VwGH vom 18.03.2013, 2012/16/0068

VwGH vom 18.03.2013, 2012/16/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des F in N, vertreten durch die JURA Rechtsanwälte Denkmayr Partner OEG Dr. Georg Schwarzmayr-Lindinger in 4950 Altheim, Stadtplatz 12, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Finanzen vom , Zl. BMF-010105/0355-VI/3/2011, betreffend Nachsicht gemäß § 187 FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem an das Zollamt Linz-Wels gerichteten Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 187 FinStrG unter anderem die Nachsicht der über ihn verhängten Geldstrafe.

Begründend führte der Beschwerdeführer in seinem Antrag aus, es sei ihm mit Schreiben des Zollamtes vom ein fälliger und vollstreckbarer Abgabenrückstand in Höhe von EUR 16.100,22 bekannt gegeben worden. Vom Beschwerdeführer seien in den letzten fünf Jahren Eingangsabgaben in der Höhe von EUR 20.440,22 durch zwangsweise Einbringungsmaßnahmen (Pensionspfändung, AUVA-Pfändung mit anschließender Zusammenrechnung) einbringlich gemacht worden. Die EUR 16.100,22 seien ein Rückstand am Strafkonto, denen rechtskräftige Bescheide des Finanzamtes zu Grunde lägen. Allerdings gefährde die Einbringung der Forderung den Beschwerdeführer in seiner Existenz. Der Beschwerdeführer sei Alleineigentümer der Liegenschaft XY, die mit zahlreichen exekutiv sichergestellten Forderungen zugunsten diverser Gläubiger belastet sei. Zur Vermeidung eines Zwangsversteigerungsverfahrens sei der Beschwerdeführer gehalten, die Forderung der hypothekarisch besicherten weiteren Gläubiger durch monatliche Zahlungen zu tilgen. Im selben Umfang sei er auch bemüht, die Forderungen des Finanzamtes entsprechend zu tilgen. Darüber hinaus bestehe hinsichtlich der Liegenschaft dringend Sanierungsbedarf, weil insbesondere das Dach undicht sei und das Haus dringend verputzt werden müsste. Wegen der jahrelangen Pfändungen auf das Existenzminimum habe der Beschwerdeführer keinerlei Möglichkeit gehabt, hier geeignete Rückstellungen für diese Tätigkeiten durchzuführen. Der Beschwerdeführer sei 76 Jahre alt und zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Lebens angehalten, diese dringend notwendigen Sanierungen nunmehr durchzuführen, insbesondere auch in Anbetracht des Umstandes, dass es in den Wintermonaten kalt im Haus sei und es durch das schadhafte Dach auch zu Wassereintritt komme. Die Zwangsvollstreckung des gegenständlichen Straferkenntnisses würde zu einer ungebührlichen Beeinträchtigung der Menschenwürde und der Lebensqualität des 76 jährigen Einschreiters führen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das Ansuchen um gnadenweise Nachsicht der mit EUR 6.972,79 aushaftenden Geldstrafe und der mit EUR 8.000,-- zur Gänze aushaftenden Strafe des Wertersatzes abgewiesen.

Begründend gab die belangte Behörde die Rechtslage und kursorisch den Inhalt des Ansuchen des Beschwerdeführers wieder und führte aus, die Tatsache, dass jemand aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus die rechtskräftig verhängte Geldstrafe nicht bezahlen könne, stelle für sich allein keinen gnadenwürdigen Umstand dar. Der Gesetzgeber habe für diesen Fall den Vollzug der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen. Die dem Finanzstrafverfahren zu Grunde liegenden Abgabennachforderungen hätten zwangsweise eingebracht werden können. Die Geldstrafe hafte jedoch mit rund 87 %, die Strafe des Wertersatzes zur Gänze unberechtigt aus. Die vollständige Schadensgutmachung könne im Zusammenhalt mit der schlechten wirtschaftlichen Lage als gnadenwürdiger Umstand im Sinne des Gesetzes gewertet werden. Einer Gnadenmaßnahme könne dennoch aus folgenden Gründen derzeit nicht näher getreten werden: Die gegenständliche Geldstrafe sei mit Erkenntnis des unabhängigen Finanzsenates vom rechtskräftig verhängt worden. Es entspreche nicht dem Zweck der Strafrechtspflege, verhängte Strafen kurze Zeit nach Rechtskraft wieder gnadenweise nachzusehen. Der Gnadenentscheidung seien auch general- und spezialpräventive Überlegungen zu Grunde zu legen. Das bedeute, dass sowohl andere als auch der Gnadenwerber selbst von der Begehung (weiterer) Finanzvergehen abgehalten werden sollten. Auf Grund des fortgeschrittenen Alters des Gnadenwerbers sowie der Tatsache, dass sich dieser seit der Begehung der gegenständlichen Finanzvergehen wohlverhalten habe, sei spezialpräventiven Überlegungen kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Eine gnadenweise Nachsicht zum jetzigen Zeitpunkt würde jedoch vor allem generalpräventiven Gesichtspunkten zuwider laufen, da gerade bei Zollvergehen mit Zigaretten generalpräventiven Erfordernissen besondere Bedeutung zukomme.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 187 FinStrG kann das Bundesministerium für Finanzen bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände über Ansuchen des Bestraften durch die Finanzstrafbehörden verhängte Strafen ganz oder teilweise nachsehen oder Freiheitsstrafen in Geldstrafen umwandeln.

Nach der Rechtsprechung ist die Feststellung des Vorliegens berücksichtigungswürdiger Umstände keine Frage des Ermessens, sondern der objektiven Sachverhaltsermittlung.

Berücksichtigungswürdig sind alle Gründe, die eine mildere Beurteilung der Tat erlauben. Dabei sind bei der Beurteilung der Berücksichtigungswürdigkeit aller die Sache als solche und die Person des Bestraften betreffenden Umstände, somit auch der schon im Strafverfahren gewürdigten Tatelemente, an sich keine Schranken gesetzt, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass der Gnadenweg eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ersetzen oder vorwegnehmen darf. Hat die Behörde nach Ermittlung des Sachverhaltes berücksichtigungswürdige Umstände festgestellt, ist ihr der Weg zu der in weiterer Folge zu treffenden Ermessensentscheidung eröffnet, welche sich in den Grenzen halten muss, die das Gesetz dem Ermessen zieht, wobei § 187 FinStrG der Behörde einen besonders weiten Ermessenspielraum zur Verfügung stellt. Bei der Ermessensentscheidung hat die Behörde die allgemeinen Rechtsgrundsätze von Billigkeit (Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei) und Zweckmäßigkeit (Angemessenheit in Bezug auf das öffentliche Interesse) unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu beachten. Hierbei sind auch die Gesichtspunkte der General- und der Spezialprävention in die Beurteilung miteinzubeziehen. Bei einer dem Gesetz entsprechenden Ermessensübung ist zu beachten, dass die Bestimmung des § 187 FinStrG eine dem Träger des Gnadenrechts eigene Befugnis begründet, da helfend und korrigierend einzugreifen, wo die Möglichkeiten des behördlichen Finanzstrafverfahrens nicht genügen. Die gnadenweise Nachsicht von rechtskräftig durch die Finanzbehörden verhängten Strafen bietet die Möglichkeit, etwaige Fehler bei der Entscheidung zu beseitigen, Härten zu mildern und den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles gerecht zu werden (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2010/16/0044, mwN).

Strebt ein rechtskräftig Verurteilter die gnadenweise Nachsicht der über ihn verhängten Strafe an, dann ist es seine Aufgabe, im Gnadenansuchen das Vorliegen der vom Gesetz dafür vorausgesetzten berücksichtigungswürdigen Umstände zu behaupten (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/13/0136).

Der Beschwerdeführer hat in seinem Ansuchen vom als berücksichtigungswürdigen Umstand seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die davon abhängigen notwendigen Reparaturarbeiten an seinem Haus geltend gemacht. Zudem hat er auf sein Alter von 76 Jahren verwiesen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid als den Beschwerdeführer zum Vorteil gereichende berücksichtigungswürdige Umstände festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Schaden vollständig gut gemacht habe und dies im Zusammenhalt mit seiner schlechten wirtschaftlichen Lage als gnadenwürdiger Umstand gewertet werden könne. Außerdem seien spezialpräventiven Überlegungen auf Grund des fortgeschrittenen Alters des Beschwerdeführers sowie der Tatsache, dass sich dieser seit der Begehung der gegenständlichen Finanzvergehens wohl verhalten habe, kein entscheidendes Gewicht beizumessen. Allerdings würde eine gnadenweise Nachsicht zum jetzigen Zeitpunkt (rechtskräftige Verhängung der Strafe mit Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom ) vor allem generalpräventiven Gesichtspunkten zuwiderlaufen, da gerade bei Zollvergehen mit Zigaretten generalpräventiven Erfordernissen besondere Bedeutung zukomme.

Die belangte Behörde hat demnach ausschließlich Überlegungen zur Generalprävention zur Begründung ihrer abweisenden Entscheidung herangezogen, ohne sich jedoch wertend mit den für den Beschwerdeführer sprechenden Tatsachen auseinander zusetzen und ohne die weiteren konkret geltend gemachten Umstände hinsichtlich der Wohnsituation des Beschwerdeführers (dringend notwendige Sanierungsarbeiten an seinem Haus, schadhaftes Dach, Wassereintritt) berücksichtigt und einer Wertung unterzogen zu haben. Zudem liegen aktenkundig weitere allenfalls zu berücksichtigende Umstände vor, wie auch in der Beschwerde vorgebracht, nämlich dass das strafbare Verhalten nahezu zehn Jahre zurückliege und das Verfahren mehr als sieben Jahre gedauert habe.

Geht man davon aus, dass auch diese Umstände als für den Beschwerdeführer berücksichtigungswürdig zu werten sind, keine spezialpräventiven Überlegungen gegen eine Nachsicht sprechen, die vollständige Schadensgutmachung dem Beschwerdeführer zu Gute zu halten ist und grundsätzlich allein generalpräventive Absichten die abweisende Ermessensentscheidung noch nicht hinreichend zu begründen vermögen (vgl. das zitierte Erkenntnis vom ), wäre die belangte Behörde verhalten gewesen, auch auf die angesprochenen Umstände bei ihrer Ermessensentscheidung Bedacht zu nehmen und wertend gegenüber zu stellen.

Der angefochtene Bescheid war daher zufolge der unzureichenden Begründung der Ermessensübung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am