzustellen, könne in Bezug auf den Auftrag nach § 129 Abs. 4 BO nicht gefolgt werden.

11 Zum Auftrag nach § 129 Abs. 10 BO führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass dieser dazu diene, den konsensmäßigen Zustand wiederherzustellen. Konsenslos oder konsenswidrig (bauordnungswidrig) sei ein Zustand, zu dessen Herstellung eine Baubewilligung erforderlich, aber nicht erwirkt worden sei. Grundlage eines solchen Auftrages sei somit die rechtskräftige Baubewilligung des betreffenden Bauwerkes.

12 Das Verwaltungsgericht kam - nach ausführlicher Erörterung der im baubehördlichen Bewilligungsverfahren zum 2. Planwechsel erteilten Vertretungsvollmachten sowie der Zustellvorgänge des betreffenden Bescheides an die (damaligen) Miteigentümer der Liegenschaft - zum Ergebnis, dass der Baubewilligungsbescheid vom nicht sämtlichen Parteien des Verfahrens zugestellt worden sei. Daher sei dieser Bescheid nicht in "allseitige Rechtskraft" erwachsen. Ein Bauauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO, welcher diesen Bescheid fälschlich als konsensgemäßen Zustand heranziehe, sei rechtswidrig. Weil schon deshalb die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides (Anmerkung: soweit er sich auf § 129 Abs. 10 BO stützte) festgestanden sei, sei auf die Rechtskraft der beiden anderen Baubewilligungsbescheide nicht mehr näher einzugehen gewesen.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

14 Der Magistrat erstattete eine "Revisionsbeantwortung" und beantragte, der Revision stattzugeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist in Anbetracht der Frage, ob ein Bauauftrag nach § 129 Abs. 4 BO auch die Beseitigung von Konsenswidrigkeiten umfassen kann, zulässig.

16 In der Revision wird - nach Darlegung der erwarteten Kosten der Umsetzung des vorliegenden Bauauftrages - im Wesentlichen ausgeführt, dass die wirtschaftliche Zumutbarkeit zwar nur unter besonderen Umständen (insbesondere in Schutzzonen) zu prüfen sei; jedoch ergebe sich hier eine Unzumutbarkeit aus dem Umstand, dass die zu tätigenden Aufwendungen "gänzlich frustriert" seien, wenn dem Bauauftrag ein Auftrag zur Beseitigung des Schwarzbaues gemäß § 129 Abs. 10 BO folgte. Ein solcher werde nach der gegenständlichen Sachlage aber zwingend zu erlassen sein, zumal der Behörde hier kein Ermessensspielraum zukomme.

17 Die Behörde habe maßgebliche Konsensabweichungen schon gegenüber dem "scheinrechtskräftigen Bewilligungsbescheid" laut

2. Planwechsel festgestellt; auch sei fraglich, ob ein Konsens auf Basis des 1. Planwechsels oder zumindest der "Ursprungsbewilligung" zustande gekommen sei. Es müsse Klarheit hinsichtlich des Konsenses geschaffen werden, und es müssten erforderlichenfalls auf dieser Grundlage die entsprechenden Bauaufträge erteilt werden. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes könne aus dem Gesetzeswortlaut des § 129 Abs. 4 BO die Unmaßgeblichkeit des Konsenses nicht abgeleitet werden.

18 Darüber hinaus genüge der Auftrag des Verwaltungsgerichtes den Bestimmtheitserfordernissen nicht, weil nicht klar sei, auf welchen Konsens (und damit auf welche Art der Ausführung bzw. welchen Stand der Technik) abzustellen sei. Der baubehördliche Auftrag nach § 129 Abs. 4 BO sei nicht trennbar von jenem nach § 129 Abs. 10 BO; das Bestehenbleiben allein des auf § 129 Abs. 4 BO gestützten Auftrages komme daher nicht in Betracht.

19 Ferner lägen Verfahrensfehler vor (wurde näher ausgeführt). 20 § 62a Bauordnung für Wien (BO), LGBl. Nr. 11/1930, in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014 lautet auszugsweise:

"Bewilligungsfreie Bauvorhaben

§ 62a (1) Bei folgenden Bauführungen ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

...

3. Baumaßnahmen, die auf Grund eines nach diesem Gesetz

erlassenen behördlichen Auftrages ausgeführt werden;

..."

21 § 129 BO in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014 lautet auszugsweise:

"Benützung und Erhaltung der Gebäude; vorschriftswidrige Bauwerke

§ 129. (1) ...

(2) Der Eigentümer (jeder Miteigentümer) hat dafür zu sorgen,

dass die Bauwerke ... in gutem, der Baubewilligung und den

Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. ...

...

(4) Die Behörde hat nötigenfalls die Behebung von Baugebrechen unter Gewährung einer angemessenen Frist anzuordnen. Sie ordnet die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen an und verfügt die aus öffentlichen Rücksichten notwendige Beseitigung von Baugebrechen entsprechend dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Erteilung des Bauauftrages. Ist das Bauwerk aus öffentlichen Interessen, wie etwa solchen des Denkmalschutzes, entsprechend dem Stand der Technik im Zeitpunkt seiner Errichtung zu erhalten, ist es in den der Baubewilligung entsprechenden Zustand zu versetzen, sofern keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. Die Räumung oder der Abbruch von Bauwerken oder Bauwerksteilen ist anzuordnen, wenn die technische Unmöglichkeit der Behebung der Baugebrechen erwiesen ist. Die Räumung oder der Abbruch von Bauwerken oder Bauwerksteilen ist weiters auch dann anzuordnen, wenn durch die Art, die Vielfalt und das Ausmaß der bestehenden Baugebrechen sich die Bauwerke oder Bauwerksteile in einem solchen gefährlichen Bauzustand befinden, dass die Sicherheit der Bewohner und Benützer des Gebäudes bedroht ist und auch durch einfache Sicherungsmaßnahmen auf längere Zeit nicht hergestellt und gewährleistet werden kann. In allen Fällen steht dem Eigentümer (Miteigentümer) des Bauwerkes oder der Bauwerksteile die Möglichkeit offen, innerhalb der Erfüllungsfrist den der Baubewilligung und den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Zustand wiederherzustellen. Für Bauwerke oder Bauwerksteile in Schutzzonen hat die Behörde darüber hinaus die Behebung von Schäden aufzutragen, die das äußere Erscheinungsbild beeinträchtigen; im Zuge der Instandsetzung des Baukörpers eines Bauwerks oder Bauwerksteiles kann die Behörde dessen Ausgestaltung nach den Bebauungsbestimmungen gemäß § 5 Abs. 4 und § 7 Abs. 3 oder entsprechend dem § 85 Abs. 5 verfügen.

...

(10) Jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriges Bauwerk, für das eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Bauwerkes zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten. Im Falle der Verwendung von Flächen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen ohne baubehördliche Bewilligung (§ 3 Abs. 1 Z 2 WGarG 2008) durch einen vom Eigentümer (den Miteigentümern) verschiedenen Nutzungsberechtigten sind Aufträge gegebenenfalls an diesen zu richten. In Schutzzonen sind überdies Abweichungen von den Bebauungsbestimmungen im Bebauungsplan, für die eine Baubewilligung weder nachgewiesen noch infolge des erinnerlichen Bestandes des Gebäudes vermutet werden kann, zu beheben und die Bauwerke und Bauwerksteile in stilgerechten und den Bebauungsbestimmungen entsprechenden Zustand zu versetzen. Lassen sich Art und Umfang von vermuteten Abweichungen von den Bauvorschriften nicht durch bloßen Augenschein feststellen, ist der Eigentümer (jeder Miteigentümer) eines Bauwerkes verpflichtet, über das Vorliegen der vermuteten Abweichungen und gegebenenfalls über deren Art und Umfang den Befund eines Sachverständigen vorzulegen. Der dem Befund zugrunde gelegte Sachverhalt muß durch die Behörde überprüfbar sein.

..."

22 Ein Baugebrechen (§ 129 Abs. 2 und 4 BO), das beseitigt werden muss, liegt immer dann vor, wenn der Zustand einer Baulichkeit so mangelhaft geworden ist, dass dadurch öffentliche Interessen berührt werden. Dies kann durch eine gröbliche Störung des Stadtbildes oder durch die Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit gegeben sein, wobei es genügt, wenn eine Gefahr für Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit auch nur einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann. Auf die Ursache des Baugebrechens kommt es dabei nicht an (vgl. , mwN).

23 Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den jedoch ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von den Bauvorschriften können gemäß § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden, wobei der Grund für die Abweichung von den Bauvorschriften unerheblich ist. Bei Abweichungen oder vorschriftswidrigen Bauten ist ein Auftrag stets ohne weitere Voraussetzungen (z.B. Verletzung öffentlicher Interessen) möglich (vgl. , mwN). Die Veranlassung der Behebung von Abweichungen von den Bauvorschriften kann auch zu einem Auftrag zur Herstellung führen (vgl. , mwN).

24 Für die Abgrenzung der beiden Regelungen ist entscheidend, ob sich der ursprüngliche Zustand der Baulichkeit verschlechtert hat (dann ist ein Anwendungsfall des § 129 Abs. 4 BO gegeben) oder ob schon der durch die Bauführung von vornherein bewirkte, nicht verschlechterte Zustand nicht rechtskonform war (dann ist ein Anwendungsfall des § 129 Abs. 10 BO gegeben). In den Fällen schließlich, in denen eine Verschlechterung des Bauzustandes eingetreten ist, kommt ein Auftrag nach § 129 Abs. 4 BO auch dann in Betracht, wenn diese Verschlechterung ihre Wurzel in einer schon ursprünglich nicht normgerechten Bauführung hat (vgl. 2259-2260/56, VwSlg 4644 A, mwN).

25 Bei Aufträgen nach § 129 Abs. 4 BO kommt es zwar grundsätzlich nicht auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit an (vgl. zuletzt ); anderes gilt aber dann, wenn das Gebäude in einer Schutzzone situiert ist. In diesem Fall dürfen nur wirtschaftlich zumutbare Instandsetzungen aufgetragen werden (vgl. , VwSlg 9063 A). Bei Aufträgen zur Beseitigung von Abweichungen beziehungsweise Vorschriftswidrigkeiten nach § 129 Abs. 10 BO ist die wirtschaftliche Zumutbarkeit hingegen nicht zu prüfen (vgl. , mwN; siehe auch die soeben genannte Entscheidung vom ).

26 In dem Fall, dass der Eigentümer zur Beseitigung einer bewilligungspflichtigen, jedoch ohne Bewilligung errichteten Anlage verpflichtet ist, die Behörde daher (ungeachtet einer vorhergehenden Instandsetzung durch den Eigentümer) mit einem Beseitigungsauftrag vorgehen müsste, kann ein Instandsetzungsauftrag nicht ergehen (vgl. ). Der Eigentümer darf somit nicht zu Instandhaltungsmaßnahmen an Anlagen verpflichtet werden, die wegen Konsenswidrigkeiten zu beseitigen sind.

27 Das Verwaltungsgericht hat den Auftrag ausschließlich auf § 129 Abs. 4 BO gestützt, aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob die einzelnen Mängel Baugebrechen oder Konsenswidrigkeiten darstellen. Eine diesbezügliche Unterscheidung ist aber - abgesehen von der hier nicht gegenständlichen, allenfalls unterschiedlichen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Verwalters bzw. Eigentümers der Baulichkeit (siehe dazu Moritz, BauO für Wien5, 432) - schon aus folgendem Grund relevant:

28 Bei Aufträgen nach § 129 Abs. 4 BO ist - wie sich seit der Novelle LGBl. Nr. 25/2009 aus dem zweiten Satz dieser Bestimmung ergibt - grundsätzlich der Stand der Technik im Zeitpunkt der Erteilung des Bauauftrages maßgeblich. § 129 Abs. 10 BO stellt hingegen auf den konsensgemäßen Zustand ab, somit auch auf den dem Konsens zugrundeliegenden Stand der Technik.

29 Es kann mangels entsprechender Begründung nicht nachvollzogen werden, ob der gegenständliche Auftrag zu Recht ausschließlich auf der Grundlage von § 129 Abs. 4 BO ergehen durfte. Zumindest ein Teil der festgestellten Mängel dürfte Konsenswidrigkeiten betreffen, etwa insoweit, als die Versetzung der Fenster in falscher Höhe beanstandet oder im Gutachten zum Ausdruck gebracht wird, dass die technische Ausführung mangelhaft sei (wobei nicht auf Folgeschäden hingewiesen wird). An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass der Bauauftrag auch insoweit nicht ausreichend konkret formuliert erscheint, als das Gutachten, auf das er spruchgemäß verweist, die Mangelhaftigkeiten nicht bestimmt anführt (beispielsweise wenn von einer "Vielzahl" an substantiellen Mängeln des Rauchfangkehrersteges die Rede ist, dann aber nur die Schweißnähte und der Seitenschutz erwähnt werden).

30 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei auf das weitere Revisionsvorbringen nicht mehr einzugehen war.

31 Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050039.L00
Schlagworte:
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

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