VwGH vom 19.06.2013, 2012/16/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des K in M/Deutschland, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach, Dr. Erik Kroker, Dr. Simon Tonini, Dr. Fabian Höss und Mag. Harald Lajlar, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12/IV, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. FSRV/0014-I/11, betreffend Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Finanzstrafgesetz iVm § 11 Abs. 1 Mineralölsteuergesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Erkenntnis vom hat das Zollamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am in S. vorsätzlich entgegen den Bestimmungen des § 9 Mineralölsteuergesetz (MinStG) 50 Liter gekennzeichnetes Gasöl verbotswidrig verwendet, indem er das Heizöl in den mit den Motor in Verbindung stehenden Dieseltank seines Fahrzeuges, einen als LKW zugelassenen PKW der Marke "VW LT Bus" mit einem näher genannten amtlichen deutschen Kennzeichen eingefüllt und als Treibstoff verwendet und dadurch eine Verkürzung an Mineralölsteuer bewirkt. Er habe dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 11 Abs. 1 und 3 MinStG iVm § 33 FinStrG begangen. Gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG iVm § 11 Abs. 3 MinStG wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage); gemäß § 19 Abs. 1 lit. a iVm § 33 Abs. 6 FinStrG wurde für 50 Liter gekennzeichnetes Gasöl statt auf Verfall auf Wertersatz in Höhe von EUR 36,-- (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag) erkannt.
Dagegen hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben. Zu der von der belangten Behörde anberaumten mündlichen Verhandlung am ist der Beschwerdeführer nicht gekommen. Das zuständige Finanzsenatsmitglied hat im Protokoll über die mündliche Verhandlung festgehalten, dass der Beschwerdeführer nicht erschienen sei und die Zustellung der Ladung durch Hinterlegung bei der Poststelle M ausgewiesen sei.
Die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Begründend hat die belangte Behörde - zusammengefasst - das Finanzvergehen als erwiesen angenommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Finanzstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ausschließlicher Beschwerdegrund ist die Behauptung des Beschwerdeführers, die Ladung für die mündliche Verhandlung bei der belangten Behörde am sei ihm nicht wirksam zugestellt worden. Die Ladung sei mit internationalem Rückscheinbrief aufgegeben worden. Von der deutschen Post sei am ein Zustellversuch der eigenhändig zu übernehmenden Ladung zur Berufungsverhandlung unternommen worden. Der Beschwerdeführer sei nicht angetroffen worden, weshalb eine Benachrichtigung zurückgelassen worden sei, wonach die Ladung beim Postamt M zur Abholung hinterlegt worden sei. Die Ladung sei, als der Beschwerdeführer sie noch am habe abholen wollen, dort nicht auffindbar gewesen. Bereits nach drei Werktagen am sei das Schriftstück an die belangte Behörde zurückgestellt worden. Nach den hier anzuwendenden deutschen Zustellvorschriften sei nicht die Wirkung einer Zustellung eingetreten, weshalb der Beschwerdeführer im Recht auf Gehör verletzt sei.
Die belangte Behörde geht in der Gegenschrift auf den Zustellvorgang nur insofern ein, als sie anmerkt, für sie sei nicht ersichtlich gewesen, dass der Beschwerdeführer die Ladung am habe abholen wollen bzw. dass diese beim Postamt M nicht auffindbar gewesen wäre. Das Schriftstück sei jedenfalls dort insoweit auffindbar gewesen, als es der belangten Behörde als "nicht abgeholt" retourniert worden sei.
Im vorgelegten Finanzstrafakt der belangten Behörde findet sich ein an den Beschwerdeführer adressiertes Kuvert mit seiner Anschrift in Deutschland, das offensichtlich die Ladung der belangten Behörde zur mündlichen Verhandlung vom enthält. Handschriftlich ist auf dem Kuvert vermerkt "Eigenhändig!". Nach einem Stampiglienabdruck wurde das Schreiben am in Innsbruck zur Post gegeben. Einem am Kuvert als Klebezettel befestigtes "Benachrichtigungslabel" der deutschen Post kann man entnehmen, dass das Schreiben am nach einem Zustellversuch in der Postfiliale M hinterlegt wurde, was auch mit den Vorbringen des Beschwerdeführers und der belangten Behörde übereinstimmt. Nach einem weiteren am Kuvert befestigten Klebezettel wurde die Ladung am mit dem Vermerk "Nicht abgeholt" der belangten Behörde zurückgesandt, was die belangte Behörde nicht in Abrede stellt.
Unabhängig davon, ob - wie in der Beschwerde im Rahmen des Sachverhaltes behauptet wird - die Ladung beim Postamt M am nicht auffindbar gewesen ist, erweist sich der Zustellvorgang aus folgenden Gründen als unwirksam:
Gemäß § 11 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.
Die in Frage kommende Vereinbarung (Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten, BGBl. Nr. 430/1971, Art. 7 Abs. 1) sowie die im Beschwerdefall noch maßgebliche Verordnung (EG) Nr. 2073/2004 des Rates vom über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern ABl. EU Nr. L 359, Art. 14, ordnen die Zustellung behördlicher Schriftstücke nach den im Zustellstaat geltenden Rechtsvorschriften an.
Nach § 4 des deutschen Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) kann ein Dokument durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe oder mittels Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden (Abs. 1). Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein. Im Übrigen gilt das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (Abs. 2).
Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, übergibt die Behörde gemäß § 3 VwZG der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde. Für die Ausführung der Zustellung gelten nach Abs. 2 leg. cit. die §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung entsprechend. Im Fall des § 181 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann das zuzustellende Dokument bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden oder bei der Behörde, die den Zustellungsauftrag erteilt hat, wenn sie ihren Sitz an einem der vorbezeichneten Orte hat.
§ 181d ZPO folgend kann, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 (Ersatzzustellung in Gemeinschaftseinrichtungen an den Leiter der Einrichtung oder einen dazu ermächtigten Vertreter) oder § 180 (Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten) nicht ausführbar ist, das zuzustellende Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden. Wird die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt, ist das zuzustellende Schriftstück am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle niederzulegen. Über die Niederlegung ist eine schriftliche Mitteilung auf dem vorgesehenen Formular unter der Anschrift der Person, der zugestellt werden soll, in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn das nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften. Das Schriftstück gilt mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.
Nach § 181 Abs. 2d ZPO ist das niedergelegte Schriftstück drei Monate zur Abholung bereitzuhalten. Nicht abgeholte Schriftstücke sind danach an den Absender zurückzusenden.
Dem rechtswidrigen Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung ist es gleichzuhalten, wenn zwar eine Verhandlung durchgeführt worden ist, der Partei aber die Ladung zur Verhandlung nicht wirksam zugestellt wird.
Gemäß § 160 Abs. 1 lit. b) FinStrG ist außerhalb eines Senatsverfahrens über eine Berufung nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, wenn dies der Berufungswerber in der Berufung beantragt hat oder wenn es die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz für erforderlich hält.
Anders als die belangte Behörde in der Gegenschrift darstellt, kann die Erklärung des unvertretenen Beschwerdeführers in der Berufung, er möchte sich bei einer eventuellen Hauptverhandlung ausführlich erklären, nur als entsprechender Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gewertet werden.
Wie aus den Ausführungen in der Gegenschrift weiter hervorgeht, hat die belangte Behörde in der Annahme, es liege kein wirksamer Antrag des Beschwerdeführers vor, den Zustellvorgang der Ladung an den Beschwerdeführer gar nicht geprüft. Dadurch hat sie aber den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am