VwGH vom 27.02.2013, 2012/17/0509
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, Hofrat Dr. Köhler und Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der SI in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. UVS- 1-524/K1-2011, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom , mit welchem die Beschwerdeführerin als Inhaberin der Gewerbeberechtigung des Lokals S einer Übertretung des § 50 Abs. 4 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG (Verpflichtung der Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, zur Ermöglichung umfassender Überprüfungen und Testspiele) schuldig erkannt worden war, insoweit Folge, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 1.000,-- und die für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe auf 16 Stunden herabgesetzt wurden. Im Übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in der Tatumschreibung im ersten Satz die Worte "nicht umfassend Auskünfte erteilt wurden und diesen Organen" zu entfallen hätten. Weiters hätten der 5. und 6. Satz der Tatumschreibung (die sich auf die Weigerung eines näher genannten Kellners bezogen, Geld für Probespiele zur Verfügung zu stellen bzw. Chipkarten und Schlüssel für die Spielgeräte herauszugeben) zu entfallen.
1.2. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei Inhaberin der Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe und Betreiberin des Lokals S und habe es daher zu verantworten, dass zwei bestimmt bezeichnete Geräte bereitgehalten worden seien, indem sie betriebsbereit aufgestellt gewesen seien und mit ihnen gespielt worden sei.
Im Rahmen einer Kontrolle am hätten die einschreitenden Beamten versucht, mit den gegenständlichen Geräten Probespiele durchzuführen. Dies habe zu Beginn der Kontrolle auch funktioniert, doch hätten die Spiele plötzlich nicht mehr aufgerufen werden können, da bei dem Versuch, ein Glücksspiel auszuwählen, am Display die Meldung "access denied" erschienen sei. Weiters habe die Beschwerdeführerin im Rahmen der Kontrolle die Herausgabe der Chipkarte und der Schlüssel für die Spielgeräte verweigert, sodass eine umfassende Überprüfung und ein Einblick in die geführten Aufzeichnungen nicht möglich gewesen seien.
Die mit den Geräten erzielten Umsätze gingen vollständig an die Beschwerdeführerin, welche die Geräte von der Firma E Ltd gegen eine monatliche Zahlung von EUR 520,-- gemietet habe.
Zu dem unionsrechtlichen Vorbringen führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass aus der Rechtsprechung des EuGH nicht hervorgehe, dass eine Bestrafung wegen Verstößen gegen das Glücksspielgesetz auch dann nicht erfolgen dürfte, wenn die betreffende (juristische) Person gesamthaft betrachtet bzw. schlussendlich ohnehin keine Konzession erlangen könne. Insbesondere stehe das Erfordernis der Rechtsform einer Aktiengesellschaft bzw. einer Kapitalgesellschaft mit einem Aufsichtsrat mit einem Stamm- oder Grundkapital von mindestens 22 Millionen Euro "dem Gemeinschaftsrecht nicht entgegen" (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0068).
Auch der Schuldausschließungsgrund des § 5 Abs. 2 VStG komme der Beschwerdeführerin nicht zu Gute, da sie sich nicht ausreichend mit der glücksspielrechtlichen Situation in Österreich auseinandergesetzt habe.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , B 464/12-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof deren Behandlung ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In seinem Beschluss führte der Verfassungsgerichtshof zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren sowie einen Verstoß gegen Art. 90 Abs. 2 B-VG aus, die Bestrafung für die Nichtherausgabe von Gegenständen, die den Zugang zu Beweismitteln ermöglichten, die unabhängig vom Willen des Beschuldigten existierten, bilde keine Verletzung des Verbots der Selbstbezichtigung. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zu Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
1.4. In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin die Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides geltend.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 50 Abs. 4 GSpG in der Fassung BGBl. I Nr. 73/2010 lautet:
"(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren."
§ 52 Abs. 1 Z 5 GSpG in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2010 lautet:
"§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,
…
5. wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs. 3 oder § 4 Abs. 2 vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs. 6 oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 verstößt;"
2.2. Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen den Vorwurf, die Beschwerdeführerin habe den Organen keine umfassenden Überprüfungen ermöglicht, insbesondere sei sie nicht Eigentümerin des Schlüssels und der Karte gewesen und sei aus § 50 Abs. 4 GSpG keine Pflicht zur Herausgabe dieser Gegenstände abzuleiten.
Zu diesem Beschwerdevorbringen ist auszuführen, dass § 50 Abs. 4 GSpG die darin genannten Personen dazu verpflichtet, den Kontrollorganen umfassend Auskünfte zu erteilen und umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen, Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach dem GSpG aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren. Ungeachtet der Frage, ob die von den Kontrollorganen angeforderte und von der Beschwerdeführerin unbestritten nicht ausgefolgte Chipkarte tatsächlich nur zum Zurückstellen auf null verwendbar war (und damit nicht die Gerätebuchhaltung hätte eingesehen werden können oder sich ein Probespiel hätte ermöglichen lassen), war die Beschwerdeführerin daher verpflichtet, den Kontrollorganen die Chipkarte auszufolgen, da es den Kontrollorganen überlassen bleiben muss, die zweckmäßigen Schritte zur Durchführung der Kontrollen festzulegen. Dies umso mehr unter Umständen wie im vorliegenden Beschwerdefall, in dem auf betriebsbereiten Geräten zunächst aufrufbare Spiele im Zuge der Kontrolle nicht mehr spielbar waren und die anwesenden Angestellten und die Beschwerdeführerin als Inhaberin der Gewerbeberechtigung für das Lokal, in dem die Geräte betrieben wurden, keine Hilfestellung beim Versuch, den "access" zu den Spielen wiederherzustellen, leisteten. Zu einer umfassenden Überprüfung zählt jedenfalls auch die Überprüfung des Zutreffens der Behauptungen der anwesenden Personen. Die Kontrollorgane haben sämtliche zweckdienlichen Schritte zu setzen, die in den nachfolgenden Verfahren (betreffend die Beschlagnahme der Geräte oder im Verwaltungsstrafverfahren) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes ermöglichen. Dazu gehört auch die Überprüfung, ob die Angaben des anwesenden Personals oder des Betreibers der Geräte oder eines nach § 9 VStG für eine juristische Person Verantwortlichen den Tatsachen entsprechen.
2.3. Die Beschwerdeausführungen zeigen daher insoweit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
2.4. Zum Vorbringen betreffend eine Unionsrechtswidrigkeit der Regelungen des österreichischen Glücksspielgesetzes ist darauf zu verweisen, dass im Beschwerdefall kein Sachverhalt gegeben ist, der die Anwendung des Unionsrechts begründen würde (vgl. die hg. Erkenntnisse jeweils vom , Zlen. 2011/17/0280 und 2011/17/0046).
2.5. Zum Vorwurf der Unbestimmtheit des angewendeten innerstaatlichen Straftatbestandes im Hinblick auf die Unklarheiten, die sich durch die allfällige Einwirkungen des Unionsrechts auf innerstaatliches Rechts ergäben, ist darauf zu verweisen, dass ein innerstaatlicher Straftatbestand zwar dem aus der Bundesverfassung folgenden Gebot der ausreichenden Bestimmtheit zu entsprechen hat, dass aber für die Beurteilung, ob ein Tatbestand diesem Gebot entspricht, nur die innerstaatliche Rechtlage maßgeblich ist. Die sich aus der Vorrangwirkung des Unionsrechts ergebenden Unwägbarkeiten hinsichtlich des Inhaltes des im Einzelfall anwendbaren Rechts können nicht der innerstaatlichen Regelung für sich angelastet werden. Im Beschwerdefall liegen auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Gebot der ausreichenden Determinierung des innerstaatlichen Rechts bei Umsetzung des Unionsrechts und des oben dargestellten Ablehnungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes keine Anhaltspunkte dafür vor, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen die nach innerstaatlichen Maßstäben ausreichend determinierte innerstaatliche Rechtslage zu erheben wären (vgl. z.B. VfSlg. 15.427/1999 für die Annahme einer gesetzlich nicht geregelten, aus der sich auf Grund der Vorrangwirkung des Unionsrechts ergebenden Zuständigkeit eines Gerichts entgegen der ausdrücklichen innerstaatlichen Bestimmung).
2.6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen
2.7. Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0436, mit weiteren Nachweisen).
Es bestand auch keine Veranlassung zu einer Entscheidung in einem verstärkten Senat, da zu den im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen einerseits noch keine hg. Rechtsprechung besteht (Auslegung der sich aus § 50 Abs. 4 GSpG ergebenden Verpflichtungen bzw. Einwand der Unbestimmtheit der angewendeten Strafnorm) und andererseits die Entscheidung weder ein Abgehen von einer bisherigen Rechtsprechung (etwa im Zusammenhang mit den unionsrechtlichen
Bedenken) bedeutet, noch der Fall vorliegt, dass diese Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet worden wären.
Wien, am