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VwGH vom 07.10.2013, 2012/17/0063

VwGH vom 07.10.2013, 2012/17/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, Hofrat Mag. Straßegger und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der C AG in Wien, vertreten durch Mag. Eva Hieblinger-Schütz, B.B.A., Rechtsanwältin in 1010 Wien, Annagasse 3 A/22, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom , Zl. FMA-IF25 6300/0034-INV/2011, betreffend Zinsen wegen Überschreitung der Großveranlagungsgrenze, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die belangte Behörde schrieb der beschwerdeführenden Partei mit dem angefochtenen Bescheid nach Erhebung einer Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom für die Überschreitung der Grenze für Großveranlagungen nach § 27 Abs. 15 und 16 Bankwesengesetz (BWG) im Dezember 2010 und im Juni 2011 gemäß § 97 Abs. 1 Z. 6 BWG errechnete Abschöpfungszinsen in der Höhe von EUR 8.520,-- zur Zahlung vor.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei nicht bestreite, die genannte Veranlagungsgrenze überschritten zu haben. Die beschwerdeführende Partei wende sich jedoch mit dem Argument gegen die Anwendbarkeit des § 27 BWG auf den vorliegenden Sachverhalt, dass diese Bestimmung teleologisch dahingehend zu reduzieren sei, dass die Forderungen einer Kapitalanlagegesellschaft, welche diese gegenüber dem eigenen Fonds oder gegenüber einer fremden Kapitalanlagegesellschaft hätte, und die aus ihrer entgeltlichen Verwaltungstätigkeit entstünde, hievon nicht umfasst wären. Dem hielt die belangte Behörde entgegen, dass die genannten Ansprüche der beschwerdeführenden Partei jedenfalls ein Aktivposten gemäß § 27 Abs. 2 Z. 1 BWG in der Bilanz der Kapitalanlagegesellschaft seien und es sich bei dieser Regelung um keine planwidrig überschießende Regelung handle, weshalb unter Bedachtnahme auf die im § 3 Abs. 4 BWG taxativ aufgezählten Ausnahmen von der Anwendung des BWG eine teleologische Reduktion des § 27 BWG nicht zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die beschwerdeführende Partei mit dem Begehren, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die für die Behandlung der Beschwerde relevanten Bestimmungen des Bankwesengesetzes - BWG, BGBl. Nr. 532/1993, lauten:

§ 3 Abs. 4 (idF BGBl. I Nr. 108/2007):

" § 3.

(4) Auf Kreditinstitute, die zum Betrieb des Investmentgeschäfts berechtigt sind, ist § 5 Abs. 1 Z 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass

1. an Stelle von 5 Millionen Euro Anfangskapital 2,5 Millionen Euro treten. Wenn der Wert des Fondsvermögen der Kapitalanlagegesellschaft 250 Millionen Euro überschreitet, muss diese über zusätzliche Eigenmittel (§ 23 Abs. 1 Z 1 und 2) verfügen. Diese zusätzlichen Eigenmittel müssen wenigstens 0,02 vH des Betrags, um den der Wert des Portfolios der Kapitalanlagegesellschaft 250 Millionen Euro übersteigt, betragen. Soweit die auf diese Weise errechneten zusätzlichen Eigenmittel einen Betrag von 2 375 000 Euro nicht übersteigen, muss jedoch kein zusätzliches Kapital zugeführt werden. Maximal müssen 7,5 Millionen Euro an zusätzlichen Eigenmitteln gehalten werden. Für die Zwecke dieser Bestimmung gelten als Portfolios von der Kapitalanlagegesellschaft verwaltete Kapitalanlagefonds einschließlich Kapitalanlagefonds, mit deren Verwaltung sie Dritte beauftragt hat, nicht jedoch Kapitalanlagefonds, die sie selbst in Auftrag Dritter verwaltet; die §§ 22 bis 22q, § 23 Abs. 6, 26, 26a, 39a sowie § 103 Z 9 lit. b sind auf Kreditinstitute mit einer Konzession gemäß § 1 Abs. 1 Z. 13 nicht anwendbar;

2. unabhängig von der Eigenmittelanforderung gemäß Z 1 die Eigenmittel der Kapitalanlagegesellschaft zu keiner Zeit unter den gemäß § 9 Abs. 2 WAG 2007 zu ermittelnden Betrag absinken dürfen.

…"

§ 27 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 15 (idF BGBl. I Nr. 72/2010) samt Überschrift lautet auszugsweise:

" 9. Unterabschnitt: Sonstige Ordnungsnormen Großveranlagungen § 27. (1) Kreditinstitute und Kreditinstitutsgruppen haben das besondere bankgeschäftliche Risiko einer Großveranlagung jederzeit angemessen zu begrenzen. …

(2) Eine Großveranlagung liegt vor, wenn die gemäß Z 1 und 2 berechneten Posten bei einem Kunden oder bei einer Gruppe verbundener Kunden 10 vH der anrechenbaren Eigenmittel des Kreditinstitutes oder der anrechenbaren konsolidierten Eigenmittel der Kreditinstitutsgruppe erreichen und mindestens 500.000 Euro betragen. Bei der Ermittlung von Großveranlagungen sind anzusetzen:

1. Aktivposten, …

(15) Eine einzelne Großveranlagung bei einem Kunden oder einer Gruppe verbundener Kunden darf nach Berücksichtigung der Effekte risikomindernder Techniken gemäß Abs. 6 bis 10 und 13 und unbeschadet der Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes 25 vH der anrechenbaren Eigenmittel des Kreditinstitutes und der anrechenbaren konsolidierten Eigenmittel der Kreditinstitutsgruppe nicht überschreiten. …

…"

§ 97 Abs. 1 Z. 6 (idF BGBl. I Nr. 72/2010):

" 97. (1) Die FMA hat den Kreditinstituten für folgende

Beträge Zinsen vorzuschreiben:

6. 2 vH der Überschreitung der Großveranlagungsgrenzen gemäß § 27 Abs. 15, gerechnet pro Jahr, für 30 Tage, ausgenommen bei Aufsichtsmaßnahmen nach § 70 Abs. 2 oder bei Überschuldung des Kreditinstitutes; dies gilt auch bei Überschreitung der Großveranlagungsgrenze gemäß § 27 Abs. 16 …"

2.2. Unstrittig ist die beschwerdeführende Partei eine Kapitalanlagegesellschaft und damit ein Kreditinstitut gemäß § 1 Abs. 1 Z. 13 BWG. Nach ihrem Vorbringen übernimmt die beschwerdeführende Partei neben der Verwaltung der von ihr selbst aufgelegten Kapitalanlagefonds auch im Rahmen von Auslagerungsverträgen mit anderen in- und ausländischen Kapitalanlagegesellschaften zusätzlich die Verwaltung fremder Kapitalanlagefonds als Fremdmandate, für die sie monatlich "Management- und Performancefees" bezieht. Die beschwerdeführende Partei gesteht auch zu, dass ihre Forderungen aus der entgeltlichen Verwaltungstätigkeit einen Aktivposten gemäß § 27 Abs. 2 Z. 1 BWG darstellen und die in § 27 Abs. 15 normierte Veranlagungsgrenze betragsmäßig überschritten wurde. Da Forderungen aus Lieferungen und Leistungen auf der Aktivseite zu bilanzieren sind (vgl. § 224 Abs. 2 UGB), besteht kein Zweifel, dass die Ansprüche aus der entgeltlichen Verwaltungstätigkeit der beschwerdeführenden Partei einen Aktivposten im Sinn des § 27 Abs. 2 Z. 1 BWG darstellen und vom Wortlaut der genannten Norm erfasst sind.

Die Beschwerde vertritt nun die Auffassung, § 27 BWG sei teleologisch zu reduzieren, weil die Anordnung der Risikostreuung auf die Veranlagung von Kundenvermögen bei Dritten durch klassische Kreditinstitute abziele, aber nicht für erbrachte Dienstleistungen einer Kapitalanlagegesellschaft notwendig oder sinnvoll sei. Bei diesen führe dies vielmehr zu einer gesetzlichen Verdienstobergrenze.

Die Rechtsfigur der "teleologischen Reduktion" (oder Restriktion) verschafft der ratio legis nicht gegen einen zu engen, sondern gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Voraussetzung ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den eigentlich gemeinten Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre. Diese Rechtsfigur setzt jedenfalls das Vorliegen einer planwidrig überschießenden Regelung voraus und hätte dann zur Folge, dass die überschießend geregelten Fallgruppen nicht von der Regelung erfasst würden. Ebenso wie im Zweifel anzunehmen ist, dass das Unterbleiben einer gesetzlichen Regelung beabsichtigt war und insofern keine durch Analogie zu schließende Lücke vorliegt, ist - jedenfalls im Zweifel - auch nicht davon auszugehen, dass die Anwendung einer ausdrücklich getroffenen Regelung vom Gesetzgeber nicht auf alle davon erfassten Fälle - objektiv (insbesondere durch den systematischen Zusammenhang mit der gesamten Regelung des betreffenden Sachbereiches) erkennbar - beabsichtigt war (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/12/0050, mwN).

Der Zweck der Großveranlagungsregelung ergibt sich zunächst aus dem Gesetzeswortlaut selbst, wenn § 27 Abs. 1 Satz 1 BWG anordnet, dass Kreditinstitute das besondere bankgeschäftliche Risiko einer Großveranlagung jederzeit angemessen zu begrenzen haben.

Mit der KWG-Novelle 1986 wurde erstmals eine Begrenzung der Großveranlagungen eingeführt (vgl. M. Schütz in Laurer/Borns/Strobl/M. Schütz/O. Schütz , Bankwesengesetz3, Rz 1 zu § 27). Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (934 BlgNr. 16. GP, 26) barg das relativ geringe Eigenkapitaldeckungsverhältnis der Banken die Gefahr in sich, dass aus dem Kreditrisiko entstehende Ertrags- oder Vermögensverluste der Banken besonders im Falle von Großveranlagungen oder dem Risikogleichlauf mehrerer Veranlagungen sehr leicht in das Fremdkapital der Banken übergreifen, wenn diese nicht vor allem durch ausreichende Erträge oder sonstige Reserven sowie letztlich durch das Haftkapital jeder Bank ausgeglichen werden können. Als Schutzziele wurden nicht nur der Gläubigerschutz, sondern auch der Funktionsschutz genannt und auf empirische Untersuchungen über die Ursachen vergangener Bankinsolvenzen verwiesen, welche die herausragende Bedeutung des Ausfalls von Großveranlagungen als Gründe für Bankinsolvenzen bestätigten.

Die Vorschriften bzw. die Sanktionen betreffend Großveranlagung haben nach der Rechtsprechung den Zweck, durch Sicherung der Liquidität der Kreditinstitute und Risikobegrenzung bei der Kreditvergabe ein funktionierendes Bankwesen mit ausreichendem Gläubigerschutz zu gewährleisten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0006). M. Schütz (in

Laurer/Borns/Strobl/M. Schütz/O. Schütz , Bankwesengesetz3, Rz 1 zu § 27) sieht den Sinn der Bestimmung des § 27 BWG darin, bei den Veranlagungen eines Kreditinstitutes eine gewisse Mindest-Risikostreuung zu gewährleisten, die verhindert, dass ein Kreditinstitut seine Mittel direkt oder indirekt in einigen wenigen Vermögensanlagen bindet und damit seine eigene wirtschaftliche Existenz von deren Bonität abhängig macht. Die damit verbundene Gefahr wird auch als Klumpen- oder Konzentrationsrisiko bezeichnet ( Jergitsch/Siegl/Motter in Dellinger , Bankwesengesetz, Rz 1 zu § 27).

Daraus ergibt sich, dass der Schutzzweck der Großveranlagungsbestimmungen des § 27 BWG auf die Vermeidung des Risikos abzielt, das darin besteht, dass ein klassisches Kreditinstitut Kredite oder Darlehen einem oder wenigen Kunden gewährt und damit von dessen Bonität stark abhängig wird. Doch damit allein ist der Umfang des Schutzzwecks noch nicht abgedeckt, weil der Gesetzgeber nicht nur auf Darlehen oder Kredite abstellt, sondern bereits seit der KWG-Novelle 1986 sämtliche Aktivposten einer Bank erfasst. Dazu zählen auch Forderungen aus Leistungen, wie sie die hier beschwerdeführende Partei erbringt. Auch wenn ein Unternehmen überwiegend derartige Dienstleistungen erbringt, kann das mit der Konzentration auf wenige Gläubiger bestehende Ausfallsrisiko von Forderungen bestehen. Da das BWG über den allgemeinen Gläubigerschutz hinaus auch den Schutz eines funktionierenden Bankwesens verfolgt, liegt eine verdeckte Lücke des § 27 BWG in der Form, dass es keine Ausnahmeregelung für Kapitalanlagengesellschaften gibt, nicht vor, sodass die von der beschwerdeführenden Partei geforderte teleologische Reduktion der genannten Bestimmung nicht vorzunehmen ist.

Schließlich spricht für dieses Ergebnis auch das nach Erlassung des angefochtenen Bescheides in Kraft getretene Investmentfondsgesetz 2011 (in der Folge: InvFG 2011), welches in § 10 Abs. 6 ausdrücklich unter anderem die Einhaltung des § 27 BWG von den Verwaltungsgesellschaften (als welche die beschwerdeführende Partei nunmehr gemäß § 195 Abs. 1 InvFG 2011 gilt) verlangt. Der Gesetzgeber sah dies keineswegs als Neuregelung, sondern wollte damit lediglich Unklarheiten betreffend anwendbare Bestimmungen vermeiden (1254 BlgNr 24 GP, 18).

Das in der Beschwerde dargestellte Rechenbeispiel für eine Forderung aus Verwaltungsentgelt in Höhe von EUR 2,5 Millionen mit einem dafür erforderlichen Eigenmittelbedarf von EUR 10 Millionen vermag ebenso wenig zu überzeugen, wie die von der beschwerdeführenden Partei behaupteten Schwierigkeiten in der Prognose der Höhe der zu erwartenden "Performancefee", weil damit verbundene Unsicherheiten nicht konkret dargestellt wurden und die Vereinbarung des Entgelts Sache der Vertragspartner, also auch der beschwerdeführenden Partei ist, die es somit selbst in der Hand hat, die für die Erstellung von Planrechnungen erforderlichen Grundlagen zu schaffen.

Die belangte Behörde lehnte daher zutreffend im angefochtenen Bescheid die von der beschwerdeführenden Partei gewünschte teleologische Reduktion des § 27 BWG ab. Bei diesem Ergebnis liegt auch der in der Beschwerde geltend gemachte Begründungsmangel nicht vor.

Die der Höhe nach nicht bestrittene Vorschreibung von Zinsen gemäß § 97 Abs. 1 Z. 6 BWG wegen der Überschreitung der Großveranlagungsgrenze des § 27 Abs. 2 Z. 1 und Abs. 15 BWG erfolgte daher zu Recht, sodass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am