VwGH vom 22.08.2012, 2012/17/0175

VwGH vom 22.08.2012, 2012/17/0175

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/17/0317 E

2012/17/0316 E

2012/17/0361 E

2012/17/0362 E

2012/17/0327 E

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2012/17/0324 E

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2012/17/0328 E

2012/17/0290 E

2012/17/0288 E

2012/17/0313 E

2012/17/0312 E

2012/17/0363 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Finanzamtes Kufstein Schwaz in 6333 Kufstein, Oskar Pirlo-Straße 15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Innsbruck) vom , Zl. RV/0188-I/12, betreffend Energieabgabenvergütung für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 (mitbeteiligte Partei: S GmbH in F, vertreten durch Vogelsberger Hoffmann Prodinger Partner Steuerberatungs GmbH Co KG in 6020 Innsbruck, Olympiastraße 17), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Partei stellte einen am beim beschwerdeführenden Finanzamt eingelangten Antrag auf Vergütung von Energieabgaben für das Wirtschaftsjahr Dezember 2010 bis November 2011.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom gab die Abgabenbehörde dem Antrag teilweise statt. Begründend führte sie aus, dass dem Antrag auf Vergütung von Energieabgaben nicht vollständig entsprochen werden könne, weil gemäß § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Vergütung von Energieabgaben (Energieabgabenvergütungsgesetz), BGBl. Nr. 201/1996 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 (in der Folge: EAVG), ab für Dienstleistungsbetriebe kein Anspruch mehr auf eine Energieabgabenvergütung bestehe. Es könne somit nur noch für den Zeitraum Dezember 2010 ("Rumpfwirtschaftsjahr") eine aliquote Energieabgabenvergütung beansprucht werden. Für die Berechnung wurde 1/12 der beantragten Energieabgabenvergütung angesetzt (Hinweis auf die Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen vom zum Energieabgabenvergütungsgesetz).

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die mitbeteiligte Partei vor, die Bestimmung des § 2 Abs. 1 EAVG in der ab gültigen Fassung verletze sie in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes, wie näher ausgeführt wird.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Partei teilweise Folge und sprach ihr einen Vergütungsbetrag in der Höhe von EUR 4.890,18 zu. Begründend führte sie aus, gemäß § 4 Abs. 7 EAVG trete § 2 leg. cit. in der Fassung der Novelle durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission in Kraft. Nach dem Amtsblatt der Europäischen Union vom handle es sich bei der Einschränkung des § 2 EAVG auf Produktionsbetriebe um eine Beihilfe, die auf der Grundlage der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung), ABl. L 214 vom , Seite 3) gewährt werde. Die Anwendung der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (in der Folge: AGVO) ermögliche einem Mitgliedstaat die sofortige Gewährung einer Beihilfe, ohne dass eine vorherige Anmeldung bei der Kommission erforderlich sei; der Mitgliedstaat müsse die Kommission nur binnen 20 Arbeitstagen ab Inkrafttreten der Beihilfe anhand eines Informationsblattes über die Beihilfe informieren. Nach dem Informationsblatt, das der Kommission übermittelt worden sei, habe die Beihilfe eine Laufzeit vom " - ". Daher habe sich auch eine Genehmigung durch die Europäische Kommission im Sinne des § 4 Abs. 7 EAVG nur auf diese Zeit beziehen können. Damit mangle es aber offenkundig an der Erfüllung des Vorbehalts im Sinne des § 4 Abs. 7 EAVG für den Monat Jänner 2011, weshalb der Berufung in diesem Umfang Folge zu geben gewesen sei.

Mit der vorliegenden, auf § 292 BAO gestützten Amtsbeschwerde macht das beschwerdeführende Finanzamt Rechtswidrigkeit des Inhalts des bekämpften Bescheides insofern geltend, als die Energieabgabenvergütung für den Monat Jänner 2011 gewährt worden sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens zusammen mit einer Gegenschrift vorgelegt, in der sie den Antrag stellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Partei hat gleichfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und ihr Verfahrenskosten zuzusprechen.

Die belangte Behörde hat zu jeder Gegenschrift repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch § 2 Abs. 1 EAVG in der Fassung durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wurden Dienstleistungsbetriebe, die bis dahin einen Anspruch auf Energieabgabenvergütung hatten, hievon ausgeschlossen. § 2 Abs. 1 leg. cit. lautet nunmehr wie folgt:

"(1) Ein Anspruch auf Vergütung besteht nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern."

Maßgebend für die Anwendbarkeit dieses Ausschlusses von der Energieabgabenvergütung und somit für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites ist § 4 Abs. 7 leg. cit.:

"(7) Die §§ 2 und 3, jeweils in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, sind vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen."

Das beschwerdeführende Finanzamt bringt vor dem Verwaltungsgerichtshof vor, unbestritten sei, dass die Energieabgabenvergütung aus unionsrechtlicher Sicht eine Beihilfe sei, die unter die Verordnung (EG) Nr. 800/2008 (AGVO) falle. Nach Art. 25 dieser Verordnung würden bei Vorliegen der dort näher geregelten Voraussetzungen Umweltschutzbeihilferegelungen in Form von Umweltsteuerermäßigungen nach Maßgabe der Richtlinie 2003/96/EG als mit dem gemeinsamen Markt vereinbar gelten und seien daher von der Anmeldepflicht im Sinne des Art. 87 Abs. 3 EGV (richtig wohl: Art. 88 Abs. 3 EGV) (jetzt Art. 107 AEUV (richtig wohl: Art. 108 Abs. 3 AEUV)) ausgenommen. In diesen Fällen genüge es nach Art. 9 der AGVO, dass der betreffende Mitgliedstaat der Kommission binnen 20 Arbeitstagen ab Inkrafttreten einer Beihilferegelung oder Bewilligung einer Ad-hoc-Beihilfe, die nach dieser Verordnung freigestellt sei, eine Kurzbeschreibung der Beihilfemaßnahme auf einem eigens hiefür vorgesehenen Informationsblatt übermittle; die Kurzbeschreibung werde von der Kommission im Amtsblatt und auf der Website veröffentlicht.

Strittig sei, ob die einschränkende Regelung in § 2 Abs. 1 EAVG bereits für den Monat Jänner 2011 gelte; nach Ansicht der belangten Behörde ergebe sich aus dem der Kommission übermittelten Informationsblatt eine Laufzeit der Beihilfe vom bis zum , sodass sich eine Genehmigung durch die Europäische Kommission nur auf diese Zeit beziehen könne und daher die Einschränkung in § 2 Abs. 1 EAVG nur für Vergütungsanträge, die Zeiträume ab dem betreffen, anwendbar sei.

Nach Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes übersehe hier die belangte Behörde, dass es sich nach der Definition des Begriffes "Laufzeit" im Anhang III (Fußnote 3) der AGVO bei dieser Laufzeit um jenen Zeitraum handle, "in dem die Bewilligungsbehörde sich zur Gewährung von Beihilfen verpflichten kann". Dies bedeute, dass die Bewilligungsbehörde während dieser Zeit die Beihilfe gewähren bzw. über einen Antrag auf Zuerkennung der Beihilfe absprechen könne, wobei sie gegebenenfalls auch zu dem Ergebnis gelangen könne, dass die Beihilfe nicht zustehe. Ob aber grundsätzlich ein Anspruch auf Energieabgabenvergütung bestehe bzw. für welche Zeiträume und in welcher Höhe eine solche gewährt werden könne, regle das EAVG im Allgemeinen, sofern "es" genehmigt worden sei. Aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 7 EAVG in der hier anzuwendenden Fassung ergebe sich dazu, dass dieser Vorbehalt nur die - unbestrittene - Genehmigung des § 2 EAVG betreffe, nicht jedoch auch den dort genannten Zeitraum nach dem , da es sich bei diesem nur um den Zeitraum handle, der für die Berechnung der Höhe der Beihilfe heranzuziehen sei.

Sei die Beihilfe daher dem Grunde nach von der Europäischen Kommission genehmigt worden, könne für die weitere Ermittlung des Auszahlungsbetrages auch auf Daten zurückgegriffen werden, die sich aus Zeiträumen ergeben würden, die vor jenem Zeitraum lägen, in dem sich die Bewilligungsbehörde zur Gewährung der Beihilfe verpflichtet habe; dies gelte auch für den Fall der Nichtgewährung der Beihilfe: Stehe die Beihilfe mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen dem Grunde nach nicht zu, dürften bei einer allenfalls noch zu gewährenden Beihilfe Zeiträume nicht mehr berücksichtigt werden, die bereits vom Ausschluss betroffen seien, somit auch Anträge eines Dienstleistungsbetriebes, die sich auf den Monat Jänner 2011 bezögen.

Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass die Kommission dahin informiert wurde, dass die Beihilfe (die Neuregelung durch das Budgetbegleitgesetz 2011) eine Laufzeit vom bis zum habe; diese Information wurde der Kommission auch nicht vor dem übermittelt. Strittig ist, was dieser Umstand im Hinblick auf § 4 Abs. 7 EAVG bedeutet.

Nach dem Wortlaut der soeben genannten Bestimmung ist § 2 leg. cit. vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen. Dies bedeutet, dass die Neuregelung durch § 2 Abs. 1 EAVG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 eben nur dann zur Anwendung kommen soll, wenn eine Genehmigung der Europäischen Kommission (in welcher Form immer) vorliegt. In diesem Sinne heißt es auch in den Materialien (RV 981 Blg 24. GP, 141):

"Voraussetzung für die Anwendung der geänderten Bestimmungen ist die Zustimmung der Europäischen Kommission. Die Änderung tritt für die Verwendung der Energie nach dem in

Kraft. ... Sollte die Änderung von der Europäischen Kommission

nicht genehmigt werden, so bleibt die bisherige Rechtslage unverändert und es haben sowohl Produktionsbetriebe als auch Dienstleistungsbetriebe Anspruch auf eine Energieabgabenvergütung."

Sowohl aus der Wortinterpretation wie auch aus dem historischen Willen des Gesetzgebers ist somit eindeutig ableitbar, dass die Neuregelung des § 2 EAVG nur dann gelten sollte, wenn ein positiver Entscheid der Europäischen Kommission vorliegt; in Ermangelung eines solchen sollte die bisherige Regelung - also eine Energieabgabenvergütung auch für Dienstleistungsbetriebe - fortbestehen. Für den Monat Jänner 2011 liegt jedoch die vom Gesetzgeber für das Inkrafttreten vorausgesetzte Genehmigung jedenfalls nicht vor. Es spielt dabei keine Rolle, ob nach unionsrechtlichen Vorschriften, wie etwa nach der AGVO, nur eine Information der Kommission erforderlich ist, hat doch nach dem eben Gesagten der österreichische Gesetzgeber die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 EAVG in der Fassung durch das Budgetbegleitgesetz 2011 eindeutig von einem positiven Entscheid der Kommission abhängig gemacht, ein solcher ist jedoch für den Zeitraum bis zum wegen der erst nach dem erfolgten Anzeige nicht gegeben. Darüber hinaus liegen auch die unionsrechtlichen Voraussetzungen im Hinblick auf die erst für den Zeitraum ab dem erfolgte Anzeige nach der AGVO nicht vor.

Schon aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war, ohne dass auf die von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens angestellten unionsrechtlichen Überlegungen noch weiter einzugehen gewesen wäre.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am