VwGH vom 20.06.2012, 2012/17/0188

VwGH vom 20.06.2012, 2012/17/0188

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Vorabentscheidungsantrag:

EuGH62011CJ0039 B

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2012/17/0190

2012/17/0189

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerden 1. der V AG, 2. der A AG und

3. der V P AG, alle in W und vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen die Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) 1. vom , Zl. FMA-BV27 1006/0014-INV/2010 (hg. Verfahren Zl. 2012/17/0188), 2. vom , Zl. FMA-BV27 1004/0013-INV/2010 (hg. Verfahren Zl. 2012/17/0189), und 3. vom , Zl. FMA-BV27 1007/0008-INV/2010 (hg. Verfahren Zl. 2012/17/0190), alle betreffend Zahlungen nach § 43 Abs. 1 Z. 2 BMSVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im hg. Verfahren Zl. 2012/17/0188 angefochtenen Bescheid wurden der dort beschwerdeführenden Partei für die Überschreitung der "Grenze" gemäß § 30 Abs. 2 Z. 5 lit. b Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG), für den Zeitraum von Dezember 2004 bis November 2005 gemäß § 43 Abs. 1 Z. 2 BMSVG EUR 152.048,77 (als Pönalezinsen) zur Zahlung vorgeschrieben.

Vom bis zum habe bei der beschwerdeführenden Partei eine Vor-Ort-Prüfung gemäß § 70 Abs. 1 BWG stattgefunden, die insbesondere die Überprüfung der Einhaltung der Veranlagungsbestimmungen gemäß § 30 BMSVG zum Gegenstand gehabt habe. Hiebei sei festgestellt worden, dass der vom bis zum gehaltene, näher bezeichnete Investmentfonds erst ab über die notwendige Zulassung zum Vertrieb in Österreich verfügt habe; dadurch sei die Veranlagungsgrenze des § 30 Abs. 2 Z. 5 BMSVG verletzt worden. Nach § 43 Abs. 1 Z. 2 BMSVG seien daher Pönalezinsen in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe vorzuschreiben gewesen, weil - zusammengefasst - eine Anlage nur in Kapitalanlagefonds nach dem III. Abschnitt des Investmentfondsgesetzes gestattet sei, die zum öffentlichen Vertrieb in Österreich berechtigt seien.

1.2. Mit dem zur hg. Zl. 2012/17/0189 angefochtenen Bescheid wurden der dort beschwerdeführenden Partei für die Überschreitung der "Grenze" gemäß § 30 Abs. 2 Z. 5 lit. a BMSVG für den Zeitraum August 2004 bis März 2007 gemäß § 43 Abs. 1 Z. 2 BMSVG EUR 131.506,85 (als Pönalezinsen) zur Zahlung vorgeschrieben.

Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, dass im Zuge der Vor-Ort-Prüfung im Hinblick auf die Einhaltung der Veranlagungsbestimmungen des § 30 BMSVG festzustellen gewesen sei, dass die beschwerdeführende Partei für die Veranlagungsgemeinschaft einen näher genannten Investmentfonds am erworben habe, welcher zum Vertrieb in Österreich nicht zugelassen gewesen sei. Auch hier begründete die belangte Behörde ihren Bescheid ähnlich wie bereits oben unter

1.1. dargestellt.

1.3. In ihrem Bescheid, der Gegenstand des hg. Verfahrens Zl. 2012/17/0190 ist, sprach die belangte Behörde aus, dass der dort beschwerdeführenden Partei für die Überschreitung der "Grenze" gemäß § 30 Abs. 2 Z. 5 lit. a BMSVG für den Zeitraum Mai 2004 bis August 2009 gemäß § 43 Abs. 1 Z. 2 BMSVG EUR 1,277.058,06 (als Pönalezinsen) zur Zahlung vorgeschrieben würden.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Zuge einer Vor-Ort-Prüfung betreffend insbesondere die Einhaltung der Veranlagungsbestimmungen gemäß § 30 BMSVG sei festgestellt worden, dass die beschwerdeführende Partei näher genannte Investmentfonds am , bzw. am , und erworben habe; diese Investmentfonds seien zu den "inkriminierten Zeiträumen" zum Vertrieb in Österreich nicht zugelassen gewesen. Dadurch sei - wie näher dargestellt wurde - die Veranlagungsgrenze des § 30 Abs. 2 Z. 5 BMSVG verletzt worden. Im Übrigen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung ähnlich wie bereits oben (Punkt 1.1.) wiedergegeben.

1.4. Die beschwerdeführenden Parteien bekämpften die Bescheide der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof jeweils wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie brachten übereinstimmend im Wesentlichen vor, bei den betreffenden Investmentfonds handle es sich unstreitig um solche aus dem Gebiet der Europäischen Union; die österreichischen Regelungen, die eine Veranlagung nur in im Inland zugelassene Investmentfonds erlaubten, verstießen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.

Die belangte Behörde hat jeweils die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenschriften mit dem Antrag erstattet, (jeweils) die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben in den Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof hierauf repliziert.

1.5. Mit Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeverfahren verbunden und bis zur Vorabentscheidung des mit Beschluss vom selben Tage in einem gleichgelagerten Beschwerdeverfahren (nunmehr zur Zl. 2012/17/0187) angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Union ausgesetzt.

1.6. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit seinem Urteil vom , C-39/11, die an ihn gemäß Art. 267 AEUV vorgelegte Frage wie folgt beantwortet:

"Art. 63 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegen steht, die einer Betrieblichen Vorsorgekasse oder der von dieser zur Verwaltung ihrer Mittel eingerichteten Veranlagungsgemeinschaft die Veranlagung dieser Mittel in Anteilsscheinen eines Kapitalanlagefonds, der in einem anderen Mitgliedstaat errichtet ist, nur gestattet, wenn dieser Fonds zum Vertrieb seiner Anteile im Inland zugelassen worden ist."

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die verbundenen Beschwerden erwogen:

2.1. Zur Darstellung der entscheidungswesentlichen Rechtslage kann auf den hg. Beschluss vom , Zl. EU 2011/0001, sowie die in dem erwähnten Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. Sowohl der Beschluss wie auch das Urteil sind der belangten Behörde wie auch den Rechtsfreunden der beschwerdeführenden Parteien bekannt.

2.2. Aus dem erwähnten Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom ergibt sich, dass die von der belangten Behörde ihren Bescheiden zugrunde gelegte Rechtslage nicht dem Unionsrecht entspricht; § 30 Abs. 2 Z. 5 BMSVG hätte daher unangewendet bleiben müssen. Hinsichtlich der diesbezüglichen näheren Begründung ist auf das erwähnte Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union und die darin gemachten Ausführungen zu verweisen.

2.3. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich daher mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

2.4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am