VwGH vom 28.03.2012, 2010/08/0234

VwGH vom 28.03.2012, 2010/08/0234

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des D S in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2010-0566-9- 001773, betreffend Anspruch auf Notstandshilfe, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters des Beschwerdeführers Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser und der Vertreterin der belangten Behörde Dr. Reingard Schaler, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.305,70 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice S (in der Folge: AMS) ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer Notstandshilfe ab dem gebühre, da er für die Zeit vom 3. bis Krankengeld erhalten habe und seine persönliche Wiedermeldung nach dem Krankenstand erst am erfolgt sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe sich per bei einer Vertretung seiner Hausärztin krank gemeldet. Am sei ihm von der Ordinationshilfe mitgeteilt worden, dass er per vom Krankenstand abgemeldet sei, was er zur Kenntnis genommen habe; in der von ihm dabei eingesehenen Krankenstandsbestätigung sei "Arbeitsunfähigkeit bestätigt bis " vermerkt gewesen. Um den 13. oder habe der Beschwerdeführer ein Schreiben von der Gebietskrankenkasse mit der Aufforderung zu einem Kontrolltermin erhalten. Nach einem Telefonat mit der Gebietskrankenkasse habe sich herausgestellt, dass er nicht vom Krankenstand abgemeldet sei, woraufhin er zur Geschäftsstelle gegangen sei und dort eine Art Ersatzkrankenschein unterschrieben habe mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit am . Am habe er beim AMS einen vorgesehenen Kontrollmeldetermin gehabt, wo man ihm mitgeteilt habe, dass er sich persönlich hätte zurückmelden sollen. Tatsächlich sei ihm bei gegebener längerer Betreuung durch das AMS noch nie mitgeteilt bzw. sei er noch nie darauf aufmerksam gemacht worden, dass er sich nach einem Krankenstand persönlich zurückmelden müsse, um nicht den Leistungsanspruch zu verlieren. Außerdem würde kein Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestand zwischen 7. und vorliegen; seinem Betreuer sei die Beendigung des Krankenstandes per 6. April ebenso wie die Arbeitslosigkeit vom

7. bis bekannt gewesen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

In ihrer Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf den Leistungsakt, die chronologisch über EDV geführten Aufzeichnungen des AMS und die Angaben des Beschwerdeführers fest, dass der Beschwerdeführer laut Abfrage beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 3. bis Krankengeld bezogen und sich danach am wieder beim AMS gemeldet habe.

In rechtlicher Hinsicht führte sie neben Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen aus, dass sich der Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs. 5 iVm § 58 AlVG nach der Unterbrechung bzw. dem Ruhen des Notstandshilfeanspruches wegen des Krankengeldbezuges vom 3. bis und somit nach einem Zeitraum von weniger als 62 Tagen persönlich wieder beim AMS zu melden gehabt hätte. Die Notstandhilfe stehe ihm erst ab dem Tag der Wiedermeldung nach dem Krankengeldbezug - somit ab - zu, zumal er bei der Geltendmachung von Notstandshilfe am im Leistungsantrag darauf hingewiesen worden sei, dass ihm im Falle der Unterbrechung des Leistungsbezuges wegen Krankheit die Notstandshilfe für den Fall, dass er die Weitergewährung seiner Leistung nicht innerhalb einer Woche nach Ende des Unterbrechungsgrundes neuerlich persönlich bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS beantrage, frühestens ab dem Tag seiner Vorsprache gebühre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Gemäß § 16 Abs. 1 lit. a AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld u.a. während des Bezuges von Krankengeld. Ruht der Anspruch oder ist der Bezug des Arbeitslosengeldes unterbrochen, so gebührt gemäß § 17 Abs. 1 letzter Satz AlVG das Arbeitslosengeld ab dem Tag der Wiedermeldung oder neuerlichen Geltendmachung nach Maßgabe des § 46 Abs. 5 AlVG.

§ 46 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet (auszugsweise):

"(5) Wird der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen oder ruht der Anspruch (§ 16), wobei der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein nicht bekannt ist, so ist der Anspruch auf das Arbeitslosengeld oder auf den Fortbezug neuerlich persönlich geltend zu machen. Wenn der Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum 62 Tage nicht übersteigt, so genügt für die Geltendmachung die persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Die regionale Geschäftsstelle kann die arbeitslose Person vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache entbinden, wenn kein Zweifel an der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung besteht und keine persönliche Abklärung zur Wahrung oder Verbesserung der Vermittlungschancen erforderlich ist. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung.

(7) Ist der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein bekannt und überschreitet die Unterbrechung oder das Ruhen den Zeitraum von 62 Tagen nicht, so ist von der regionalen Geschäftsstelle ohne gesonderte Geltendmachung und ohne Wiedermeldung über den Anspruch zu entscheiden. Die arbeitslose Person ist in diesem Fall im Sinne des § 50 Abs. 1 verpflichtet, den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis oder sonstige maßgebende Änderungen, die im Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum eintreten, der regionalen Geschäftsstelle zu melden. In allen übrigen Fällen ist der Anspruch neuerlich persönlich geltend zu machen."

Auf das Verfahren in Angelegenheiten der Notstandshilfe sind diese Bestimmungen mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Arbeitslosengeldes die Notstandshilfe tritt (§ 58 AlVG).

2. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die belangte Behörde habe - wie schon die Behörde erster Instanz - eine Entscheidung über Notstandshilfe für den Zeitraum "vom 10. bis " abgelehnt. Durch die Annahme eines Versäumnisses der Wiedermeldung habe die Arbeitsmarktverwaltung den Beschwerdeführer eines Anspruches auf Notstandshilfe entledigt, wobei dies ohne bescheidmäßige Erledigung erfolgt sei, welche der Beschwerdeführer aber mit seinem Feststellungsantrag begehrt habe.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass auf Grund des ausdrücklichen Bescheidspruches der Behörde erster Instanz, der mit dem angefochtenen Bescheid bestätigt wurde, Notstandshilfe ab dem gebührt. Im Hinblick auf das diesem Bescheidspruch zugrunde liegende Begehren des Beschwerdeführers ergibt sich aber, dass damit auch ein den Antrag abweisender Ausspruch in Ansehung des Zeitraumes "vom 10. bis " erfolgte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0255, mwN).

Die im Beschwerdepunkt geltend gemachte Verweigerung einer Sachentscheidung liegt daher nicht vor.

3. In der Beschwerde wird im Weiteren in Wiederholung des Berufungsvorbringens eingewendet, dass kein Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestand zwischen 7. und vorgelegen habe, da die Beendigung des Krankenstandes per wie auch die gegebene Arbeitslosigkeit dem AMS bzw. dem Betreuer des Beschwerdeführers "positiv bekannt" gewesen sei und der Beschwerdeführer den schon festgelegten Kontrollmeldetermin am wahrgenommen habe.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe während seines Krankengeldbezuges vom 3. bis geruht und er danach erstmalig wieder am anlässlich des festgesetzten Kontrollmeldetermins beim AMS vorgesprochen hat. Vom Beschwerdeführer wurde im Verwaltungsverfahren weder behauptet, dass dem AMS bzw. seinem Betreuer das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein (also vor dem ) bekannt gewesen sei, noch vorgebracht, dass er von der persönlichen Vorsprache iSd § 46 Abs. 5 AlVG vom AMS entbunden worden sei. Diesbezügliche Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus dem Akteninhalt; selbst wenn die "Krankenstandsdauer bis " nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Kontrollmeldetermins bereits in den chronologischen Aufzeichnungen im Computer des AMS aufgeschienen ist, spricht dies nicht dafür, dass dem AMS das Ende des Krankenstandes im Vorhinein (somit vor dem Ende des Ruhenszeitraums) bekannt gewesen sei (dies wird im Übrigen auch nicht in der Beschwerde behauptet).

Dem Umstand, ob beim AMS bzw. dem Betreuer des Beschwerdeführers das Krankenstandsende zum Zeitpunkt des Kontrollmeldetermin bereits (somit "im Nachhinein", also nach Beendigung des Krankenstandes, aber vor der Wiedermeldung des Beschwerdeführers am ) bekannt gewesen sei, kommt angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts in § 46 Abs. 5 erster Satz AlVG keine Bedeutung zu. Damit kann weder der Beschwerdeeinwand einer diesbezüglichen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes verfangen, noch die Unterlassung der dazu in der Berufung begehrten Einvernahme des Betreuers des Beschwerdeführers beim AMS eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründen.

Ausgehend von den für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichenden Feststellungen und insbesondere bei Berücksichtigung des im Leistungsantrag vom enthaltenen Hinweises auf die Folgen des Unterbleibens einer persönliche Wiedermeldung beim AMS innerhalb einer Woche nach Ende des Ruhens- bzw. Unterbrechungsgrundes iSv § 46 Abs. 5 AlVG, begegnet es auch keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde auf Grund der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Versäumnis der fristgerechten Wiedermeldung (nach dem am beendeten Krankenstand) Notstandshilfe (erst) ab (wieder) zuerkannt hat.

4. Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit von § 46 Abs. 5 letzter Satz AlVG geltend. Der Verwaltungsgerichthof kann die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers gegen diese Bestimmung nicht teilen:

Art. 1 Abs. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (1. ZPEMRK) lautet:

"(1) Jede natürliche oder juristische Person hat ein Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen."

Dazu bringt der Beschwerdeführer insbesondere vor, dass die Anknüpfung der Siebentagefrist des § 46 Abs. 6 (gemeint wohl: 5) AlVG an die von der Behörde festgestellte Unterbrechung und die in das Belieben der Behörde fallende Verständigung des Betroffenen dazu führe, dass in Fällen wie dem seinen auf Grund der Häufigkeit von Krankenständen tendenziell Lücken im Arbeitslosengeldbezug bzw. für die Ersatzzeiten für Pensionsansprüche erzeugt wie auch Versicherungsleistungen nach § 6 Abs. 3 AlVG beseitigt würden; außerdem bestünde keine Nachsichtsmöglichkeit wie in den Fällen des § 10 Abs. 3 AlVG. Die Regelung sei daher gleichheitswidrig und stelle auch eine Verletzung des Eigentumsrechtes im Sinne des Art. 1 1. ZPEMRK dar.

Dem ist entgegenzuhalten, dass es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen, wobei er von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen darf; dass dabei Härtefälle entstehen können, macht eine Regelung noch nicht gleichheitswidrig (vgl. die bei Mayer, B-VG 4. Auflage, S. 572 zu Art. 2 StGG wiedergegebene Rechtsprechung).

Der Gesetzgeber hat in den Fällen des § 46 Abs. 5 AlVG (wenn dem AMS das Ende des Unterbrechungs- bzw. Ruhenszeitraumes nicht schon im Vorhinein bekannt ist und es somit der Ingerenz des Arbeitslosen überlassen ist, dieses dem AMS mitzuteilen) eine Differenzierung dahingehend vorgenommen, dass bei Beendigung eines 62 Tage nicht übersteigenden Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes eine (erleichterte) Geltendmachung von (weiteren) Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in Form einer (grundsätzlichen) persönlichen Wiedermeldung normiert wurde (dies betrifft im Übrigen offenkundig die meisten Krankenstandsfälle). Der Zeitraum von einer Woche zur Wiedermeldung ist bzw. die Sanktionsfolgen in § 46 Abs. 5 letzter Satz AlVG sind sachlich gerechtfertigt, damit sich der Arbeitslose innerhalb angemessener Frist dem AMS zur weiteren Vermittlung wieder zur Verfügung stellt.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Eigentumsrechtes im Sinne des Art. 1 1. ZPEMRK geltend macht, ist ihm zwar zuzustimmen, dass der Europäische Gerichtshof (EGMR) etwa in seiner Entscheidung vom , Gaygusuz gegen Österreich, Nr. 39/1995/545/631, veröffentlicht in JBl 1997, 364 = ÖJZ 1996/37, ausgesprochen hat, dass das Recht auf Notstandshilfe ein vermögenswertes Recht im Sinne dieser Bestimmung ist. Ein Eingriff in das Eigentumsrecht ist aber zulässig, soweit das öffentliche Interesse es verlangt, und zwar unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. Der Beschwerdeführer bringt nicht vor und es ist für den Verwaltungsgerichthof auch sonst nicht erkennbar, inwiefern die - wie schon dargestellt - sachlich gerechtfertigte Regelung des § 46 Abs. 5 letzter Satz AlVG Art. 1

1. ZPEMRK insofern verletzen soll.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, über Ansprüche nach dem AlVG als "civil rights" sei nach Art. 6 Abs. 1 EMRK öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist von einem unabhängigen und unparteiischen auf Gesetz beruhenden Gericht zu entscheiden.

Hinsichtlich dieses Vorbringens kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des Erkenntnisses vom , Zl. 2003/08/0106, verwiesen werden.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet in §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am