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VwGH vom 09.10.2006, 2005/09/0094

VwGH vom 09.10.2006, 2005/09/0094

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/4, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 3/08114/2445072/2005, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Betriebes, welcher sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Leder- und Latexbekleidung beschäftigt.

Mit Antrag vom beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für einen namentlich bezeichneten kolumbianischen Staatsangehörigen für die berufliche Tätigkeit "Modellentwicklung und Consulting, Design, Kontaktperson zu Fabriken in Bogota" für eine Bruttoentlohnung von EUR 300,-- pro Monat bei Teilzeitbeschäftigung von sieben Wochenstunden. Als spezielle Kenntnisse wurde "Bekleidungsdesign, Materialien Leder und Latex, Sprachen: Spanisch, Englisch, Deutsch, Kenntnisse der kolumbianischen Geschäftsgepflogenheiten vor Ort, Aufenthalt in Bogota" angegeben.

Diesen Antrag wies das regional zuständige Arbeitsmarktservice mit Bescheid vom gemäß § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung im Wesentlichen mit dem Hinweis, die dem Antrag zu Grunde liegende, von dem Ausländer zu erbringende Arbeitsleistung sei eine "überwiegend künstlerische Tätigkeit" im Sinne des § 4a AuslBG. Bei der Tätigkeitsbeschreibung im Antrag ("Modellentwicklung/Design") bzw. im Hinblick auf den Geschäftszweig des Beschwerdeführers ("Bekleidungsdesign") handle es sich um den Berufszweig der "Modeschöpfer", der in den Materialien zu § 4a AuslBG ausdrücklich genannt werde. Damit erübrige sich die nähere Darlegung des künstlerischen Charakters einer solchen Tätigkeit. Gleichzeitig wurde die Vorlage einer detaillierten Tätigkeitsbeschreibung und entsprechender Befähigungsnachweise (Hochschul- und sonstige Zeugnisse, sowie Referenzen) als Beweismittel ausdrücklich angeboten.

Im Zuge der Ergänzung des Berufungsverfahrens forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Schreiben vom auf, bezüglich der Kollektion Prospekte vorzulegen, die einen Rückschluss "auf den Zeitraum, den Antragsteller sowie den Umfang der Produkte" ermöglichten. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, glaubhaft zu machen, in welchem Umfang jeweils künstlerische Arbeiten bzw. kaufmännische Tätigkeiten anfielen. Im Hinblick auf das Erfordernis eines Aufenthaltes in Bogota werde seitens der belangten Behörde davon ausgegangen, dass dieses zum angegebenen Beschäftigungsausmaß sowie zum vereinbarten Entgelt in einem auffallenden Widerspruch stehe (mit Hinweis auf § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG). Ferner wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, hinsichtlich der Qualifikationen als Designer die bisherige Ausbildung des Ausländers - Teilprüfungen an der Hochschule für angewandte Kunst - und Praxis glaubhaft nachzuweisen.

Mit seiner Stellungnahme vom legte der Beschwerdeführer eine Leistungsbeschreibung des in Rede stehenden Arbeitsplatzes sowie ein Konvolut von Modeskizzen des Ausländers vor, korrigierte seine in der Berufung enthaltene Angabe, der Ausländer wäre Student der Modeklasse an der Wiener Hochschule für Angewandte Kunst, dahingehend, dass dieser tatsächlich am Konservatorium der Stadt Wien Sologesang studiere und einer Tanzausbildung nachgehe, die einen engen Bezug zur vorgesehenen Designertätigkeit aufweise, und verwies auf eine Liste im weiteren einzeln aufgezählter Bühnenproduktionen, die durch sein Unternehmen ausgestattet worden seien.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 3 Z. 4 und § 4a AuslBG keine Folge gegeben.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage kam die belangte Behörde zu dem Schluss, der Ausländer sei in der Stellungnahme mangels Ausbildung im beantragten Beruf als Autodidakt bezeichnet worden. Generell gesehen sei für eine Vielzahl von Berufen ein besonderes Interesse, eine besondere schöpferische Begabung und auch ein besonderes Können erforderlich, ohne dass diese Tätigkeiten bereits der Kunst zugeordnet werden könnten. Betreffend den Ausländer sei nicht vorgebracht worden, dass dieser als Künstler bereits anerkannt und öffentlich bekannt oder etwa bereits selbst im Rahmen von Ausstellungen oder Veranstaltungen einem Ruf als Modeschöpfer gerecht geworden sei. Berücksichtige man, dass auch in anderen Berufen, etwa beim Architekten, eine besondere schöpferische Begabung erforderlich sei, ohne dass diese Berufe bereits der Kunst zuzuordnen seien, könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Vorlage der Skizzen über eng anliegende erotische Bekleidung schon die Kunstausübung nachgewiesen worden sei, zumal für die Ausübung eines Berufes als Designer auf keine adäquate Ausbildung verwiesen habe werden können. Es habe auch nicht davon ausgegangen werden können, dass die Gewähr gegeben sei, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalte. Es wurde weder die Zugehörigkeit zum Personenkreis gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG festgestellt, noch in der Berufung vorgebracht. Die besonderen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 5 AuslBG für die Zulassung als Schlüsselkraft lägen nicht vor. § 4 Abs. 6 AuslBG stehe somit unabhängig von weiteren Erteilungsvoraussetzungen bereits der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht den überwiegend künstlerischen Charakter der Tätigkeit des Ausländers geltend. Dabei sei die Erbringung eines "Qualitätsnachweises" nicht erforderlich. Vielmehr sei in den Materialien zu § 4a AuslBG der "Modeschöpfer" ausdrücklich genannt, wobei es sich dabei lediglich um einen Oberbegriff bzw. Synonym für "Modellentwickler und Bekleidungsdesigner" handelte. Insoweit die belangte Behörde bemängle, es sei nicht vorgebracht worden, dass der Ausländer als Künstler bereits öffentlich anerkannt wäre, sei auf die Stellungnahme vom verwiesen, wonach der Ausländer bereits für den Lifeball 2004 die Kostüme des Wiener Staatsopernballetts für die Eröffnung gestaltet und entworfen habe. Im Übrigen sei es unrichtig, dass nur öffentlich bereits anerkannte Künstler mit Verkehrsgeltung von der Ausnahmebestimmung des § 4a AuslBG erfasst seien, weil sich eine Differenzierung zwischen etablierter und erst im Entstehen begriffener Kunstausübung weder aus dem Gesetzestext noch aus den Materialien zu dieser Bestimmung ergäben. Weiters entspreche es weder dem Gesetz, noch dem allgemeinen Sprachgebrauch den Kunstbegriff danach zu definieren bzw. differenzieren, ob ein Künstler über eine einschlägige Ausbildung verfüge oder nicht. Der von der belangten Behörde herangezogene Vergleich mit dem Architektenberuf gehe im Hinblick auf den Verweis der Materialien zu § 4a AuslBG auf den Modeschöpfer bereits fehl. Insoweit die belangte Behörde den Nachweis der Ausübung von Kunst durch die Vorlage der Skizzen über "enganliegende erotische Bekleidung" als nicht erbracht angesehen habe, verkenne sie das Wesen der "Kunst" und dem Willen des Gesetzgebers, der klargestellt habe, dass weder eine Urteilsbildung über den Wert der künstlerischen Tätigkeit, noch über die künstlerische Qualität des Künstlers erfolgen dürfe. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, weshalb in der Schöpfung eng anliegender erotischer Bekleidung keine künstlerische Betätigung zu sehen sein sollte. Ein "Kunsturteil" stehe der Behörde nicht zu. Abgesehen davon sei aber auch nicht ersichtlich, welche Bedenken im Sinne einer den kollektivvertraglichen Bestimmungen entsprechenden Entlohnung des beantragten Ausländers bestehen sollten. Dieser sei Student, die in Aussicht genommene Beschäftigung lediglich geringfügiger Natur. Insoweit Tätigkeiten in Kolumbien zu entfalten seien, würden Heimataufenthalte hiefür genützt, es fänden keine Dienstreisen im eigentlichen Sinn statt. Letztlich sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer lediglich kleinere Kollektionen für einen nicht besonders großen, wenn auch internationalen Markt produziere, und der beantragte Ausländer die Möglichkeit erhalte, einen Teil seiner Studienkosten selbst tragen zu können bzw. auch in der Modewelt weiter Fuß zu fassen.

Gemäß § 4 Abs. 3 Z. 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes BGBl. Nr. 218/1975 - AuslBG, in der Fassung BGBl. I Nr. 28/2004, darf die Beschäftigungsbewilligung - abgesehen von den in Abs. 1 leg. cit. genannten allgemeinen Voraussetzungen - nur erteilt werden, wenn die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält.

Die belangte Behörde hat die Versagung der beantragten Beschäftigungsbewilligung - neben allgemein gehaltenen Bedenken gegen die Einhaltung der "Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften" - darauf gestützt, dem Ermittlungsverfahren sei eine "überwiegend" künstlerische Tätigkeit des Ausländers im Sinne des § 4a AuslBG nicht zu entnehmen gewesen.

Gemäß § 4a Abs. 1 AuslBG darf die Beschäftigungsbewilligung für einen Ausländer, dessen unselbständige Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist, auch bei Fehlen der Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 nur versagt werden, wenn die Beeinträchtigung der durch dieses Bundesgesetzes geschützten öffentlichen Interessen unverhältnismäßig schwerer wiegt als die Beeinträchtigung der Freiheit der Kunst des Ausländers. Bei der Abwägung gemäß Abs. 1 ist nach Abs. 2 dieser Bestimmung insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass durch die Versagung der Beschäftigungsbewilligung dem Ausländer eine zumutbare Ausübung der Kunst im Ergebnis nicht unmöglich gemacht wird. Dabei darf weder ein Urteil über den Wert der künstlerischen Tätigkeit, deren unselbständige Ausübung beantragt wurde, noch über die künstlerische Qualität des Künstlers, für den die Beschäftigungsbewilligung beantragt wurde, maßgebend sein. Bei begründeten Zweifeln ist nach Abs. 3 dieser Bestimmung die Voraussetzung der künstlerischen Tätigkeit des Ausländers im Sinne des Abs. 1 glaubhaft zu machen.

Wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, bedarf es zur Beurteilung, ob eine künstlerische Tätigkeit überhaupt vorliegt, weder der Erbringung eines Qualitäts- noch eines Ausbildungsnachweises (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/09/0294). Eine solche Tätigkeit unterliegt auch nicht dem Werturteil der Behörde.

Der Beschwerdeführer hat auch entgegen der Einschätzung der belangen Behörde im Verwaltungsverfahren, insbesondere durch die auftragsgemäß vorgelegte Stellenbeschreibung, ausreichend glaubhaft gemacht, dass der Ausländer für Entwürfe und Design tätig werden soll, ihm also "kaufmännische Angelegenheiten" nicht übertragen werden sollen. Lediglich das Abstimmen neuer Materialien in Südamerika soll zu seinem Aufgabenbereich gehören, wobei die Verwendung bestimmter Materialien in die künstlerische Tätigkeit ununterscheidbar einfließt. Dass nach Angaben des Beschwerdeführers der in Bogota als Rechtsanwalt tätige Vater des Ausländers "Garant für einen reibungslosen Ablauf der Produktion und der kaufmännischen Belange" sei, ist nicht unmittelbarer und in die nach § 4a Abs. 1 AuslBG vorzunehmende Interessenabwägung einzubeziehender Gegenstand seines Arbeitsvertrages, sondern allenfalls Motiv für seine Anstellung.

Im Übrigen hat die belangte Behörde nicht begründet, weshalb sie Bedenken gegen die Höhe des mit EUR 300,-- brutto vorgesehenen Entgelts für 7 Wochenstunden hegte.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am