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VwGH vom 23.02.2011, 2010/11/0142

VwGH vom 23.02.2011, 2010/11/0142

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der C K in W, vertreten durch Dr. Charlotte Nusko, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Salesianergasse 1b/2/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom , Zl. UVS-FSG/48/10764/2009-2, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Lenkverbot (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid entzog die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Zeit von vier Jahren, gerechnet ab Zustellung des erstbehördlichen Mandatsbescheides vom , somit ab . Unter einem wurde der Beschwerdeführerin für den angeführten Zeitraum das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen verboten.

Begründend führte die belangte Behörde - nach einer Wiedergabe des Verfahrensgangs und der maßgebenden Vorschriften - im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wegen des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligte nach § 12 zweite Alternative, §§ 142 Abs. 1 und 143 zweiter Fall StGB, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Auf Grund der Bindungswirkung sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die Tat, deretwegen sie rechtskräftig schuldig erkannt wurde, begangen habe. Die geschilderte Straftat bilde nach § 7 Abs. 3 Z 10 FSG eine bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, weshalb sie von der Erstbehörde zu Recht als Grundlage für die Entziehung der Lenkberechtigung herangezogen worden sei.

Hinsichtlich der gemäß Abs. 4 vorzunehmenden Wertung der vorliegenden strafbaren Handlung gehe die belangte Behörde davon aus, dass die zu beurteilenden Verbrechen schon für sich genommen erhebliche Verletzungen der Eigentums- und Persönlichkeitsrechte Dritter darstellten und von einer Einstellung der Täterin zeugten, "die sich um eigener materieller Vorteile willen nicht von schweren Eingriffen in rechtlich geschützte Interessen anderer Personen abhalten" lasse und auch bereit sei, Gewalt einzusetzen. Die Beschwerdeführerin weise somit eine Sinnesart auf, die der von einem Teilnehmer am Verkehr vorauszusetzenden diametral entgegenstehe. Angesichts der Schwere der strafrechtlich relevanten Fakten unter jedenfalls drohender Zuhilfenahme einer (Gas )Pistole, bei der es sich für einen Dritten bei Durchschnittsbetrachtung um eine Feuerwaffe handelte, sowie des Fehlens jeglicher reumütiger Einsicht, habe dies auch unter Beachtung eines bisher ordentlichen Lebenswandels und des gerade erwachsenen Alters zu einer "spruchgemäßen Wertung der Verkehrszuverlässigkeit" führen müssen. Auch wenn daher die von der Erstbehörde ausgesprochene Dauer der Entziehung und des Lenkverbots (sechs Jahre) auf vier Jahre zu reduzieren gewesen sei, könne eine "Überwindung der durch das strafbare Verhalten gezeigten Sinnesart" erst nach der nunmehr festgesetzten Zeit angenommen werden, zumal der Beschwerdeführerin in der Mittätergemeinschaft eine führende Rolle zugekommen sei, noch dazu, wo die Nichteinrechnung der in Haft verbrachten Zeit nicht angeordnet worden sei. Der Umstand, dass durch das Gericht bloß die Mindeststrafe verhängt worden sei, könne an der Wertung ebensowenig eine Änderung herbeiführen, zumal die Strafbemessung mit "gerade noch" begründet worden sei. Das Verhalten während der Strafhaft sei durch die Justizanstalt Schwarzau mit "der Hausordnung entsprechend" mitgeteilt worden und habe zu der "spruchgemäßen Verminderung der Anordnungszeiten" beigetragen. Die Nichtverwendung eines Kraftfahrzeuges bei den Straftaten könne im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, vielmehr sei wesentlich, ob die Begehung derartiger Delikte durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen typischerweise erleichtert werde, was bei einem Raubüberfall der im Strafurteil wiedergegebenen Art der Fall sei.

2. Die Beschwerdeführerin richtete gegen diesen Bescheid zunächst eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 349/10-3, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens - die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand - erwogen:

3.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 93/2009 (FSG) lauten - auszugsweise - wie folgt:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

10. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat;

...

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. …

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. …

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern,

vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 26 und 29 Abs. 1 bis 3 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

…"

3.2. Basis für die Entziehung der Lenkberechtigung und die weiteren Maßnahmen nach dem FSG war - wie erwähnt - das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , mit dem die Beschwerdeführerin des Verbrechens des schweren Raubes als Beteiligte nach §§ 12 zweite Alternative, 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt wurde.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass im Hinblick auf diese rechtskräftige Verurteilung die belangte Behörde von der Verwirklichung einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 10 FSG auszugehen hatte.

Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, dass die von der Erstbehörde mit sechs Jahren festgesetzte Entziehungszeit zwar zu reduzieren gewesen sei, dass es der von ihr festgesetzten Entziehungszeit von vier Jahren aber bedürfe, um eine Überwindung der durch das strafbare Verhalten gezeigten Sinnesart annehmen zu können.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Entziehung der Lenkberechtigung keine Vergeltung für strafbares Verhalten und die Dauer der Entziehung keine Probezeit darstellt, vielmehr - weil die Entziehung der Lenkberechtigung nur für einen Zeitraum zulässig und geboten ist, für den schlüssig begründet werden kann, dass auf Grund bestimmter Tatsachen im Sinne des § 7 FSG der Betreffende nicht verkehrszuverlässig ist - nach dem Gesetz eine begründete Prognose über die Dauer des Mangels der Verkehrsunzuverlässigkeit des Betroffenen widerzuspiegeln hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/11/0153). Dies erfordert - unter anderem - die Feststellung des dem genannten Strafurteil zu Grunde liegenden Verhaltens der Beschwerdeführerin.

Ungeachtet dessen sind dem angefochtenen Bescheid keine Feststellungen dahin zu entnehmen, wann und unter welchen näheren Umständen die Beschwerdeführerin die strafbare Handlung, deretwegen sie vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt wurde, begangen hat.

In den Verwaltungsakten erliegt aber eine Ausfertigung des erwähnten Urteils. Danach wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, am als Mittäterin in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem anderen Täter drei weitere Beteiligte zu näher genannten strafbaren Handlungen bestimmt zu haben, indem sie diese aufforderten, das spätere Opfer (C H) in seiner Wohnung aufzusuchen und folgende Tathandlungen zu setzen:

"... den C H mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung

mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Raub unter Verwendung einer Waffe verübten, indem sie ihn in seiner Wohnung aufsuchten, D M auf ihn mit der Faust einschlug, wodurch dieser einen Nasenbeinbruch sowie eine Rissquetschwunde oberhalb des rechten Auges erlitt, ihn mit einer Gaspistole bedrohten, von ihm die Herausgabe von Bargeld forderten und Gegenstände im Gesamtwert von ca. EUR 6,500,-- nämlich einen Fernseher, drei Monitore, einen Verstärker, einen DVD-Player, einen Filmprojektor, einen Computerscanner, ein Handy, einen USB-Stick, ein Laptop, einen Computer, Spielzeugwaffen und einen Computerdrucker aus seiner Wohnung an sich nahmen."

Der Urteilsausfertigung ist weiters zu entnehmen, dass bei der Strafbemessung hinsichtlich der Beschwerdeführerin Folgendes ausgeführt wurde:

"Hinsichtlich (der Beschwerdeführerin) vermisste der Senat die reumütige Einsicht der begangenen Straftat, vielmehr änderte sie mehrfach ihre Verantwortung, weshalb auch der Milderungsgrund eines Geständnisses fehlte, um so eventuell zu einer Rechtswohltat der außerordentlichen Strafnachsicht zu gelangen. Auf Grund des Umstandes, dass es sich bei (der Beschwerdeführerin) gerade um eine Erwachsene handelte und somit der Strafrahmen von 5 bis 15 Jahren vorgegeben ist, erschien dem Senat jedoch auf Grund ihres tatsächlichen Tatbeitrages die Mindeststrafe im Ausmaß von 5 Jahren gerade noch schuld- und tatangemessen, zumal man (der Beschwerdeführerin) zu Gute halten muss, dass sie zwar Anstifterin des Vorfalles ist, jedoch nicht unmittelbar selbst Gewalt ausgeübt hat."

Die belangte Behörde hat eine Entziehungsdauer von vier Jahren, beginnend mit , festgesetzt; dies entspricht einer angenommenen Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von etwas mehr als fünf Jahren (Anlasstat: ). Dem angefochtenen Bescheid ist allerdings in keiner Weise zu entnehmen, aus welchen Gründen die belangte Behörde angenommen hat, dass die Beschwerdeführerin erst nach dem und damit mehr als fünf Jahre nach der Anlasstat die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen wird.

Auf dem Boden der aktenkundigen Feststellungen des Strafgerichts ist zwar begründet, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde und darüber hinaus noch für mindestens drei weitere Monate (§ 25 Abs. 3 FSG) verkehrsunzuverlässig war, weshalb eine Entziehung der Lenkberechtigung geboten war; es fehlt jedoch an einer Basis für die von der belangten Behörde vorgenommene Festsetzung einer deutlich darüber hinausgehenden Entziehungsdauer. Auf Grundlage des Akteninhalts - insbesondere unter Berücksichtigung des bisher ordentlichen Lebenswandels - kann im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/11/0048, vom , Zl. 2007/11/0153, vom , Zl. 2005/11/0061, vom , Zl. 2003/11/0266, vom , Zl. 2002/11/0130, vom , Zl. 2002/11/0155, und vom , Zl. 2001/11/0119) nicht angenommen werden, die Beschwerdeführerin werde ihre Verkehrszuverlässigkeit erst später als 30 Monate nach Begehung der strafbaren Handlung wieder erlangen. Dies bedeutet, da die Entziehung der Lenkberechtigung erst etwa ein Jahr nach der Anlasstat einsetzte, dass mit einer Entziehung für einen wesentlich kürzeren Zeitraum von nicht mehr als 18 Monaten das Auslangen zu finden gewesen wäre.

Die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin werde ihre Verkehrszuverlässigkeit erst im Mai 2013 wieder erlangen, ist daher verfehlt. Aus den gleichen Erwägungen erweist sich auch das Lenkverbot als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am