VwGH vom 18.11.2015, 2012/17/0201

VwGH vom 18.11.2015, 2012/17/0201

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde des Mag. P H in L, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner, Rechtsanwalt in 4150 Rohrbach, Haslacher Straße 17, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , IKD(BauR)-020518/1-2011/La, betreffend Verkehrsflächenbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Vorschreibung eines Verkehrsflächenbeitrages gemäß § 289 Abs 2 BAO in Verbindung mit § 55 Abs 4 Z 2 und §§ 19 ff der Oberösterreichischen Bauordnung 1994, LGBl Nr 66 in der Fassung LGBl Nr 36/2008, als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom für den Umbau einer näher genannten Landesstraße im Baulos Ortsdurchfahrt D im Gebiet der Wohnsitzgemeinde des Beschwerdeführers spruchgemäß das dauernde und lastenfreie Eigentum von 105 m2 aus dem Grundstück Baufläche .39 zu Gunsten des Landes Oberösterreich und der Wohnsitzgemeinde des Beschwerdeführers sowie die vorübergehende Inanspruchnahme von 190 m2 aus der Baufläche .39 verfügt worden sei. Die vorübergehende Grundinanspruchnahme sei damit begründet worden, dass sie für den Abbruch des Gebäudes, welches auf dem enteigneten Teil der Baufläche .39 gestanden sei, notwendig gewesen sei.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Wohnsitzgemeinde des Beschwerdeführers vom sei diesem die Baubewilligung zum Neubau eines landwirtschaftlichen Einstellgebäudes auf den Grundstücken Nr. 39, .40 und 490, KG L, erteilt worden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Wohnsitzgemeinde L vom sei dem Beschwerdeführer gemäß § 19 ff Oö BauO 1994 für den Bauplatz bzw die zu bebauenden Grundstücke mit den Grundstücksbezeichnungen .39, .40 und 490, KG L, unter Anwendung der Frontlängenlimitierung von 40 m gemäß § 20 Abs 4 Z 1 Oö BauO 1994 und Abzug einer Ermäßigung von 60 vH (§ 21 Abs 2 Z 1 Oö BauO 1994) ein Verkehrsflächenbeitrag in der Höhe von EUR 3.120,-- vorgeschrieben worden.

Der Beschwerdeführer habe in der Berufung gegen diesen Bescheid vorgebracht, dass auch die "restlichen 260 m2" des Grundstücks .39 vorübergehend enteignet worden seien. Es treffe daher nicht zu, dass dieser Grundstücksteil in seinem Eigentum verblieben sei.

Nach Darstellung der einschlägigen Bestimmungen der Oö BauO 1994 und der auszugsweisen Wiedergabe der §§ 288 und 289 BAO führte die belangte Behörde aus, nach § 19 Abs 4 Oö BauO 1994 sei der Eigentümer des Grundstücks abgabepflichtig für den anlässlich der Erteilung der Baubewilligung vorzuschreibenden Verkehrsflächenbeitrag. Nach den vorliegenden Unterlagen sei der Beschwerdeführer grundbücherlicher Eigentümer gewesen, dem auch mit Bescheid vom die Baubewilligung für das Wirtschaftsgebäude erteilt worden sei.

Zu dem Vorbringen hinsichtlich des Verlusts seines Eigentums wies die belangte Behörde darauf hin, dass der Enteignungsbescheid neben der dauernden Inanspruchnahme von 105 m2 für eine weitere Teilfläche im Ausmaß von 260 m2 die vorübergehende Inanspruchnahme angeordnet habe. Diese sei damit begründet worden, dass sie für den Abbruch des Gebäudes und die projektgemäße Herstellung der Straßenbaumaßnahme (Geländeangleichung) notwendig gewesen sei. Der Umstand, dass aus einem ca 1.255 m2 großen Grundstück eine Teilfläche von 260 m2 vom Land Oberösterreich vorübergehend für Abbrucharbeiten beansprucht werde, entfalte keine Rechtswirkungen hinsichtlich eines Eigentumsübergangs. Es sei daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer sowohl im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Abgabenbescheides als auch im Zeitpunkt der zu treffenden Berufungsentscheidung Alleineigentümer der Grundstücke .39, .40 und 490 gewesen sei. Das abgabenrechtliche Schuldverhältnis sei daher zu Recht mit dem Beschwerdeführer begründet worden.

Nach näheren Ausführungen zur konkreten Berechnung der Frontlänge im Sinne des § 20 Abs 4 Oö BauO 1994 wird zu einem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung hinsichtlich eines "formellen Rückübereignungsaktes" bemerkt, dass angesichts der bücherlichen Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken .39, .40 und 490 der KG L keine Gründe ersichtlich seien, inwieweit es eines solchen Formalaktes im Abgabenverfahren nach § 19 ff Oö BauO 1994 bedurft hätte. Auch die Beurteilung der Parteistellung des Beschwerdeführers im Abbruchverfahren hinsichtlich des auf der enteigneten Grundfläche gestandenen Gebäudes entfalte für das vorliegende Abgabenverfahren keinerlei Relevanz.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 79 Abs 11 VwGG in der Fassung BGBl I Nr 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Die §§ 19 bis 22 Oberösterreichische Bauordnung 1994 (LGBl Nr 66/1994 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung gemäß LGBl Nr 96/2006) lauten auszugsweise:

" § 19

Beitrag zu den Kosten der Herstellung öffentlicher

Verkehrsflächen

(1) Anlässlich der Erteilung einer Baubewilligung für den Neu- , Zu- oder Umbau von Gebäuden, die durch eine öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde oder des Landes (§ 8 Oö. Straßengesetz 1991) aufgeschlossen sind, hat die Gemeinde dem Eigentümer des Bauplatzes oder des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet werden soll oder schon besteht, mit Bescheid einen Beitrag zu den Kosten der Herstellung dieser öffentlichen Verkehrsfläche (Verkehrsflächenbeitrag) vorzuschreiben. Ausgenommen sind Radfahr-, Fußgänger- und Wanderwege.

(2) Wird ein Gebäude oder der Bauplatz (das Grundstück), auf dem ein Gebäude errichtet werden soll oder schon besteht, durch mehrere öffentliche Verkehrsflächen aufgeschlossen, gilt hinsichtlich der Beitragspflicht Folgendes:

1. Der Beitrag darf nur für eine dieser Verkehrsflächen vorgeschrieben werden.

2. Ergibt die Beitragsberechnung unterschiedlich hohe Beträge, ist der Beitrag für jene Verkehrsfläche vorzuschreiben, hinsichtlich welcher sich der niedrigste Beitrag ergibt.

3. Ergibt die Beitragsberechnung gemäß Z 2 gleich hohe Beträge für (eine) Verkehrsfläche(n) des Landes und der Gemeinde, ist der Beitrag hinsichtlich letzterer vorzuschreiben.

4. Der Berechnung gemäß Z 2 und 3 ist jeweils die fertiggestellte Verkehrsfläche zugrunde zu legen; § 20 Abs. 7 gilt.

..."

" § 20

Berechnung des Verkehrsflächenbeitrags

(1) Der Beitrag ist für die Grundstücksfläche, die der Berechnung der anzurechnenden Frontlänge zugrundegelegt wurde, vorbehaltlich des Abs. 4b nur einmal zu entrichten.

(2) Die Höhe des Beitrags ist gleich dem Produkt aus der anrechenbaren Breite der öffentlichen Verkehrsfläche, der anrechenbaren Frontlänge und dem Einheitssatz.

(3) Die anrechenbare Breite der öffentlichen Verkehrsfläche beträgt unabhängig von ihrer tatsächlichen Breite drei Meter.

(4) Anrechenbare Frontlänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz oder dem zu bebauenden oder bereits bebauten Grundstück flächengleichen Quadrats. Abweichend davon beträgt die anrechenbare Frontlänge jedoch

1. bei land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken sowie bei Grundstücken, die gemäß § 30 Abs. 3, 4, 6, 8 und 8a Oö. Raumordnungsgesetz 1994 genutzt werden, höchstens 40 Meter, sofern letztere nicht unter Z 2 fallen,

2. bei betrieblich genutzten Grundstücken


Tabelle in neuem Fenster öffnen
a)
mit einer Fläche bis 2.500 m2 höchstens 40 Meter,
b)
mit einer Fläche von mehr als 2.500 m2 bis 5.000 m2 höchstens 50 Meter,
c)
mit einer Fläche von mehr als 5.000 m2 bis 10.000 m2 höchstens 60 Meter,
d)
mit einer Fläche von mehr als 10.000 m2 bis 20.000 m2 höchstens 80 Meter;
e)
mit einer Fläche von mehr als 20.000 m2 höchstens 120 Meter.
..."
"
§ 21
Ausnahmen und Ermäßigungen

(1) Der Verkehrsflächenbeitrag entfällt, wenn die Baubewilligung erteilt wird für

1. den Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden im Sinn des § 3 Abs. 2 Z 5;


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2.
den Ausbau eines Dachraumes oder Dachgeschoßes;
3.
den sonstigen Zu- oder Umbau von Gebäuden, durch den die Nutzfläche insgesamt höchstens um 100 m2 vergrößert wird;
4.
den Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden im Hofbereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs sowie von sonstigen Gebäuden, wenn
a)
die Aufschließung durch eine öffentliche Verkehrsfläche erfolgt, deren Errichtung im Weg einer Beitrags- oder Interessentengemeinschaft finanziert wird oder wurde, und
b)
der Hofbereich oder das sonstige Gebäude mit einem entsprechenden Anteil in die Beitrags- oder Interessentengemeinschaft einbezogen war oder ist;
5.
den Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden der Gebietskörperschaften und Gemeindeverbände, wenn sie in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen oder zur Befriedigung öffentlichen (kommunalen) Bedarfs als Träger privater Rechte tätig werden.
..."
"
§ 22
Rechtsnatur der Beiträge

(1) Die Beiträge gemäß §§ 18 bis 21 sind hinsichtlich der Verkehrsflächen der Gemeinde als Interessentenbeiträge ausschließliche Gemeindeabgaben im Sinn des § 6 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948."

§ 37 Oberösterreichisches Straßengesetz, LGBl Nr 84/1991 in

der Fassung LGBl Nr 82/1997, lautet:

" § 37

Entschädigung

(1) Dem Enteigneten gebührt für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB). Bei der Bemessung der Entschädigung haben der Wert der besonderen Vorliebe und die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, die der Gegenstand der Enteignung möglicherweise durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt. Auf die Wertverminderung eines etwa verbleibenden Grundstücksrestes ist hingegen Bedacht zu nehmen."

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Vorschreibung des Verkehrsflächenbeitrages mit dem Argument, er sei nicht Eigentümer jener Grundfläche gewesen, auf der das Gebäude errichtet worden sei, für welches aus Anlass der Erteilung der Baubewilligung die Abgabenvorschreibung erfolgt sei. Überdies habe sich die Nutzfläche des Gebäudes gegenüber jenem, welches abgebrochen worden sei, um 90 m2 verringert.

Ein Mühlviertler Dreiseithof sei als Ganzes (als eine Einheit) zu betrachten, sodass nicht ein Neubau eines Gebäudes sondern ein Umbau gemäß § 2 Z 40b Oö BauTG vorliege.

Die Fläche, auf welcher das Gebäude errichtet worden sei, sei vorübergehend enteignet worden. Ein rechtskräftiger Enteignungsbescheid durchbreche das allgemeine Intabulationsprinzip und lasse unabhängig von einer Eintragung Eigentum übergehen.

Zum Vorbringen betreffend seine Stellung als Eigentümer genügt es darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass die vorübergehende Inanspruchnahme eines Grundstückes im Gegensatz zum Entzug des Eigentums keinen Übergang des Eigentumsrechts bewirke (vgl etwa Brunner, Enteignung für Bundesstraßen, 1983, 7). Es erübrigt sich daher, näher auf die Frage einzugehen, in welchem Zeitpunkt das Eigentum auf Grund eines Enteignungsbescheides übergeht.

An der Stellung des Beschwerdeführers als Eigentümer hat sich durch den Enteignungsbescheid vom hinsichtlich der bloß vorübergehend in Anspruch genommenen Fläche (260 m2) keine Veränderung ergeben.

Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass der Neubau eines landwirtschaftlichen Einstellgebäudes nur deshalb getätigt worden sei, weil das alte Gebäude "mittels Zwangsenteignung dem Straßenprojekt (habe) weichen" müssen, wird damit keiner der in § 21 Oö BauO 1994 geregelten Ausnahmetatbestände dargetan. Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken in die Richtung, dass etwa ein entsprechender Ausnahmetatbestand in § 21 Oö BauO 1994 aufzunehmen wäre. Im Hinblick auf § 37 Abs 1 Oö Straßengesetz 1991, LGBl Nr 84/1991 in der Fassung LGBl Nr 82/1997, demzufolge im Falle einer Enteignung nach dem Oö Straßengesetz 1991 dem Enteigneten "für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB)" gebühre, sind auch allfällige mit einer erforderlichen Neuerrichtung eines Gebäudes verbundene Aufwendungen im Entschädigungsverfahren geltend zu machen (vgl zu der inhaltsgleichen Bestimmung des § 13 Bundesstraßengesetz (BStG) , oder für den Fall der Notwendigkeit der Verlegung eines Betriebes als Folge der Enteignung , unter Hinweis auf SZ 48/54 und SZ 55/133, sowie zu dem Grundsatz der vollen Schadloshaltung nach § 1323 ABGB etwa ; zum Vermögensschaden durch Begründung einer Abgabenverbindlichkeit etwa oder , 4 Ob 7/08w). § 21 Oö BauO 1994 ist somit nicht deshalb als verfassungsrechtlich bedenklich anzusehen, weil er für Fälle wie den vorliegenden, in denen nach einer Enteignung durch den erforderlich werdenden Neubau eines Gebäudes eine landesgesetzlich geregelte Abgabe anfällt, keine Ausnahme von der Vorschreibung des Verkehrsflächenbeitrages enthält.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verwirklicht die Erteilung der Baubewilligung vom für den "Neubau eines landwirtschaftlichen Einstellgebäudes" auf den Grundstücken .39, .40 und 490, KG L, auch nicht den Ausnahmetatbestand des § 21 Abs 1 Z 3 Oö BauO 1994.

Wie sich aus der Baubewilligung und der mit den Verwaltungsakten vorgelegten Verhandlungsschrift der Bauverhandlung vom ergibt, wurde nicht ein Umbau eines einheitlichen Gebäudes bewilligt, sondern die Bewilligung für die Errichtung eines (eigenständigen) als "landwirtschaftliches Einstellgebäude" bezeichneten Gebäudes erteilt.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am