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VwGH vom 24.07.2019, Ra 2018/02/0163

VwGH vom 24.07.2019, Ra 2018/02/0163

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 30.24-2918/2017-13, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: B in G, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader und Mag. Philipp Pall, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Wastiangasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Eingabe vom erhob der Mitbeteiligte "Einspruch gegen Anonymverfügung vom " und ersuchte um einen klärenden Bescheid. Begründend brachte er vor, sein Fahrzeug mit der deutlich sichtbaren Tafel "Arzt im Dienst" auf den Rettungsparkplatz gestellt zu haben, weil er dringend zu einer Geburt gerufen worden sei und sonst keinen freien Parkplatz gefunden habe.

2 Der revisionswerbende Bürgermeister antwortete ihm am nächsten Tag dahingehend, dass die besagte Tafel den Mitbeteiligten nicht dazu berechtige, den Gehsteig zu benützen oder darauf zu parken.

3 Über Verlangen des revisionswerbenden Bürgermeisters erteilte der Mitbeteiligte die Lenkerauskunft vom , dass er selbst das Fahrzeug am angeführten Ort abgestellt habe. 4 In dem mit datierten Einspruch gegen die Strafverfügung vom sowie in zwei Stellungnahmen vom und vom brachte der Mitbeteiligte vor, dass er seinen PKW auf die freie Fläche unmittelbar vor der Fassade eines näher bezeichneten Hauses abgestellt habe.

5 Mit Straferkenntnis des revisionswerbenden Bürgermeisters vom wurde dem Mitbeteiligten angelastet, er habe am in G, S-gasse 42 einen Gehsteig benützt, obwohl die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art verboten sei. Er habe dadurch gegen § 8 Abs. 4 StVO verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von EUR 55 (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt werde. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass der Mitbeteiligte selbst entgegen dem Benützungsverbot nach § 8 Abs. 4 StVO sein Fahrzeug am Gehsteig abgestellt habe. Die Verwendung der Tafel mit der Aufschrift "Arzt im Dienst" begründe lediglich eine Ausnahme von den - hier nicht in Betracht kommenden - Halte- und Parkverboten im Sinne des § 24 StVO.

6 In der dagegen erhobenen Beschwerde releviert der Mitbeteiligte, dass sich die Privilegierung des § 24 Abs. 5 StVO auch auf Gehsteige sowie Gehwege beziehe und dass ihm kein anderes Verhalten zumutbar gewesen sei.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Steiermark das bekämpfte Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG iVm § 38 VwGVG ein. Begründend ging es davon aus, dass im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses der Tatvorwurf nur mit den Worten des Tatbestandes des § 8 Abs. 4 StVO beschrieben werde und dem Mitbeteiligten keine konkrete Tathandlung angelastet werde, weshalb es dem Verwaltungsgericht verwehrt sei, die aus der Begründung des Straferkenntnisses abzuleitende Tathandlung des Abstellens des Kraftfahrzeuges erstmals dem Beschuldigten vorzuhalten.

8 Dagegen richtet sich die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. 9 Der Mitbeteiligte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen oder ihr keine Folge zu geben und den revisionswerbenden Bürgermeister zum Ersatz der Kosten zu verpflichten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 12 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a VwGG nicht gebunden. 13 Der revisionswerbende Bürgermeister erachtet die Revision u. a. deshalb als zulässig, weil es das Verwaltungsgericht entgegen näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterlassen habe, den Spruch des Straferkenntnisses zu ergänzen oder zu präzisieren.

14 Die Revision ist wegen dieser vom revisionswerbenden Bürgermeister aufgezeigten Rechtsfrage zulässig und auch berechtigt.

15 Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind dazu die wesentlichen Tathandlungen konkret anzuführen und nicht mit den Worten des Tatbestandes; aus der Umschreibung der Tathandlung muss sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden können (vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 (2017) § 44a Rz 3, mwN). Bei mehreren unter einem einzigen gesetzlichen Tatbestand subsumierbaren Verhaltensweisen genügt die Anführung der verba legalia der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG ().

16 Nach § 8 Abs. 4 StVO ist die Benützung von Gehsteigen mit Fahrzeugen aller Art verboten. Gegen diese Anordnung verstößt etwa jemand, der sein Fahrzeug am Gehsteig parkt (vgl. ), hält (vgl. ), es dort abstellt (vgl. , 0199) oder ihn befährt (vgl ).

17 Da somit der Tatbestand des § 8 Abs. 4 StVO durch mehrere verschiedene Verhaltensweisen erfüllt werden kann, genügt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannte - die Beschreibung der Tathandlung bloß mit den verba legalia nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG.

18 Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis wurde indes dem Mitbeteiligten bereits mit Schreiben des revisionswerbenden Bürgermeisters vom vorgehalten, dass er nicht am Gehsteig hätte parken dürfen. Der Mitbeteiligte selbst ging in seinen Eingaben immer davon aus, dort sein Fahrzeug abgestellt zu haben. Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war somit die Verwaltungsstrafsache im Umfang des vom bekämpften Straferkenntnis erfassten und erledigten Sachverhalts (vgl. Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 (2017) § 44 VwGVG Rz 4, mwN). In diesem Umfang ist eine Präzisierung durch eine nähere Umschreibung des Tatvorwurfs, um den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu genügen, zulässig (vgl. Köhler in Raschauer/Wessely (Hrsg.) VStG2 § 50 VwGVG Rz 3, mwN). Davon erfasst ist der zwischen den Parteien unstrittige Sachverhalt, dass der Mitbeteiligte sein Fahrzeug auf den Gehsteig stellte. Es konnte daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Verhalten des Mitbeteiligten keine strafbare Handlung darstelle und allein deshalb das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen wäre.

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Der vom revisionswerbenden Bürgermeister angesprochenen Entscheidung in der Sache stehen fehlende Feststellungen zu den vom Mitbeteiligten erhobenen Einwänden entgegen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018020163.L00
Schlagworte:
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere Rechtsgebiete "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)

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