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VwGH vom 25.10.2006, 2005/15/0012

VwGH vom 25.10.2006, 2005/15/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde der G GmbH in M, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , GZ RV/0152-G/03, betreffend Körperschaftsteuer 1999 und 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In den Körperschaftsteuerbescheiden 1999 und 2000 mit Ausfertigungsdatum behandelte das Finanzamt die von der beschwerdeführenden GmbH als steuerfrei erklärten "Sanierungsgewinne" als steuerpflichtig.

Die gegen diese Bescheide erhobene Berufung, in welcher sich die Beschwerdeführerin auf einen Erlass des Bundesministers für Finanzen vom stützte, wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin stellte in der Folge den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führt sie im angefochtenen Bescheid aus, durch das StruktAnpG 1996, BGBl. Nr. 201, sei ab dem Jahr 1998 die bisherige in § 36 EStG 1988 vorgesehene Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne entfallen. Mit Erlass vom , GZ 14 0206/1-IV/99, habe der Bundesminister für Finanzen unter Berufung auf § 206 lit. b BAO angeordnet, dass von der Festsetzung von aus Sanierungsgewinnen entstehender Steuer insoweit Abstand zu nehmen sei, als die Abgabenansprüche durch Erfüllung der Ausgleichsquote nach Abschluss eines Zwangsausgleiches entstanden seien und den der Ausgleichsquote entsprechenden Betrag übersteigen. Voraussetzung dafür sei das Vorliegen jener Merkmale, die § 36 EStG 1988 idF vor BGBl. Nr. 201/1996 für die Steuerfreiheit der Sanierungsgewinne verlangt habe (u.a. Sanierungseignung). Der Verwaltungsgerichtshof habe allerdings im Erkenntnis vom , 2002/14/0139, zu Recht erkannt, dass Erlässe der Finanzverwaltung keine Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen begründen könnten. Bei dem genannten Erlass handle es sich - ebenso wie bei den Einkommensteuerrichtlinien 2000, in welche dieser Erlass eingearbeitet worden sei - um keine für die belangte Behörde beachtliche Rechtsquelle. Die Berufung sei daher abzuweisen gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 481/04, ab. Zur Begründung führte er aus, die belangte Behörde habe keine Veranlassung gehabt, die Anwendbarkeit der materiellrechtlichen Regelung des § 23a KStG idF Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71, für welche der Gesetzgeber unbedenklich keine Rückwirkung vorgesehen habe und die daher mit in Kraft getreten sei, für die Jahre 1999 und 2000 zu untersuchen. Zudem sei zu beachten, dass ein in die Verfassungssphäre reichender Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nicht vorliege, wenn die zuständige Behörde von einer in einem als unverbindlich bezeichneten Erlass generell vertretenen Rechtsansicht abweiche, und zwar selbst dann, wenn diese Rechtsansicht auch ihren Niederschlag in amtlichen Formularen gefunden habe.

Mit Beschluss vom , B 481/04, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Steuerfreiheit des Sanierungsgewinnes für die Jahre 1999 und 2000 verletzt.

Gemäß § 23 Z 1 KStG 1988 waren bei der Ermittlung des Einkommens oder des Gesamtbetrages der Einkünfte jene Einkommensteile auszuscheiden, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind. Mit dem StruktAnpG 1996, BGBl. Nr. 201, ist diese Regelung mit Wirkung ab der Veranlagung für das Jahr 1998 aufgehoben worden. Ab 1998 sind Sanierungsgewinne daher wie laufende Gewinne zu behandeln und dem Tarif zu unterwerfen.

Mit Erlass vom , GZ. 14 0206/1-IV/14/99 (dieser hat in der Folge in die Einkommensteuerrichtlinien 2000 Eingang gefunden), hat der Bundesminister für Finanzen unter Berufung auf § 206 lit. b BAO idF vor der mit BGBl. I Nr. 124/2003 erfolgten Änderung angeordnet, dass von der Festsetzung von aus Sanierungsgewinnen entstehender Einkommensteuer insoweit Abstand zu nehmen sei, als die Abgabenansprüche durch die (sukzessive) Erfüllung der Ausgleichsquote nach Abschluss eines Zwangsausgleichs entstanden seien und den der Ausgleichsquote entsprechenden Betrag überstiegen. Voraussetzung für eine derartige Maßnahme sei, dass "abstrakt" die Voraussetzungen für einen Sanierungsgewinn im Sinne des § 36 EStG 1988 (bzw § 23 Z 1 KStG 1988) idF vor BGBl. Nr. 201/1996 vorlägen.

Mit "Änderungserlass 2001" vom , GZ. 06 0104/11-IV/6/01, wurden Fälle eines gerichtlichen Ausgleichs in die an die Finanzämter gemäß § 206 lit. b BAO ergangene Weisung des BM für Finanzen auf Nichtfestsetzung der Einkommensteuer in Sanierungsfällen einbezogen.

§ 206 lit. b BAO lautete:

"Die Oberbehörden sind ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Festsetzung bestimmter Abgaben ganz oder teilweise Abstand

zu nehmen, ... wenn im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde

zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird;"

Mit Erkenntnis vom , 2002/14/0139, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, der Steuerpflichtige werde nicht dadurch in subjektiven Rechten verletzt, dass die Abgabenbehörden nicht den genannten Erlässen entsprechend vorgegangen seien. Erlässe der Finanzverwaltung begründeten nämlich keine subjektiven Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen. Auch im Beschwerdefall kann aus dem Unterbleiben der Anwendung der in Rede stehenden Erlässe keine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin abgeleitet werden.

Mit ist die durch BGBl. I Nr. 124/2003 geschaffene Neufassung des § 206 BAO in Kraft getreten (vgl Ritz, BAO3, § 206 Tz 2). Die Neufassung war somit bei Ergehen des angefochtenen Bescheides bereits in Kraft.

§ 206 lautet nunmehr:

"Die Abgabenbehörde kann von der Festsetzung von Abgaben ganz oder teilweise Abstand nehmen,

a) soweit Abgabepflichtige von den Folgen eines durch höhere Gewalt ausgelösten Notstandes betroffen werden, vor allem soweit abgabepflichtige Vorgänge durch Katastrophenschäden (insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden) veranlasst worden sind;

b) soweit im Einzelfall auf Grund der der Abgabenbehörde zur Verfügung stehenden Unterlagen und der durchgeführten Erhebungen mit Bestimmtheit anzunehmen ist, dass der Abgabenanspruch nicht durchsetzbar sein wird;

c) wenn in einer Mehrheit von gleichgelagerten Fällen der behördliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zur Höhe der festzusetzenden Abgabe steht."

Maßnahmen nach § 206 BAO liegen im Ermessen der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Abgabenbehörde erster und zweiter Instanz (vgl nochmals Ritz, aaO, Tz 1).

In der Beschwerde wird vorgebracht, entscheidend für die Kalkulation betreffend Mittelaufbringung für den Zwangsausgleich sei der erwähnte Erlass des Bundesministers für Finanzen vom gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die Beschwerdeführerin durch den Grundsatz von Treu und Glauben geschützt.

Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass Erlässen oder Richtlinien unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht eine vergleichbare Wirkung beizumessen ist wie einer verbindlichen Zusage oder Auskunft für den Einzelfall, weil der Grundsatz von Treu und Glauben ein konkretes Verhältnis zwischen dem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde voraussetzt, bei dem allein sich eine Vertrauenssituation bilden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/15/0005, und Zorn, Schutz des Abgabepflichtigen durch den Grundsatz von Treu und Glauben, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Soft Law in der Praxis, Wien 2005, 91). Das Beschwerdevorbringen zeigt sohin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Wenn in der Beschwerde weiters vorgebracht wird, die Beschwerdeführerin habe bei einer Vorsprache im Bundesministerium für Finanzen "entsprechende Zusagen" erhalten, stellt dies eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar, sodass eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdeargument, dass auch Zusagen des Bundesministeriums unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes von Treu und Glauben den Vertrauensschutz für den Steuerpflichtigen begründen könnten, unterbleiben kann.

Mit Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71 wurde § 23a KStG 1988 mit folgendem Inhalt geschaffen:

"(1) Zu den Einkünften gehören Sanierungsgewinne, das sind Gewinne, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind.

(2) Sind im Einkommen Sanierungsgewinne enthalten, die durch Erfüllung der Ausgleichsquote nach Abschluss eines gerichtlichen Ausgleichs im Sinne der Ausgleichsordnung oder eines Zwangsausgleiches (§§ 140ff der Konkursordnung) entstanden sind, gilt für die Berechnung der Steuer Folgendes:

1. Es ist die rechnerische Steuer sowohl einschließlich als auch ausschließlich der Sanierungsgewinne zu ermitteln.

2. Der Unterschiedsbetrag ist mit jenem Prozentsatz zu vervielfachen, der dem Forderungsnachlass entspricht (100% abzüglich Ausgleichsquote).

3. Das Ergebnis ist von der nach Z 1 ermittelten Steuer einschließlich der Sanierungsgewinne abzuziehen."

Das Budgetbegleitgesetz 2003 enthält keine ausdrückliche Inkrafttretensbestimmung für den neu geschaffenen § 23a KStG. Das Gesetz ist am ausgegeben worden, sodass die in Rede stehende Regelung am gemäß Art 49 Abs 1 B-VG in Kraft getreten ist.

In der Beschwerde wird vorgebracht, dem Gesetzgeber sei offenkundig ein Versehen bei der Regelung der Übergangsfragen für das Inkrafttreten des § 23a KStG unterlaufen. Es sei daher eine verfassungskonforme Interpretation zulässig, welche zu dem Ergebnis führen würde, dass § 23a KStG bereits auf den Beschwerdefall anwendbar sei.

Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Wie bereits der Verfassungsgerichtshof in dem im gegenständlichen Fall ergangenen Ablehnungsbeschluss B 481/04-8, ausdrücklich ausgesprochen hat, hat der Gesetzgeber für das Inkrafttreten der materiellrechtlichen Bestimmung des § 23a KStG idF Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71, (verfassungsrechtlich unbedenklich) keine Rückwirkung vorgesehen, sodass diese gesetzliche Regelung erst mit in Kraft getreten ist. Solcherart kann die Regelung des § 23a KStG für die Veranlagungen der Jahre 1999 und 2000 nicht zur Anwendung kommen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin führt das Gebot verfassungskonformer Interpretation nicht zu einem anderen Ergebnis, gilt doch die Regelung ab ihrem Inkrafttreten - anders als die Regelung, die dem von der Beschwerdeführerin angeführten hg Erkenntnis vom , 98/17/0351, zu Grunde liegt - einheitlich für alle Rechtsunterworfenen.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am