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VwGH vom 26.05.2014, 2012/17/0179

VwGH vom 26.05.2014, 2012/17/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Köhler und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde 1. des W C und 2. der R AG, beide in Wien, beide vertreten durch die Grohs Hofer Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in 1010 Wien, Helferstorferstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zlen. 1.) UVS- 06/FM/9/3226/2011-10 und 2.) UVS-06/FMV/9/13962/2011, betreffend Übertretung des Börsegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Spruchpunkt I. des Straferkenntnisses der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) vom wurde über den Erstbeschwerdeführer, der mit zum verantwortlichen Beauftragten durch die zweitbeschwerdeführende Partei bestellt worden sei, wegen Übertretung des § 48c Börsegesetz (BörseG) iVm § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a BörseG, eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von EUR 10.000,-- verhängt. Für den Fall der Uneinbringlichkeit wurde eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen festgesetzt.

Dem Erstbeschwerdeführer wurde zur Last gelegt, es in seiner Funktion gemäß § 9 Abs. 2 VStG zu verantworten zu haben, dass die zweitbeschwerdeführende Partei vorsätzlich fortgesetzt Marktmanipulation betrieben habe, indem sie jedenfalls im Tatzeitraum (vom bis ) die in der zum integrierten Bestandteil des Straferkenntnisses erhobenen Beilage ./1 aufgelisteten Käufe und Verkäufe der A AG Stammaktie und A AG Vorzugsaktie an der Wiener Börse getätigt habe, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots und der Nachfrage dieses Wertpapiers gegeben hätten sowie den Kurs dieser Wertpapiere in der Weise beeinflusst hätten, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt worden sei.

Dies sei dadurch geschehen, dass die zweitbeschwerdeführende Partei durch ihren Bediensteten S zeitgleich Kauf- und Verkaufsorders mit dem jeweils gleichen Volumen und dem jeweils gleichen Limit für diese Wertpapiere auf eigene Rechnung erteilt habe, die jeweils zu einem Geschäftsabschluss und somit zur Kursbildung geführt hätten. Diese abgewickelten Geschäfte hätten zu keiner Veränderung in der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers der Wertpapiere geführt.

Unter Spruchpunkt II. des Straferkenntnisses vom wurde ausgesprochen, dass die zweitbeschwerdeführende Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die über den Erstbeschwerdeführer verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.

1.2. Die beschwerdeführenden Parteien erhoben Berufung. Die belangte Behörde führte am eine mündliche Verhandlung durch.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde den Berufungen keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch die Wortfolgen "vorsätzlich", "jedenfalls", "falsche oder" und "sowie den Kurs dieser Wertpapiere in der Weise beeinflusst haben, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wurde" zu entfallen hätten. Als Übertretungsnorm wurde für den Tatzeitraum vom 25. März bis (erkennbar gemeint:) § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa BörseG BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 60/2007 und für den Tatzeitraum vom 1. April bis die schon genannte Bestimmung idF BGBl. I Nr. 22/2009 sowie als Strafsanktionsnorm für den gesamten Zeitraum § 48c BörseG BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 136/2008 angegeben.

1.4. In der Begründung des angefochtenen Bescheides gibt die belangte Behörde zunächst den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides, den Wortlaut der Berufungen der beschwerdeführenden Parteien sowie einen Auszug der Protokolle der mündlichen Verhandlung und der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen wieder.

1.5. Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus:

Die A AG Stamm- und Vorzugsaktien notierten an der Wiener Börse bis im Marktsegment "Standard Market Continous" und ab im Segment "Standard Market Auktion". Es habe sich demnach um einen wenig liquiden Titel gehandelt. Der (ehemalige) Wertpapierhändler S der zweitbeschwerdeführenden Partei, habe für Stammaktien der A AG an zehn Tagen und für Vorzugsaktien der A AG an acht Tagen praktisch zeitgleich jeweils mit gleichem Limit und auf eigene Rechnung der zweitbeschwerdeführenden Partei Kauf- und Verkaufsorders erteilt, welche jeweils zu einem Geschäftsabschluss ohne Wechsel des wirtschaftlichen Eigentümers der gegenständlichen Aktien geführt habe.

Die FMA habe diese auffälligen Transaktionen im Rahmen einer Routineanalyse festgestellt. Die zweitbeschwerdeführende Partei habe nach Konfrontation mit dem gegenständlichen Vorwurf am die gegenständlichen Crossing-Geschäfte eingeräumt und angemerkt, dass die in Rede stehenden Transaktionen anlässlich einer regelmäßigen hausinternen Compliance-Untersuchung Ende April 2009 aufgefallen seien und der Wertpapierhändler S damit versucht habe, den "spread" auf dem jeweils herrschenden Kursniveau zu verringern. Die gegenständlichen Crossing-Geschäfte seien in der Folge Ende April 2009 abgestellt worden. Der Wertpapierhändler S habe sich damit gerechtfertigt, dass er in Kenntnis der bevorstehenden Übernahme der Auktionsbetreuung dieser Wertpapiere bestrebt gewesen sei, in "überschießender Vorbereitung" innerhalb des herrschenden "spreads" einen aktuellen Kurs in den beiden Aktien abzubilden.

Jeder Kundenhändler der zweitbeschwerdeführenden Partei habe deren Anordnung, dass solche Crossings-Geschäfte wie im vorliegenden Fall unzulässig seien, kennen müssen. Den Wertpapierhändlern sei bewusst gewesen, dass sie bei Zuwiderhandlungen die Konsequenzen tragen müssten, was bis zu einer Entlassung reiche. Vorliegendenfalls seien die involvierten Händler (lediglich) verwarnt worden.

Das im Tatzeitraum noch bestehende Kontrollsystem der zweitbeschwerdeführenden Partei habe nur alle zwei Wochen zur Überwachung der Händler geführt, jedoch die inkriminierten Eingaben nicht aufdecken können. Der Mitarbeiter W der zweitbeschwerdeführenden Partei habe zweimal Crossing-Orders über Anweisung seines Vorgesetzen S eingegeben, weil er davon ausgegangen sei, dass diesen Transaktionen jeweils Kundenorders zugrunde lägen, was er jedoch nicht habe überprüfen können. Ab Mitte 2009 sei bei der zweitbeschwerdeführenden Partei eine elektronische Kontrolle einmal pro Woche eingeführt worden, um Crossing-Geschäfte umgehend und zeitnah erkennen zu können.

1.6. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die gegenständlich zu beurteilenden Transaktionen nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) über zulässige Marktpraktiken an Österreichischen Finanzmärkten (Marktpraxisverordnung - MpV) fielen. Mit dem angelasteten Vorgehen seien objektiv irreführende Signale gesetzt worden, weil bei einer illiquiden Aktie ein Handelsinteresse vorgetäuscht worden sei, das in Wahrheit nicht existiert habe. Es erübrige sich daher zu prüfen, ob es sich bei dem betreffenden Vorgehen um falsche Signale gehandelt habe oder ob es dadurch zu einem anormalen oder künstlichen Kursniveau gekommen sei, was zu den Streichungen im Tatvorwurf geführt habe. Die verfahrensgegenständlichen Orders seien von dem Gesamtkonzept umspannt, einen entsprechenden Kurs an der Börse herbeizuführen, um diese Aktien für potentielle Investoren attraktiver zu machen.

Zur subjektiven Tatseite wurde ausgeführt, dass mit der ab Mitte 2009 eingeführten wöchentlichen elektronischen Überwachung von den beschwerdeführenden Parteien selbst dargelegt worden sei, dass das zuvor bestehende Kontrollsystem nicht ausreichend gewesen sei, die inkriminierten Eingaben zeitnah aufzudecken. Die fehlende Überprüfbarkeit für den Mitarbeiter W, ob den ihm angeordneten Transaktionen jeweils Kundenorders zugrunde lägen, mache eine Lücke im Kontrollsystem offenkundig. Es sei den beschwerdeführenden Parteien zumutbar gewesen, schon früher eine dichtere Überwachungsmethode einzurichten. Schulungen und die Annahme, die Börsehändler müssten dadurch das normgerechte Verhalten kennen, seien in der Zusammenschau mit den im Tatzeitraum alle zwei Wochen vorgenommenen ex post-Prüfungen nicht ausreichend. Die beschwerdeführenden Parteien hätten somit ein funktionierendes Kontrollsystem, das mit gutem Grund erwarten ließe, damit die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften im gegenständlichen Zusammenhang zur Hintanhaltung von Marktmanipulationen der Börse sicherzustellen, nicht belegen können. Es sei daher im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen gewesen.

Im Weiteren führte die belangte Behörde noch die Erwägungen zur Strafbemessung aus.

1.7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

1.8. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und die Kosten für den Vorlageaufwand verzeichnet.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

2.1. Zur Darstellung der Rechtslage betreffend die börserechtlichen Vorschriften kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0130, verwiesen werden, weil § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a Börsegesetz, BGBl. Nr. 555/1989 idF BGBl. I Nr. 127/2004 durch die Novelle zum Börsegesetz, BGBl. I Nr. 22/2009, nicht geändert wurde.

2.2. Soweit die Frage der Tatbildmäßigkeit der genannten Geschäfte im Hinblick auf § 48c iVm § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa BörseG betroffen ist, gleicht der Beschwerdefall im Wesentlichen dem schon genannten hg. Erkenntnis vom , auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird.

2.2.1. Aus den im genannten Erkenntnis dargelegten Gründen wurde durch die getätigten Geschäfte der zweitbeschwerdeführenden Partei der Tatbestand der Marktmanipulation gemäß § 48c iVm § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa BörseG verwirklicht. Für die hier zugrunde liegenden Wertpapiere, nämlich Stamm- und Vorzugsaktien wurde dies bereits im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0003, judiziert.

2.2.2. Dem Einwand der beschwerdeführenden Parteien, dass die gegenständlichen Crossing-Geschäfte in concreto nicht manipulationsgeeignet seien, kann nicht gefolgt werden. Die von ihnen behauptete ratio, dass Geschäfte, welche der Darstellung eines Kurses dienten, nicht grundsätzlich verpönt seien, wie sich das etwa aus der MpV der FMA ergebe, lässt außer Acht, dass die genannte Verordnung ausdrücklich nur für Kompensgeschäfte in ausgewählten Schuldverschreibungen gilt und solche Wertpapiere nicht Gegenstand der hier angelasteten Kompensgeschäfte waren.

2.2.3. Die beschwerdeführenden Parteien berufen sich ferner auf legitime Gründe für die in Rede stehenden Transaktionen, weil diese in Vorbereitung der Übernahme der Auktionsbetreuung getätigt worden seien. Dem steht allerdings entgegen, dass Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, die falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs geben oder geben könnten, gemäß § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa eine Marktmanipulation darstellen, es sei denn, dass die Person, welche die Geschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, legitime Gründe dafür hatte und dass diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden geregelten Markt verstoßen. Nach § 48a Abs. 1 Z 5 sind als zulässige Marktpraxis Gepflogenheiten zu verstehen, die auf einem oder mehreren Finanzmärkten nach vernünftigen Ermessen erwartet werden und von der FMA durch Verordnung gemäß Abs. 3 leg. cit. anerkannt werden. Für das Vorliegen einer zulässigen Marktpraxis im Sinne des § 48a Abs. 1 Z. 5 BörseG, der Art. 1 Z. 5 der Marktmissbrauchs-RL umsetzt, ist also auch erforderlich, dass eine nach der MpV, BGBl. II Nr. 1/2005, zulässige Marktpraxis vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0175). Da die genannte, von der FMA gemäß § 48a Abs. 3 BörseG erlassene MpV auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar ist, fehlt es an der zulässigen Marktpraxis für die angelasteten Geschäfte, sodass die von den beschwerdeführenden Parteien vorgetragenen legitimen Gründe allein eine Subsumtion unter die Marktmanipulation nach § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa BörseG nicht verhindern können.

2.2.4. Die belangte Behörde konnte sohin zutreffend davon ausgehen, dass von den in Rede stehenden Crossing-Geschäften irreführende Signale im Sinne des § 48a Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa BörseG ausgingen und dafür keine Rechtfertigung vorlag.

2.3. Zur subjektiven Tatseite ist zunächst darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde das von der zweitbeschwerdeführenden Partei nach den gegenständlichen Geschäften eingeführte elektronische Kontrollsystem schon für den Tatzeitraum als zumutbar angesehen hat, um ein zeitnahes Aufdecken der inkriminierten Eingaben zu ermöglichen. Die in der Beschwerde als undurchführbar dargestellte ex ante Kontrolle - also noch vor Durchführung der Geschäfte oder Erteilung der Kauf- bzw. Verkaufsaufträge - wurde von der belangten Behörde weder angesprochen noch implizit verlangt. Dass die beschwerdeführenden Parteien nicht in der Lage gewesen wären, das Mitte 2009 eingeführte dichtere Kontrollsystem schon früher zu installieren, haben sie nicht dargestellt und somit fehlendes Verschulden im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG nicht glaubhaft gemacht.

Damit wird aber keinesfalls eine allfällige Effizienzsteigerung des Kontrollsystems pönalisiert. Diese hätten die beschwerdeführenden Parteien im Rahmen des zumutbaren ohnedies vorzunehmen.

Auf Grund des im Tatzeitraum unzureichenden Kontrollsystems war die belangte Behörde nicht gehalten, auf die in der Berufung vorgetragenen Argumente über die Erkrankung des Wertpapierhändlers S und die daraus von den beschwerdeführenden Parteien abgeleiteten Möglichkeiten für dessen Handlungsmotive einzugehen, weil derartiges Fehlverhalten durch die genannten Überwachung erkannt und zeitnah abgestellt werden soll. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht mit dem behaupteten Verfahrensmangel der unvollständigen Erledigung des Berufungsvorbringens behaftet.

Die belangte Behörde durfte sohin auch von der Erfüllung der subjektiven Tatseite ausgehen.

2.4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (§ 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am