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VwGH vom 17.09.2014, 2012/17/0552

VwGH vom 17.09.2014, 2012/17/0552

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2012/17/0553

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerden des W S in S, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung jeweils vom , 1.) Zl. ABT07-485-283/2012-1 (hg. Zl. 2012/17/0552) und 2.) Zl. ABT07- 481-505/2012-4 (hg. Zl. 2012/17/0553), betreffend jeweils Mahngebühr und Säumniszuschlag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. Stefan ob Stainz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 2.652,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gegenüber dem Beschwerdeführer eine Mahngebühr in der Höhe von EUR 536,94 und einen Säumniszuschlag in der Höhe von EUR 598,66, resultierend aus diversen in den Jahren 2002 bis 2010 fällig gewordenen und nicht entrichteten Abgaben, fest. Darin werden jeweils die Art der Steuer, Abgabe bzw. Gebühr, das Fälligkeitsdatum, die Mahnstufe und ein Betrag aufgelistet sowie ein Gesamtrückstand von EUR 41.080,12 genannt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am Berufung, mit der er sich gegen die Vorschreibung der jeweiligen Stammabgaben wandte und monierte, dass nicht ersichtlich sei, auf welchen Grundlagen ein Abgabenrückstand von EUR 41.080,12 offen sei.

Mit dem weiteren, gleichartig aufgebauten Bescheid vom setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei gegenüber dem Beschwerdeführer eine Mahngebühr in der Höhe von EUR 30,- und einen Säumniszuschlag in der Höhe von EUR 84,32, resultierend aus diversen im Jahr 2011 fällig gewordenen und nicht entrichteten Abgaben, fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am Berufung, mit der er sich ebenso gegen die Vorschreibung der jeweiligen Stammabgaben wandte. Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde der Berufung teilweise Folge gegeben. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit Bescheiden vom gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei beiden Berufungen des Beschwerdeführers "teilweise statt" und änderte den Spruch der angefochtenen Bescheide aus Anlass der Berufungen dahingehend ab, dass gemäß § 227a BAO eine Mahngebühr in der Höhe von EUR 60,08 und EUR 503,94, sowie gemäß § 217 Abs. 1 und 2 und § 217a Abs. 3 BAO ein Säumniszuschlag in der Höhe von EUR 109,75 und EUR 598,66 festgesetzt wurden.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom Vorstellung, in denen er u. a. geltend machte, dass "Abgaben in den Jahren 2002 bis zum von Seiten der Abgabenbehörde dem Abgabepflichtigen niemals zur Vorschreibung gebracht worden" seien sowie Verjährung aller "vor dem dem Vorstellungswerber zur Vorschreibung gebrachten Abgaben, Abgabenrückstände, Mahngebühren und Säumniszuschläge" eingetreten sei.

Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Vorstellungen keine Folge. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, das allgemein gehaltene Vorbringen hinsichtlich Festsetzungsverjährung könne nicht zum Erfolg verhelfen, weil keine einzige Vorschreibung konkret bezeichnet und auch keine erforderlichen Beweismittel dafür vorgelegt worden seien.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. In der Beschwerdebegründung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass keinerlei Säumniszuschläge und Mahngebühren vorzuschreiben gewesen seien, weil die tatsächlichen Abgaben, aus welchen die Säumniszuschläge und Mahngebühren resultieren, bereits verjährt beziehungsweise sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht zu Recht festgesetzt worden seien.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs verbundenen Beschwerden erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt nach Abs. 2 leg. cit. bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetztes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

Nach § 208 Abs. 1 lit. a) BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO grundsätzlich mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, also grundsätzlich sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, sofern nicht in Abgabenvorschriften besondere Bestimmungen über diesen Zeitpunkt enthalten sind (§ 4 Abs. 1 und 3 BAO).

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Abgaben werden nach § 210 Abs. 1 BAO unbeschadet der in Abgabenvorschriften getroffenen besonderen Regelungen mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides, welche gemäß § 97 BAO durch Zustellung oder Verkündung erfolgt, fällig.

§ 217 Abs. 1 BAO ordnet an, dass Säumniszuschläge zu entrichten sind, wenn eine Abgabe (ausgenommen Nebengebühren) nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird. Gemäß Abs. 2 leg. cit. beträgt der erste Säumniszuschlag 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, sind gemäß § 226 BAO in dem von der Abgabenbehörde festgesetzten Ausmaß, bei Selbstbemessungsabgaben in der bekanntgegebenen Höhe vollstreckbar.

§ 227 Abs. 1 BAO bestimmt, dass vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten einzumahnen sind. Für Landes- und Gemeindeabgaben ist im Falle einer Mahnung nach § 227 BAO eine Mahngebühr von einem halben Prozent des eingemahnten Abgabenbetrages, mindestens jedoch drei Euro und höchstens 30 Euro zu entrichten (§ 227a Z. 1 BAO).

Gemäß § 198 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes vorgeschrieben, die Abgaben durch Bescheid festzusetzen. Gemäß Abs. 2 haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlage der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlage) zu enthalten.

Die Mahngebühr gemäß § 227a BAO ist mit Bescheid vorzuschreiben, Säumniszuschläge sind ebenfalls mit Abgabenbescheid geltend zu machen ( Ritz , BAO5, § 217 Tz 5 mwN, und § 227a Tz 6).

Für Landes- und Gemeindeabgaben regelt § 323a Abs. 1 Z 3 BAO, dass abgesehen von Verjährungsfristen die Fristen dieses Bundesgesetzes auch für jene Fälle gelten, in denen die für Landes- und Gemeindeabgaben maßgeblichen Fristen des bisherigen Rechtes am noch nicht abgelaufen waren. Nach Z 5 dieser Bestimmung sind die §§ 207 und 209 BAO ab anzuwenden.

Im Hinblick auf die zeitliche Lagerung des Beschwerdefalles wäre daher eine nach der Stmk LAO bereits eingetretene Verjährung auch in einem nach der BAO fortzuführenden Verfahren (vgl. § 323a BAO) zu beachten. Die genannte landesrechtliche Vorschrift enthielt im Wesentlichen der BAO vergleichbare Verjährungsregelungen:

Gemäß § 156 Abs. 2 Stmk LAO unterlag das Recht, eine Abgabe festzusetzen, einer Verjährungsfrist von fünf Jahren. Die Verjährung begann nach § 157 lit. a) leg. cit. in diesen Fällen mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden war. Das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährte gemäß § 185 Abs. 1 Stmk LAO binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Die Ausführungen der Beschwerden, welche sich gegen die dem Säumniszuschlag zu Grunde gelegten Abgaben richten, gehen ins Leere. Die belangte Behörde hatte insofern nicht auf die monierten Abgabenrückstände einzugehen, weil die angefochtenen Bescheide bloß über den Säumniszuschlag abzusprechen hatten, der lediglich den Bestand einer formellen Zahlungsverpflichtung voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/15/0202, mwN). Bemessungsgrundlage des Säumniszuschlages ist die nicht entrichtete Abgabenschuldigkeit unabhängig davon, ob die Festsetzung der Stammabgabe rechtmäßig, rechtskräftig, mit Bescheidbeschwerde angefochten oder richtig selbst berechnet wurde (vgl. Ritz , aaO, § 217 Tz 4, mwN).

Die Beschwerde vertritt weiters die Rechtsauffassung, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei, weil die in den Bescheiden der mitbeteiligten Gemeinde angeführten Rückstände aus verschiedenen Abgaben seit dem Jahr 2002 herrührten und dem Beschwerdeführer am erstmalig ein Rückstandsausweis gemäß § 229 BAO ausgestellt worden sei, womit eine Reihe von Mahngebühren und Säumniszuschlägen dem Abgabenpflichtigen zur Vorschreibung gebracht worden sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben und die vorgeschriebenen Steuern und Abgaben bestritten, insbesondere sei auch die Festsetzungsverjährung eingewendet worden.

Der Beschwerdeführer war berechtigt, in seiner Vorstellung erstmals neues Vorbringen zur Verjährung zu erstatten, weil für das Vorstellungsverfahren mangels einer dem § 41 Abs. 1 VwGG entsprechenden Regelung in der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 kein Neuerungsverbot gilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/16/0103). Die Ausführungen im Vorstellungsschriftsatz waren zwar - womit die belangte Behörde das Unterlassen der weiteren Behandlung der Verjährungsfrage begründete - bloß allgemein gehalten und es fehlten konkrete Angaben, welche Stammabgaben davon betroffen sein sollen, jedoch ist dem entgegenzuhalten, dass der Eintritt der Verjährung im Abgabenverfahren von Amts wegen zu beachten ist (vgl. Ritz, aaO, § 207 Tz 3, mwN). Zu dem nach § 198 Abs. 2 BAO erforderlichen Inhalt eines Abgabenbescheides gehört auch die Bemessungsgrundlage, welche auch den Zeitraum enthalten muss, für den die jeweilige Abgabe vorgeschrieben wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0379, mwN). Aus den Abgabenbescheiden erster und zweiter Instanz ergeben sich hinsichtlich der Stammabgaben lediglich Fälligkeitstermine, die für die Festsetzungsverjährung nicht relevant sind. In diesem Zusammenhang kommt es nämlich gemäß § 208 Abs. 1 lit. a) BAO und § 157 lit. a) Stmk LAO auf das Entstehen des Abgabenanspruches an. Da es für diese Zeitpunkte keine Hinweise in den Abgabenbescheiden gab, hätte sich die belangte Behörde - selbst wenn der Verjährungseinwand des Beschwerdeführers bloß pauschal erfolgte - damit auseinandersetzen und Feststellungen treffen müssen, wann die Tatbestände verwirklicht wurden, an die das Gesetz die Abgabepflicht knüpft und ob allenfalls während des Laufs der damit beginnenden Verjährungsfrist Unterbrechungshandlungen gesetzt wurden.

Da in den Bescheiden der mitbeteiligten Gemeinde teilweise auch Abgaben aufgelistet sind, deren Fälligkeit bis zum Jahr 2002 zurückreicht und gemäß § 3 Abs. 2 lit. d Säumniszuschläge sowie gemäß § 3a Z 1 BAO Mahngebühren zu diesen akzessorisch sind (s. Ritz BAO5, § 238 Tz 10), war der vom Beschwerdeführer ebenfalls relevierte Einwand der Einhebungsverjährung nicht unbeachtlich. Fehlende Ausführungen zur Verjährungsfrage können in der Gegenschrift, wo erstmals einzelne Unterbrechungshandlungen behauptet werden, nicht nachgeholt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/13/0153).

Damit durfte die belangte Behörde nicht ohne weitere Feststellungen davon ausgehen, dass weder Festsetzungsverjährung gemäß § 207 BAO noch Einhebungsverjährung nach § 238 BAO eingetreten sei.

Die angefochtenen Bescheide waren somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b) VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandsersatzordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwenden) VwGH-Aufwandsersatzordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am