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VwGH vom 14.11.2012, 2010/08/0205

VwGH vom 14.11.2012, 2010/08/0205

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der G AG in Wien, bei Einbringung der Beschwerde vertreten durch Mag. Erich Rebasso, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR 1470/08, betreffend Rückforderung zu Ungebühr entrichteter Beiträge gemäß § 69 ASVG (mitbeteiligte Partei:

Wiener Gebietskrankenkasse in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass die von der beschwerdeführenden Gesellschaft in den Jahren 2003 und 2004 für die in der Anlage genannten Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer entrichteten Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in Gesamthöhe von EUR 37.895,52 nicht zu Ungebühr entrichtet worden seien und daher von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht gemäß § 69 Abs. 1 ASVG zurückzuerstatten seien.

Die beschwerdeführende Gesellschaft führe im gebührenpflichtigen Straßennetz der Region Ost (Wien, Niederösterreich und Burgenland) für ihre Auftraggeber Mautkontrollen durch. Die Region sei in die Einsatzgebiete "Mitte", "West" und "Süd" eingeteilt. Die Mautaufsichtsorgane hätten im gegenständlichen Zeitraum ein pauschales Taggeld in der Höhe von EUR 11,-- pro Tag erhalten. Diese Tagesgelder seien von der beschwerdeführenden Gesellschaft als "steuer- und beitragspflichtig" behandelt worden. Eine Überprüfung der Fahrtenbücher, Dienstpläne, Mautüberwachungspläne und Protokolle der Amtshandlungen durch Prüfer des Finanzamtes habe ergeben, dass die Dienstnehmer der Stützpunkte "West" und "Süd" - mit Ausnahme von Schwerpunkteinsätzen - ausschließlich im Einsatzgebiet ihrer jeweiligen Stützpunkte tätig geworden seien. Nur in den Diätenabrechnungen der Dienstnehmer des Stützpunktes "Mitte" seien regelmäßig auch Einsatzorte außerhalb ihres Einsatzgebietes angegeben worden, die mit den sonstigen vom Prüfer des Finanzamtes überprüften Unterlagen nicht übereinstimmten. Die Befragung einiger Dienstnehmer aus dem Einsatzgebiet "Mitte" habe ergeben, dass sie angehalten worden seien, in ihren Diätenabrechnungen fiktive Einsatzorte anzugeben, um den Eindruck zu erwecken, dass sie nicht nur für Schwerpunkteinsätze, sondern regelmäßig in der gesamten Region Ost unterwegs seien. Dies habe den Zweck gehabt, bei einer Überprüfung durch das Finanzamt die Auszahlung von steuerfreien Tagesgeldern zu rechtfertigen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne Mittelpunkt einer Tätigkeit nicht nur ein einzelner Ort, sondern auch ein mehrere Orte umfassendes Einsatzgebiet sein. Dienstnehmer, die ein ihnen konkret zugewiesenes Zielgebiet regelmäßig bereisten, begründeten daher in diesem Einsatzgebiet einen Mittelpunkt der Tätigkeit. Demnach stelle der Aufenthalt an einem Ort (Zielgebiet), der als Mittelpunkt der Tätigkeit eines Steuerpflichtigen angesehen werden müsse, auch keine Dienstreise im Sinn des § 26 Z 4 erster Teilstrich EStG 1988 dar.

Nach den Sachverhaltsfeststellungen könne davon ausgegangen werden, dass ein Mautaufsichtsorgan, das regelmäßig in seinem Einsatzgebiet unterwegs sei, die günstigsten Verpflegungsmöglichkeiten so weit kenne, dass ein Verpflegungsmehraufwand ausgeschlossen werden könne. Das Vorbringen, die Region Ost umfasse "rund 600 km", sei insofern unerheblich, als die Mautaufsichtsorgane eben nicht in der gesamten Region Ost unterwegs seien, sondern lediglich in ihrem Einsatzgebiet, und die günstigsten Verpflegungsmöglichkeiten daher in absehbarer Zeit erreichen könnten.

Im Übrigen habe der unabhängige Finanzsenat mit Bescheid vom die Berufungen der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide vom betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe samt Säumniszuschlag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 2001 bis 2004 als unbegründet abgewiesen. Der unabhängige Finanzsenat habe nach ausführlicher Begründung zusammenfassend ausgeführt, dass in Anbetracht der Sach- und Rechtslage die von der Einspruchswerberin an die Mautaufsichtsorgane unter dem Titel "Tagesgelder" im Streitzeitraum ausbezahlten Beträge, soweit sie für Fahrten im jeweils vorgegebenen Einsatzgebiet geleistet worden seien, keine Reisevergütungen im Sinn des § 26 Z 4 EStG 1988 darstellten.

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die den Mautaufsichtsorganen ausbezahlten Tagesgelder Entgelt im Sinn des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG darstellten und daher beitragspflichtig seien. Aus diesem Grund könnten die dafür von der beschwerdeführenden Gesellschaft entrichteten Beiträge nicht als zu Ungebühr entrichtet angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 49 Abs. 3 Z 1 ASVG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 660, gelten nicht als Entgelt:

"Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlassten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. Unter Tages- und Nächtigungsgelder fallen auch Vergütungen für den bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit an den ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Übernachtungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen uä."

2. Die Beschwerde macht geltend, dass die Mautaufsichtsorgane zwar - mit Ausnahme von Schwerpunkteinsätzen - ausschließlich im Einsatzgebiet ihrer jeweiligen Stützpunkte, sohin im Einsatzgebiet "West", "Mitte" oder "Süd" tätig geworden seien, diese Einsatzgebiete jeweils für sich allein betrachtet aber jedenfalls so groß seien, dass von einer regional eingeschränkten Fahr- bzw. Patrouillentätigkeit und solcherart einem als Mittelpunkt der Tätigkeit zu qualifizierenden Zielgebiet im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Z 4 EStG 1988 nicht die Rede sein könne. Überdies seien die Mautaufsichtsorgane in ihrem Einsatzgebiet in höchst unregelmäßiger Art und Weise tätig, wobei sie auf Grund der Art ihrer Dienstverrichtung keinen Einfluss darauf nehmen könnten, wo sie sich zufällig gerade zu demjenigen Zeitpunkt ihres Dienstes befänden, zu dem eine Pause zwecks Einnahme einer Hauptmahlzeit einzulegen sei. Dazu komme, dass die Vermeidung eines Verpflegungsmehraufwandes überhaupt nur durch ein Abfahren von der Autobahn bewirkt werden könnte, weil die Verpflegungsmöglichkeiten bei den Autobahnraststätten jedenfalls so teuer seien, dass sie einen Verpflegungsmehraufwand bedingen würden.

3. Die in § 49 Abs. 3 Z 1 erster Satz, zweiter Halbsatz ASVG genannten Entgeltbestandteile - darunter die im Beschwerdefall strittigen Tagesgelder - sind nur unter der Voraussetzung vom Entgeltbegriff des ASVG ausgenommen und daher beitragsfrei, dass sie nach § 26 EStG 1988 nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. Bei der Steuerfreiheit handelt es sich insoweit um eine Vorfrage für die Beitragspflicht; sobald eine rechtskräftige Entscheidung der Finanzbehörden vorliegt, ist sie auch für die Sozialversicherungsbehörden im Beitragsverfahren bindend (vgl. - bezogen auf alle Tatbestände im Katalog des § 49 Abs. 3 ASVG, zu deren Erfüllung die Steuerfreiheit der bezüglichen Dienstgeberleistungen erforderlich ist - das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/08/0100, VwSlg. 12.474 A).

4. Im Beschwerdefall hat der unabhängige Finanzsenat mit Bescheid vom die Berufungen der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide vom betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe samt Säumniszuschlag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 2001 bis 2004 als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der "Tagesgelder" führte der unabhängige Finanzsenat in der Bescheidbegründung aus, dass sie, soweit sie für Fahrten im jeweils vorgegebenen Einsatzgebiet geleistet worden seien, in Anbetracht der Sach- und Rechtslage keine Reisevergütungen im Sinn des § 26 Z 4 EStG 1988 darstellten.

Damit lag zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine rechtskräftige finanzbehördliche Entscheidung vor, die die Steuerfreiheit der Tagesgelder verneinte. An diese Entscheidung war die belangte Behörde gebunden. Sie ist daher richtigerweise davon ausgegangen, dass die von der beschwerdeführenden Gesellschaft im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ausgezahlten Tagesgelder mangels Steuerfreiheit zum beitragspflichtigen Entgelt gehörten, sodass keine Beiträge zu Ungebühr entrichtet worden waren.

Der genannte Bescheid des unabhängigen Finanzsenates wurde im Übrigen mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/13/0138, bestätigt. Hinsichtlich der Tagesgelder führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aus, dass im Rahmen der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise zu Recht das Entstehen eines Verpflegungsmehraufwandes verneint worden sei, auch wenn jedes der Einsatzgebiete rund 200 km (gemeint: Länge des patrouillierten Straßennetzes) umfasst haben sollte und die einzelnen Routenplanungen für die Mautaufsichtsorgane nicht immer vorhersehbar gewesen seien. Dies ändere nämlich nichts daran, dass im Wesentlichen eine regelmäßige Fahrtätigkeit in einem lokal eingegrenzten Bereich vorgelegen sei.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am