VwGH vom 25.01.2013, 2010/09/0168
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde 1. des MO und 2. der TI GmbH, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Mag. Willibald Berger und Dr. Georg Lehner, Rechtsanwälte in 4614 Marchtrenk, Linzer Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/A/28/2808/2009-35 und UVS-07/AV/28/2847/2009, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und Ausspruch über die Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei wird zurückgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Erstbeschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der TI GmbH (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeber den tschechischen Staatsangehörigen PP vom bis zum sowie den tschechischen Staatsangehörigen JM vom bis zum mit Hausbetreuungs- und Reinigungstätigkeiten sowie Räumungs- und Demontagearbeiten in verschiedenen Wohnungen beschäftigt habe, obwohl für diese Personen keine der in § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) angeführte Bewilligung oder Bestätigung ausgestellt worden seien.
Der Erstbeschwerdeführer habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG verletzt und wurde für die Beschäftigung des Ausländers PP vom bis zum mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.800,-- und einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen und 12 Stunden und für die Beschäftigung des Ausländers JM vom bis zum mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.900,--
und einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen bestraft.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde auch die Berufung der zweitbeschwerdeführenden TI GmbH gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz abgewiesen, in welchem folgende Aussage enthalten ist: "HINWEIS: Gemäß § 9 Abs. 7 VStG haften juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand."
Der angefochtene Bescheid enthält nach einer Darstellung des Verfahrensganges und der mündlichen Verhandlung die wesentliche Feststellungen, dass die beiden Ausländer in den angeführten Zeiträumen von der vom Beschwerdeführer vertretenen TI GmbH mit Arbeitsleistungen beauftragt gewesen seien, und zwar vornehmlich der Demontage der der TI GmbH gehörigen Immobilien zur Vorbereitung für eine anschließende Renovierung, wie etwa das Herab- und Herausreißen von Fliesen, Böden, Türen, der Abtransport von Zimmereinrichtungen, das Wegführen von Schutt und dergleichen. Das Honorar für die Arbeiten des PP in diesem Zeitraum sei mit EUR 19.440,-- vereinbart worden. Die Arbeitskraft JM habe sich in einem schriftlichen Vertrag im Zeitraum vom bis zu den gleichen Tätigkeiten verpflichtet, wobei das Honorar mit EUR 3.640,-- angegeben sei. Das für die Arbeiten nötige Handwerkszeug sei von den Ausländern selbst beigestellt gewesen, für den Transport von sperrigem Material habe das vom Beschwerdeführer vertretene Unternehmen einen Kastenwagen zur Verfügung gestellt. Der Ausländer JM habe das Gewerbe der "Räumung wertlosen Gutes aus Wohnungen ..." angemeldet, er verfüge weiters über Gewerbeanmeldungen in der Tschechischen Republik, ebenso verfüge der Ausländer PP über einen Gewerbeschein in der Tschechischen Republik für Vorbereitungsarbeiten für Bauanlagen.
Die Ausländer hätten gegenüber der vom Beschwerdeführer vertretenen GmbH in monatlichen, relativ regelmäßigen Abständen Rechnungen gelegt und die erbrachte Leistung sei nach Arbeitsstunden abgerechnet worden. Die Ausländer hätten während der gesamten Tatzeit weder Mitarbeiter beschäftigt, noch seien sie bei ihrer Tätigkeit für die vom Beschwerdeführer vertretene GmbH von anderen Personen vertreten worden. Fixe Arbeitszeiten seien nicht einzuhalten gewesen, tatsächlich habe sich im Regelfall eine tägliche Arbeitszeit von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr ergeben. In der Zeit einer Erkrankung hätten sie kein Entgelt erhalten, ebenso wenig wenn sie sich freigenommen hätten.
Der Vertreter des Beschwerdeführers (der Beschwerdeführer sei in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung persönlich nicht erschienen) sei nicht in der Lage gewesen aufzuzeigen, welches konkret umschriebene Werk von den beiden Ausländern zu leisten gewesen wäre, welche konkrete Tätigkeit von diesen tatsächlich ausgeübt worden sei, die Behauptung, die Ausländer seien mit Haus- und Liegenschaftsbetreuung befasst gewesen, erscheine im Lichte der Aussagen der beiden Ausländer bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde gänzlich unzutreffend.
Rechtlich sei der Schluss zu ziehen, dass die beiden Ausländer ähnlich wie Arbeitnehmer verwendet worden seien. Dafür spreche, dass sie sich in den vorliegenden Verträgen zu keinem abgeschlossenen Werk oder dort genau umschriebenen Erfolg verpflichtet hätten, sondern zu der dauerhaften Erbringung von Arbeitsleistungen. Dafür seien sie mehr oder minder regelmäßig unter Heranziehung der geleisteten Arbeitsstunden entlohnt worden. Die Tatsache, dass in diesem Zusammenhang Rechnungen ausgestellt worden seien, ändere nichts daran, dass die Entlohnung ähnlich wie bei Arbeitnehmern erfolgt sei. Die Ausländer seien zwar nicht verpflichtet, tägliche Arbeitszeiten einzuhalten, tatsächlich hätten sich jedoch Arbeitszeiten wie bei Arbeitnehmern ergeben. Der Umstand, dass die Ausländer eigenes Werkzeug verwendet hätten, habe in Ansehung der sonstigen für die Beschäftigung maßgeblichen Umstände kein herausragendes Gewicht. Dazu komme, dass die Auftraggeberin ein Transportfahrzeug zur Verfügung gestellt habe. In den Verträgen sei den Ausländern zwar eingeräumt worden, dass sie sich bei ihrer Tätigkeit vertreten lassen könnten, tatsächlich sei das jedoch gar nicht vorgekommen. Es liege eine längere Dauer der Tätigkeit mit einer entsprechenden Regelmäßigkeit vor. Hinsichtlich der einzelnen Arbeitsaufträge gebe es keine gesonderten Auftragsschreiben. Die Ausländer arbeiteten auf mündliche Anweisung des Auftraggebers. Die Ausländer hätten in Österreich neben dem vom Beschwerdeführer vertretenen Unternehmen keine weitere Auftraggeber und keine Beschäftigten. Die Arbeitsleistung komme ausschließlich der TI GmbH zugute. Schon aus der Umschreibung der Tätigkeiten im schriftlichen "Werkvertrag" folge, dass es sich dabei um einfache Arbeiten handle, die üblicherweise im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die Ausländer selbständig unternehmerisch tätig gewesen wären.
Die Tatsache, dass die Ausländer unterschiedliche Gewerbe angemeldet hätten und ihr Einkommen selbst versteuerten, vermöge an der Beurteilung der Beschäftigung als arbeitnehmerähnlich im Sinne des AuslBG nichts zu ändern, weil es auf die konkreten Umstände der Beschäftigung ankomme.
Die Strafzumessung begründete die belangte Behörde hinsichtlich des Ausländers PP mit dessen langer Beschäftigung (langer Tatzeitraum) und hinsichtlich beider Ausländer mit dem hohen Unrechtsgehalt der Taten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten über die zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene, von diesem mit Beschluss vom , B 442/10-3, abgelehnte und mit weiterem Beschluss vom , B 442/10-5, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde erwogen:
Die beschwerdeführenden Parteien bestreiten nicht, dass die Ausländer auf die von der belangten Behörde festgestellte Weise in den festgestellten Zeiträumen für die zweitbeschwerdeführende Partei Arbeitsleistungen erbracht haben, ohne dass dafür eine Bewilligung oder Bestätigung gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG vorlag und dass der Erstbeschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer dabei für die Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich war.
Der Verwaltungsgerichtshof hat insoferne gegen den angefochtenen Bescheid keine Bedenken.
Die beschwerdeführenden Parteien halten den angefochtenen Bescheid ausschließlich deswegen für rechtswidrig, weil die beiden tschechischen Arbeitskräfte in ihrem Recht auf Niederlassung als selbstständig Erwerbstätige gemäß Art. 43 EG (nunmehr Art. 49 AEUV) und damit auch die beschwerdeführenden Parteien in diesem Recht verletzt seien.
Mit dieser Argumentation zeigen die beschwerdeführenden Parteien indes keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, auch dann, wenn man ihre Argumentation unter dem Gesichtspunkt der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG (nunmehr Art. 56 AEUV) betrachtete. Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde nämlich nach einer sorgfältigen Beurteilung und Abwägung aller wesentlichen Merkmale der Tätigkeit der beiden Ausländer für die vom Erstbeschwerdeführer vertretene zweitbeschwerdeführende Partei zu der zutreffenden Schlussfolgerung gelangt, dass diese Tätigkeit nicht als selbständige Tätigkeit, sondern als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG zu qualifizieren war. Mit ihrer Berufung auf die unionsrechtliche Freiheit der Niederlassung gehen die beschwerdeführenden Parteien aber entgegen der zutreffenden rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde von der Selbständigkeit der angetroffenen Ausländer aus, weil nur Selbständige sich auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit berufen können, während Arbeitnehmer aus der Tschechischen Republik zum Zeitpunkt der Verrichtung der Arbeitsleistungen der verfahrensgegenständlichen Ausländer noch den im Tatzeitpunkt zulässigen Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit unterlagen.
Wesentlich ist daher auch unter dem europarechtlichen Aspekt die Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit im konkreten Fall. Die vom EuGH entwickelten Merkmale selbständiger Tätigkeit (vgl. z.B. die und C-152/04, Nadin u.a., Slg. 2005, I-11203, Randnr. 31, vom in der Rechtssache C-268/99, Jany u.a., Slg. 2001, I-08615, Randnr. 34, und vom in der Rechtssache C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-03089), entsprechen aber im Wesentlichen der Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit im Sinne des AuslBG, wie dies auch der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach betont hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0163). Im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des EuGH erweist sich die in der Beschwerde aufgeworfene Frage der Abgrenzung selbständiger von unselbständiger Tätigkeit als ausreichend geklärt, sodass kein Anlass besteht, diesbezüglich ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/09/0168, und vom , Zl. 2009/09/0046, mwN).
Aus den dort dargelegten Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall von der von den Beschwerdeführern vorgeschlagenen Vorlage einer diesbezüglichen Anfrage an den EuGH nicht veranlasst.
Auch die von der belangten Behörde sorgfältig und zutreffend bemessene Höhe der beiden Strafen begegnet keinen Bedenken, weshalb die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden GmbH ist hingegen nicht zulässig, weil der angefochtene Bescheid keinen in die Rechtssphäre der Erstbeschwerdeführerin eingreifenden normativen Abspruch enthält, insbesondere auch keinen einer Exekution zugänglichen Ausspruch über eine Haftung für die über den Zweitbeschwerdeführer verhängte Geldstrafe. Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa in seinen Erkenntnissen vom , Zl. 2008/09/0377, vom , Zl. 2007/09/0267, und vom , Zl. 2010/04/0012, dargelegt, dass es eines ausdrücklichen Ausspruches bedarf, um eine Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG zu bewirken. Ein solcher fehlt im vorliegenden Fall.
Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel daran, dass mit dem angefochtenen Bescheid ein exequierbarer Ausspruch gegen die zweitbeschwerdeführende Partei nicht getroffen wurde, daher kann die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft im vorliegenden Fall durch den angefochtenen Bescheid - auch wenn bereits die belangte Behörde die Berufung der zweitbeschwerdeführenden Partei hätte zurückweisen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0267) - nicht in ihren Rechten verletzt sein, weshalb ihre Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0007).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am