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VwGH vom 27.09.2012, 2012/16/0066

VwGH vom 27.09.2012, 2012/16/0066

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/16/0085 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes Baden Mödling, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/3004-W/11, betreffend Familienbeihilfe für August bis Oktober 2010 (mitbeteiligte Partei: O in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt einen Antrag der in der Slowakei wohnhaften Mitbeteiligten auf "Ausgleichszahlung" für ihre drei minderjährigen Kinder hinsichtlich des Zeitraumes von August bis Oktober 2010 ab. Die Mitbeteiligte habe im August und September 2010 keine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt und vom 9. bis Frau G.B. betreut. Für August und September 2010 bestehe daher mangels Vorliegen einer tatsächlichen Beschäftigung kein Anspruch auf Ausgleichszahlung; bei der Beschäftigung vom 9. bis bedeutet dies, dass infolge des Zuständigkeitswechsels während des Kalendermonats Oktober der zu Beginn des Kalendermonats zuständigen Staat (Slowakei) bis zum Monatsende die Familienleistungen zu erbringen habe. Daher bestehe auch für Oktober 2010 kein Anspruch auf Ausgleichszahlung in Österreich.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Mitbeteiligte vor, sie habe ihre gewerbliche Tätigkeit in den Monaten August und September nicht ausüben können, habe aber die ganze Zeit ein aktives und rechtmäßiges Gewerbe in Österreich gehabt und sich in einer der selbständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellten Situation befunden. Sie habe dann nach diesen zwei Monaten die gewerbliche Tätigkeit als Personenbetreuerin wieder aufgenommen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Voraussetzung für den Anspruch auf "Ausgleichszahlung" sei die tatsächliche Ausübung der selbständigen Tätigkeit. Die Meldung bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft alleine entspreche nicht der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit.

In dem mit Schriftsatz vom dagegen eingebrachten Vorlageantrag führte die Mitbeteiligte aus, sie habe in Österreich das ganze Jahr 2010 ein aktives und rechtmäßiges Gewerbe inne gehabt und sei ununterbrochen nur den österreichischen Rechtsvorschriften unterlegen. Sie habe die Beiträge zur Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft geleistet. Der Besitz eines rechtmäßigen Gewerbes entspreche mindestens der Absicht zur Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit, wobei es sich in ihrem Fall nicht nur um Absicht gehandelt habe, denn sie habe die gewerbliche Tätigkeit auch wirklich ausgeübt. Nachdem sie einen Kunden Ende Juli 2010 verloren habe, habe sie einen neuen erst im Oktober 2010 gefunden. Es wäre sinnlos, wenn sie nach dem Verlust eines Kunden immer das Gewerbe abmelden und dann wieder neu anmelden würde, sobald sie einen neuen Kunden finde. Die Suche nach einem neuen Kunden könne sowohl einige Tage als auch einige Wochen dauern.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den vor ihr bekämpften Bescheid des Finanzamtes (ersatzlos) auf. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde fest, die Mitbeteiligte, ihre drei minderjährigen Kinder und ihr Ehemann seien slowakische Staatsbürger und hätten ihren ständigen Aufenthalt am Familienwohnsitz in der Slowakei. Die Mitbeteiligte sei in Österreich als 24-Stunden-Pflegerin tätig. Das freie Gewerbe der Personenbetreuung sei am angemeldet worden. Die selbständige Betreuungstätigkeit sei im August und September 2010 wegen einer fehlenden Pflegestelle nicht ausgeübt worden. Vor- und nachher (beginnend mit 9. Oktober) habe die Mitbeteiligte das Gewerbe der Personenbetreuung tatsächlich ausgeübt. Die Mitbeteiligte habe bei den zu betreuenden Personen jeweils einen Nebenwohnsitz gemeldet gehabt. Sie habe für die Monate April bis Dezember 2010 Sozialversicherungsbeiträge entrichtet und sei in diesem Zeitraum durchgehend sozialversichert gewesen. Auf Grund der selbständigen Erwerbstätigkeit als Folge der aufrechten Gewerbeberechtigung handle es sich um eine von April bis Dezember 2010 ununterbrochen bestehende Pflichtversicherung nach dem GSVG. Der Ehemann der Mitbeteiligten beziehe in der Slowakei eine Invaliditätspension. In der Zeit von Mai 2010 bis Dezember 2010 habe der Ehemann der Mitbeteiligten Anspruch auf Familienleistungen für die Familienangehörigen.

Die Mitbeteiligte sei Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union und falle sohin in den Anwendungsbereich der seit geltenden Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates. Die Kinder der Mitbeteiligten seien Familienangehörige im Sinne dieser Verordnung und bei der Mitbeteiligten haushaltszugehörig. Für die Mitbeteiligte würden nach Art. 11 dieser Verordnung die Rechtsvorschriften Österreichs gelten, weil sie auf Grund einer (früheren) Tätigkeit in das nationale System der sozialen Sicherheit einbezogen sei. Dies sei bei der Mitbeteiligten durch die Ausübung des Gewerbes Personenbetreuung vor und nach dem Streitzeitraum und durch die auch im Streitzeitraum vorliegende Pflichtversicherung in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft der Fall. Die Mitbeteiligte gelte als in Österreich selbständig erwerbstätig im Sinn des Art. 11 der genannten Verordnung. Sie habe ihre Erwerbstätigkeit im Sinne der Verordnung im Streitzeitraum nicht unterbrochen. Daher sei ein Zuständigkeitswechsel während des Kalendermonats Oktober nicht eingetreten.

Dagegen richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Finanzamtes, in welcher das Finanzamt den Umfang der Anfechtung damit begrenzt, als die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten durch die Gewährung der Differenzzahlung an Familienbeihilfe für die Monate August bis Oktober 2010 stattgegeben habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein solches Kind hat nach § 2 Abs. 2 FLAG die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben gemäß § 3 Abs. 1 FLAG nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 3 Abs. 2 leg. cit. für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEU Nr. L 166 vom , (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) gilt ihrem Art. 91 zufolge ab dem Tag des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung.

Die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEU Nr. L 284 vom , (Verordnung Nr. 987/2009) trat ihrem Art. 97 zufolge am in Kraft.

Somit gilt die Verordnung Nr. 883/2004 ab und ist demzufolge für den Streitzeitraum August bis Oktober 2010 anzuwenden.

Nach Art. 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 883/2004 bezeichnet für Zwecke dieser Verordnung der Ausdruck "selbständige Erwerbstätigkeit" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt.

Familienangehöriger ist nach Art. 1 Buchstabe i Nr. 1 sublit. i der Verordnung Nr. 883/2004 jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird.

Nach Art. 1 Buchstabe j der Verordnung Nr. 883/2004 bezeichnet der Ausdruck "Wohnort" den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person.

Nach Art. 1 Buchstabe z der VerordnungNr. 883/2004 bezeichnet der Ausdruck "Familienleistungen" alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen.

Die Verordnung Nr. 883/2004 gilt nach ihrem Art. 2 Nr. 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose oder Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Die Verordnung Nr. 883/2004 gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchstabe j auch für die Familienleistungen.

Gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 haben - sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist - Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Sofern in der Verordnung Nr. 883/2004 nichts anderes bestimmt ist, dürfen gemäß ihrem Art. 7 Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht auf Grund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt oder wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.

Nach Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten in Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004 ausgeführte Prioritätsregeln.

Da die Mitbeteiligte slowakische Staatsangehörige ist, sohin Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ist, und im Streitzeitraum einen Wohnort in einem Mitgliedstaat der Union hatte, gilt die Verordnung Nr. 883/2004 für sie sowie für ihre Familienangehörigen, ihre drei minderjährigen Kinder.

Demzufolge finden die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FLAG, welche den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellt, des § 2 Abs. 8 FLAG, welche auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstellt, und des § 5 Abs. 3 FLAG, das einen vom Wohnort abhängigen Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland vorsieht, zufolge des Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 und dessen Anwendungsvorrangs im Beschwerdefall insoweit keine Anwendung.

Zufolge des in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 normierten Gleichbehandlungsgrundsatzes für Personen, für die diese Verordnung gilt, finden die durch den Anwendungsvorrang dieser Bestimmung verdrängten Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 2 FLAG mit besonderen Voraussetzungen für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, auf die Mitbeteiligte und ihre Familienangehörigen keine Anwendung.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die Mitbeteiligte im Streitzeitraum August bis Oktober 2010 den österreichischen Rechtsvorschriften unterlag.

Art. 11 der Verordnung Nr. 883/2004 lautet auszugsweise:

"Art. 11 (1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die auf Grund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.

(3) Vorbehaltlich der Art. 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) Eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;


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b)
Ein Beamter ...
c)
Eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit ...
d)
Eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person ...
e)
Jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a) bis
d)
fällt, unterliegt unbeschadet anderslautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen auf Grund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats."
Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

"(2) Eine Person, die gewöhnlich in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und die eine ähnliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Tätigkeit 24 Monate nicht überschreitet."

Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 987/2009 mit näheren Vorschriften zu den Artikeln 12 und 13 der Grundverordnung (Verordnung Nr. 883/2004) lautet:

"(3) Bei der Anwendung von Artikel 12 Absatz 2 der Grundverordnung beziehen sich die Worte "eine Person, die gewöhnlich in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt" auf eine Person, die üblicherweise nennenswerte Tätigkeiten auf dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ausübt, in dem sie ansässig ist. Insbesondere muss die Person ihre Tätigkeit bereits einige Zeit vor dem Zeitpunkt, ab dem sie die Bestimmungen des genannten Artikels in Anspruch nehmen will, ausgeübt haben und muss während jeder Zeit ihrer vorübergehenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig ist, den für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Anforderungen weiterhin genügen, um die Tätigkeit bei ihrer Rückkehr fortsetzen zu können."

Die belangte Behörde ist offensichtlich dem Vorbringen der Mitbeteiligten folgend davon ausgegangen, dass die Mitbeteiligte auf Grund von in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Personenbetreuungs-Verträgen vom auf unbestimmte Zeit den A.M., vom 9. Oktober bis die G.B. und ab auf unbestimmte Zeit den G.K. betreut habe. Weiters ist die belangte Behörde offenkundig vom Vorbringen der Mitbeteiligten im Vorlageantrag ausgegangen, dass diese, nachdem sie ihren "Kunden Ende Juli 2010 verloren" habe (der im Jahr 1916 geborene A.M. offenbar in Anstaltspflege oder verstorben war), sich um eine anschließend zu betreuende Person ("Pflegestelle") bemüht und diese mit gefunden habe. Schließlich geht die belangte Behörde davon aus, dass die Mitbeteiligte zumindest ab April 2010 für das restliche Kalenderjahr durchgängig das Gewerbe der Personenbetreuung (§ 159 der Gewerbeordnung) angemeldet und nicht ruhend gemeldet hatte und in diesem Zeitraum durchgängig nach § 2 Abs. 1 Z 1 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG) wegen Mitgliedschaft zur Kammer der gewerblichen Wirtschaft zufolge des § 2 Abs. 1 des Wirtschaftskammergesetzes pflichtversichert war.

Das beschwerdeführende Finanzamt vertritt die Ansicht, bei dieser dargestellten Sachverhaltskonstellation sei die Mitbeteiligte ab Juli, sohin im August und September 2010 in Österreich nicht mehr selbständig erwerbstätig gewesen oder habe keine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt, denn wegen des Fehlens einer Pflegestelle sei die tatsächliche Erwerbstätigkeit unterbrochen worden. Daraus schließt das beschwerdeführende Finanzamt, dass die Mitbeteiligte in diesem Zeitraum nicht mehr den österreichischen Rechtsvorschriften im Sinn des Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a der Verordnung Nr. 883/2004 unterlegen sei. Daran ändere nach Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes auch die Tatsache nichts, dass Versicherungsbeiträge abgeführt worden seien, denn die Verordnung Nr. 883/2004 knüpfe im Gegensatz zur (Vorgänger )Verordnung Nr. 1408/71 des Rates nicht unmittelbar an ein Versicherungsverhältnis an. Deshalb sei die Mitbeteiligte im Streitzeitraum nicht nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 883/2004 den österreichischen Rechtsvorschriften, sondern gemäß Art. 11 Abs. 3 Buchstabe e) der Verordnung Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Slowakei unterlegen.

Dieser Ansicht schließt sich der Verwaltungsgerichtshof nicht an.

Eine selbständige Tätigkeit im hier maßgeblichen Sinn wird nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur dann ausgeübt, wenn nach der Verkehrsauffassung und nach außen hin ersichtliche Handlungen gesetzt werden (im Beschwerdefall: eine zu betreuende Person gepflegt wird), sondern auch dann, wenn eine allenfalls sogar nach außen hin nicht unmittelbar erkennbare Tätigkeit im engen Zusammenhang mit diesen Handlungen entfaltet wird (so übt etwa ein Künstler oder ein Vortragender nicht nur während der Auftritte oder der Vorträge eine selbständige Tätigkeit aus, sondern auch im Zeitraum zwischen solchen Auftritten oder Vorträgen etwa im Zusammenhang mit der Vorbereitung dazu). Auch unterbricht die Zeit eines Erholungsurlaubes bei einer unselbständigen Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei aufrechtem Dienstverhältnis die Zeit der Beschäftigung genauso wenig, wie bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit eine derartige Unterbrechung der zur Erwerbstätigkeit gesetzten Handlungen noch keine Unterbrechung der Ausübung der Erwerbstätigkeit darstellt.

Daher läge schon bei dem von der Mitbeteiligten im Vorlageantrag behaupteten Sachverhalt, sie habe, nachdem sie ihren "Kunden Ende Juli 2010 verloren" habe (der im Jahr 1916 geborene A.M. offenbar in Anstaltspflege oder verstorben war), sich um eine anschließend zu betreuende Person ("Pflegestelle") bemüht und diese mit gefunden, eine durchgehende Ausübung einer selbständigen Tätigkeit vor.

Darüber hinaus sieht der Verwaltungsgerichtshof die Mitbeteiligte im Zeitraum zwischen der Beendigung (dem "Verlust") einer Pflegestelle und dem Beginn einer neuerlichen pflegerischen Tätigkeit rund zweieinhalb Monate danach, ohne dass von der Mitbeteiligten in Österreich oder in einem anderen Staat eine andere Erwerbstätigkeit entfaltet wird und ohne dass das angemeldete Gewerbe als ruhend gemeldet wird, die Mitbeteiligte sohin durchgängig nach dem GSVG pflichtversichert blieb, in einer der Ausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellten Situation im Sinne des Art. 1 Buchstabe b) der Verordnung Nr. 883/2004. Deshalb unterlag die Mitbeteiligte im Streitzeitraum nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 883/2004 den österreichischen Rechtsvorschriften.

Auch nach der Bestimmung des Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004, unterliegt eine Person, die "gewöhnlich" in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats weiterhin, obwohl sie eine ähnliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt. Aus dem Wort "gewöhnlich" ist zu schließen, dass nicht nur bei gleichzeitiger Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit in zwei Mitgliedstaaten sondern auch im zeitlich gestaffelten Ausüben einer selbständigen Erwerbstätigkeit zuerst im einen und dann im anderen Mitgliedstaat, der Mitgliedstaat der "gewöhnlichen" Erwerbstätigkeit zuständig bleibt.

Davon geht offenkundig auch Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 987/2009 aus, wenn in dieser Bestimmung gefordert wird, dass die Person den für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Anforderungen weiterhin genügen muss, um die Tätigkeit bei ihrer Rückkehr fortsetzen zu können.

Umso mehr muss der Mitgliedstaat der "gewöhnlichen" selbständigen Erwerbstätigkeit zuständig bleiben, wenn nicht in einem anderen Mitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, sondern für einen kurzen Zeitraum gar keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, sohin eine kurzfristige Unterbrechung der eigentlichen Erwerbstätigkeit vorliegt. Im Beschwerdefall sind diese Voraussetzungen angesichts eines Zeitraumes von etwa zweieinhalb Monaten und des Umstandes, dass das angemeldete Gewerbe nicht als ruhend gemeldet war und die Mitbeteiligte durchgängig nach dem GSVG pflichtversichert blieb, erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auch auf das (Anne Kuusijärvi), Rn 50, worin der EuGH ausgesprochen hat, dass die (dem Art. 11 Abs. 2 Buchstabe e der Verordnung Nr. 883/2004 vorangegangene) Regelung des Art. 13 Abs. 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates auf eine Person anwendbar ist, die ihre Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats beendet hat und in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates umgezogen ist. Von der Beendigung der Berufstätigkeit kann im Beschwerdefall angesichts der durchgängigen Gewerbeberechtigung, der Pflichtversicherung und der unbestrittenen Suche eines neuen Auftrages nach Beendigung oder Erfüllung des Pflegeauftrages im Juli 2010 nicht gesprochen werden.

Schließlich ist der und C 612/10 (Waldemar Hudzinski und Jaros?aw Wawrzyniak), Rn 40 und 41, davon ausgegangen, dass der in Polen als Landwirt "normalerweise" eine selbständige Tätigkeit ausübende W. Hudzinski im Zeitraum von weniger als zwölf Monaten, in dem er in Deutschland als Saisonarbeitnehmer bei einem Gartenbauunternehmen von August bis Dezember 2007 gearbeitet hat, weiterhin den Rechtsvorschriften Polens unterlegen ist. Der EuGH hat darauf hingewiesen, dass die Vorschriften des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71, nach denen sich die auf innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandernde Erwerbstätige anzuwendende Rechtsvorschriften bestimmen, nach ständiger Rechtsprechung u. a. bezwecken, dass die Betroffenen grundsätzlich dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen, sodass die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden. Dieser Grundsatz komme insbesondere in Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung zum Ausdruck.

Dass an diesem Grundsatz die die Verordnung Nr. 1408/71 ablösende Verordnung Nr. 883/2004 etwas hätte ändern sollen, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht ersichtlich. Dergestalt führen in Konstellationen wie im Beschwerdefall kurzfristige Zeiten zwischen zwei Pflegeverträgen (in denen die pflegende Person etwa einen neuen Pflegling sucht), ohne dass die pflegende Person eine andere Erwerbstätigkeit ausübt, nicht zu einem jeweiligen Wechsel zwischen den zuständigen Mitgliedstaaten.

Solcherart gelangte aber die belangten Behörde zutreffend zum Ergebnis, dass die Mitbeteiligte im Streitzeitraum August bis Oktober 2010 nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften Österreichs unterlag.

Im Hinblick auch auf die angeführte Rechtsprechung des EuGH hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel an der wiedergegebenen Auslegung der erwähnten unionsrechtlichen Verordnungen im Sinne des (C.I.L.F.I.T.).

Angesichts des vom beschwerdeführenden Finanzamt abgegrenzten Umfangs der Anfechtung (§ 28 Abs. 2 VwGG) war auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht einzugehen, für den Fall des Zutreffens der Ansicht der belangten Behörde hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsvorschriften wären zufolge der Prioritätsregeln des Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004 die Ansprüche der Mitbeteiligten an Österreich vorrangig und die Ansprüche ihres Ehemannes in der Slowakei nachrangig, weshalb nicht nur die Differenzzahlung, sondern der gesamte österreichische Familienanspruch zu gewähren wäre.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am