VwGH vom 27.02.2008, 2005/13/0084
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. Erich Hirt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 5/28, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0417-W/05, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO für Umsatzsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war seit 1989 im Firmenbuch eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GesmbH. Diese Funktion wurde auf Grund eines am eingelangten Antrages am im Firmenbuch gelöscht.
Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Beschwerdeführer nach § 9 Abs. 1 iVm § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der M. GesmbH, nämlich für im einzelnen aufgeschlüsselte Beträge an Umsatzsteuer für die Jahre 1990 bis 1995, zur Haftung heran. Für diese Zeiträume sei die von der M. GesmbH geschuldete Umsatzsteuer "rechtskräftig gemeldet, festgesetzt bzw. veranlagt, jedoch nicht entrichtet" worden. Der Beschwerdeführer habe über einen Zeitraum "von 1990 bis Austragung als Geschäftsführer aus dem Firmenbuch" keine oder nur unzureichende Zahlungen für Selbstbemessungsabgaben geleistet.
Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, er sei seit dem Jahr 1991 in Indonesien wohnhaft und "registriert". Er sei in der Lage, durch entsprechende Urkunden seine Anwesenheit in Indonesien lückenlos nachzuweisen. Aus der Tatsache, dass er seit über 20 Jahren nicht mehr in Österreich lebe, ergebe sich "zwanglos", dass er für Umsatzsteuerschulden der M. GesmbH der Jahre 1991 bis 1995 keinesfalls haften könne, weil er auf die Geschäfte des Unternehmens schon auf Grund der örtlichen Abwesenheit aus Wien keinen wie immer gearteten Einfluss habe nehmen können. Es treffe ihn daher auch kein Verschulden an der Nichtabführung der gegenständlichen Umsatzsteuern. Dies treffe in gleicher Weise auch für die Umsatzsteuer für 1990 zu, weil er nachweisen könne, dass er bereits im Jahre 1990 in Indonesien gewesen sei. Darüber hinaus sei die Abgabenschuld gegenüber der Hauptschuldnerin, die im Firmenbuch seit 2001 als vermögenslos gelöscht worden sei, längst verjährt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Die Umsatzsteuerbeträge für die Jahre 1990 bis 1995 seien der M. GesmbH "im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens im Jänner 1999 vorgeschrieben" worden. Daher sei keine Verjährung eingetreten. Der Beschwerdeführer sei seit handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GesmbH gewesen und dies offensichtlich bis zur Auflösung der Gesellschaft am (Beschluss der Generalversammlung). Da der Beschwerdeführer bei Übernahme der Geschäftsführertätigkeit für die M. GmbH in Österreich wohnhaft gewesen sei, würden allfällige "Exkusionen" nach Indonesien nichts daran ändern, dass keine Umstände ersichtlich seien, die ihn gehindert haben könnten, seinen Verpflichtungen nicht ohne sein Verschulden nachzukommen. Anlässlich seiner Übersiedlung nach Indonesien wäre es an ihm gelegen, "auf die eine oder andere Art" eine ordentliche Geschäftsführung sicherzustellen oder seine Funktion zurückzulegen.
Der Beschwerdeführer stellte einen Vorlageantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens und rechtlichen Ausführungen zu den §§ 9 und 80 BAO stellte die belangte Behörde fest, die M. GesmbH sei mit Generalversammlungsbeschluss vom aufgelöst und ihre Firma am im Firmenbuch gelöscht worden. Der Beschwerdeführer sei vom bis zum Geschäftsführer der M. GesmbH gewesen und zähle somit zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertreter. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er lebe seit über 20 Jahren nicht mehr in Österreich und habe daher keinen Einfluss auf die Geschäfte der M. GesmbH nehmen können, weshalb er nicht für die Umsatzsteuernachforderungen hafte, zeige, dass der Beschwerdeführer nur als "formeller Geschäftsführer" agiert habe. Das Einverständnis eines handelsrechtlichen Geschäftsführers, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren und keinen Einfluss auf die operative Tätigkeit der Gesellschaft auszuüben, befreie ihn nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten. Dass der Beschwerdeführer in den letzten 20 Jahren in Indonesien wohnhaft gewesen sei, sei unerheblich. Zur Verjährung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 238 BAO aus, den haftungsgegenständlichen Abgaben lägen im Jahr 1999 erlassene Wiederaufnahmebescheide zugrunde, welche den Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen hätten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 80 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft mbH durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den § 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabebehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0073, und vom , 2004/13/0046).
Die Uneinbringlichkeit der in Rede stehenden Umsatzsteuerschulden der M. GesmbH für die Jahre 1990 bis 1995 bei der Primärschuldnerin, der M. GesmbH, steht ebenso außer Streit wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1990 bis 1995 und darüber hinaus noch bis 1999 als einziger handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen war.
Der Beschwerdeführer trägt - wie schon im Verwaltungsverfahren - vor, dass er seit über 20 Jahren nicht mehr in Österreich lebe, seit 1991 in Indonesien wohnhaft und "registriert" sei und keinen Einfluss auf die Geschäfte der M. GesmbH hätte nehmen können. Er wirft der belangten Behörde vor, sie hätte untersuchen müssen, wer tatsächlich als "faktischer Geschäftsführer im kritischen Zeitraum die Geschicke des Unternehmens der M. GesmbH" geleitet habe. Der von der belangten Behörde gezogene "abstrakte Schluss", dass nur der handelsrechtliche Geschäftsführer hafte, sei unzulässig. Der Umstand, dass "eine Untätigkeit gegeben" sei, bedeute noch lange nicht, dass den Beschwerdeführer ein Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgaben treffe.
Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage, denn ein "faktischer Geschäftsführer" ist nach dem GmbHG nicht zur Vertretung der Gesellschaft berufen und somit nicht als Vertreter im Sinn des § 80 BAO anzusehen, weshalb er nach § 9 Abs. 1 BAO auch nicht zur Haftung herangezogen werden könnte.
Wenn der verantwortliche Vertreter seine abgabenrechtlichen Pflichten auf eine andere Person überträgt, wird er dadurch nicht von seiner Verantwortung befreit. Es gehört zu den Pflichten des zur Vertretung einer juristischen Person Berufenen, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolgt. Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person Berufener an der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten gehindert, hat er die Behinderung der Ausübung seiner Funktion sofort abzustellen und - wenn sich dies als erfolglos erweist - seine Funktion niederzulegen. Der vertretungsbefugte Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung faktisch anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch der Möglichkeit einer ausreichenden Kontrolle beraubt ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2007/15/0164, vom , 2001/14/0202, und vom , 2003/15/0080).
Dass der Beschwerdeführer den nach der Rechtsprechung erforderlichen Pflichten zur Kontrolle des "faktischen Vertreters" nachgekommen wäre, behauptet er ebenso wenig, wie dass er nach seiner Übersiedelung nach Indonesien wegen einer sich aus der räumlichen Entfernung ergebenden Behinderung an der Ausübung der Geschäftsführerfunktion die Geschäftsführung niedergelegt hätte.
Einen Ermessensmissbrauch sieht der Beschwerdeführer, welcher im Verwaltungsverfahren kein gegen die Ausübung des Ermessens gerichtetes Vorbringen erstattet hatte, auch in der Geltendmachung einer Haftung für Abgabenschulden, die länger als Jahre "zurück liegen". Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer über Jahre offensichtlich jegliche Kontrolle des faktischen Geschäftsführers unterlassen hatte und damit seiner Überwachungspflicht nicht nachgekommen ist, kann von einem Ermessensmissbrauch nicht gesprochen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2001/14/0099).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am