VwGH vom 21.03.2012, 2012/16/0005

VwGH vom 21.03.2012, 2012/16/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des JS in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Jantscher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wastiangasse 1, gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Finanzstrafsenates Graz 1 als Organ des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. FSRV/0007-G/11, betreffend Anordnung einer Hausdurchsuchung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid vom leitete das Finanzamt Oststeiermark als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer ein Finanzstrafverfahren wegen des Verdachts einer gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung ein.

Mit Verfügung vom ordnete der Vorsitzende des Spruchsenates V beim Finanzamt Graz-Stadt als Organ des Finanzamtes Oststeiermark als Finanzstrafbehörde erster Instanz eine Durchsuchung des in W gelegenen Einfamilienhauses des Beschwerdeführers an. Zur Begründung führte der Vorsitzende aus, am sei in Deutschland gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung und Verstößen gegen das Markengesetz eingeleitet worden. Es werde ihm zur Last gelegt, seit 2003 gefälschte Silberschmuckwaren und Verpackungsmaterialien einer bestimmten Marke aus China gewinnbringend über Internet veräußert zu haben. Der Beschwerdeführer habe sich am von seinem Hauptwohnsitz in Deutschland nach Kroatien abgemeldet. Bereits am habe der Beschuldigte ein unbebautes Grundstück in W erworben, worauf sich mittlerweile ein einstöckiges Einfamilienhaus befinde. Der Beschwerdeführer sei dort mit seiner Gattin und der gemeinsamen Tochter gemeldet. Weiters seien in Österreich auch Kraftfahrzeuge auf den Beschwerdeführer zugelassen. Laut Auskunft der Gemeinde M und der Polizeiinspektion M sei jedoch nicht bekannt, welcher Tätigkeit die Familie des Beschwerdeführers nachgehe und welches Einkommen sie habe. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei offensichtlich Hausfrau. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer 2007 seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt habe, den bereits in Deutschland zur Einkunftserzielung betriebenen Internethandel nunmehr von Österreich aus betreibe und es unterlassen habe, seine daraus resultierenden Umsätze und Einnahmen gegenüber dem Finanzamt offen zu legen. Auf Grund der Errichtung eines Eigenheimes und der Benutzung von Kraftfahrzeugen mit inländischen Kennzeichen bestehe kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz (Mittelpunkt der Lebensinteressen) in Österreich begründet habe. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sich in den Räumlichkeiten des Einfamilienhauses Aufzeichnungen und Unterlagen, insbesondere Erlösaufzeichnungen aller Art, Bank- und sonstige Belege des Zahlungsverkehrs und andere Aufzeichnungen und Belege, EDV-Daten und Datenträger, die Aufschluss über die Geschäfte des Beschwerdeführers geben könnten, befänden.

Am erfolgte die Hausdurchsuchung im Einfamilienhaus des Beschwerdeführers, bei welcher der Einleitungsbescheid und eine Ausfertigung der Anordnung des Spruchsenatsvorsitzenden über die Hausdurchsuchung dem Beschwerdeführer übergeben wurde. Es wurden vier Ordner mit Unterlagen sowie ein PC samt externer Festplatte beschlagnahmt.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer gegen die Anordnung der Hausdurchsuchung (Administrativ )Beschwerde. In dieser wandte er sich u.a. auch gegen die Beschlagnahme von Unterlagen, die im Eigentum seiner Gattin stünden, und des Computers, welcher vor allem der Tochter für schulische Zwecke diene. In der Anordnung sei nicht dargestellt worden, welches konkrete Finanzvergehen der Beschwerdeführer begangen haben solle, sondern lediglich ein Generalverdacht geäußert worden. Das gegen den Beschuldigten in Deutschland eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung und Verstößen gegen das Markengesetz sei bereits mit Strafbefehl des Amtsgerichtes Augsburg vom rechtskräftig beendet worden, wobei von einer Verfolgung der Steuerstraftaten gemäß § 154 Abs. 1 deutsche Strafprozessordnung abgesehen worden sei. Der Beschwerdeführer habe die ihm in Deutschland bescheidmäßig vorgeschriebene Einkommensteuer ordnungsgemäß entrichtet. Seine Ehefrau und seine Tochter hätten in Kroatien ihren Hauptwohnsitz. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Ehefrau liege daher in Kroatien, sie sei daher in Kroatien steuerpflichtig. Es wäre ausreichend gewesen, den Beschwerdeführer und allenfalls seine Ehegattin zu vernehmen. Es werde daher beantragt, die angefochtene Anordnung sowie die im Zuge der Hausdurchsuchung durchgeführte Beschlagnahme für rechtswidrig zu erklären sowie die beschlagnahmten Gegenstände umgehend vollständig an den Beschwerdeführer zurückzustellen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerde gegen die Anordnung der Hausdurchsuchung teilweise Folge gegeben und die Durchsuchungsanordnung insoweit als rechtswidrig erklärt, als diese keine Feststellung beinhalte, welche Personen oder Gegenstände bei der angeordneten Amtshandlung gesucht werden sollten. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit seiner Eingabe habe der Beschwerdeführer die Anordnung der Hausdurchsuchung vom , nicht aber die am durchgeführte Hausdurchsuchung bekämpft. Der Beschwerdeführer sei viele Jahre in Deutschland als erfolgreicher Händler von preiswerten Produkten der chinesischen Schmuck-, Taschen-, Bekleidungs- und Schuhindustrie tätig gewesen, welche er im Internet weltweit, vorzugsweise im englischen Sprachraum, zum Verkauf angeboten habe. Diese Produkte seien dem äußeren Anschein nach europäischen Markenwaren täuschend ähnlich nachempfunden gewesen. Deswegen sei er auch am wegen (versuchten) Betruges und am u.a. wegen Verstoßes gegen das deutsche Markengesetz verurteilt worden. Laut der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Augsburg vom habe der Beschwerdeführer seit 2003 gewerbsmäßig gefälschte Silberschmuckwaren und Verpackungsmaterialien aus China bezogen, um die Falsifikate weltweit gewinnbringend zu veräußern. Der Beschwerdeführer habe in diversen deutschen Städten Wohnungen (und ein Einfamilienhaus), an denen er jedoch nicht immer gemeldet sei. Die Ehegattin des Beschwerdeführers habe von Dezember 2007 bis Mai 2008 hohe Beträge aus Kroatien auf ein deutsches Konto des Beschwerdeführers überwiesen. An dem vom Beschwerdeführer genannten Hauptwohnsitz seiner Ehefrau in Kroatien befinde sich der Sitz der Firma "S", die einen Webshop betreibe, für den der Beschwerdeführer verantwortlich zeichne, und der mit dem Vertrieb von Taschen, Schuhen und Bekleidung bekannter Designer in Verbindung gebracht werde. Für den Spruchsenatsvorsitzenden habe sich tatsächlich das Bild ergeben, dass der Beschwerdeführer einen lukrativen weltweiten Handel mit diversen chinesischen Falsifikaten im Internet aufgebaut habe. Dieser benötige wenig Ressourcen (Telefonverbindung, Software, PC). Schmuckstücke könnten auch platzsparend gelagert werden. Für die Lagerung, Umpackung und Weiterversendung stünden dem Beschwerdeführer mehrere Stützpunkte in Deutschland und Kroatien sowie sein Wohnsitz in Österreich zur Verfügung. Es seien auch anlässlich einer Hausdurchsuchung am in einer Wohnung des Beschwerdeführers in Deutschland solche Schmuckstücke vorgefunden worden. Auf Grund des Aufenthalts der Familie des Beschwerdeführers in dem Eigenheim in W, dem örtlichen Schulbesuch der Tochter, der polizeilichen Meldung aller drei Personen, wonach an dieser Anschrift deren Hauptwohnsitz sei, und der Zulassung von Fahrzeugen des Beschwerdeführers in Österreich bestehe der Verdacht, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers ab Oktober 2007 in Österreich gewesen sei und daher Österreich (auch unter Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland und Kroatien) ein unbeschränktes Besteuerungsrecht des Welteinkommens des Beschwerdeführers zustehe. Es sei auch steuerliches Allgemeinwissen, dass man sein Einkommen zu versteuern habe. Der Beschuldigte habe aber sich jahrelang nicht bei den österreichischen Abgabenbehörden gemeldet. In Anbetracht der vom routinierten und in seinen dunklen Geschäften hochmobilen Beschwerdeführer bereits vorgenommenen umfangreichen Absetzbewegungen im Falle einer bloßen Vorladung und Befragung durch die Finanzstrafbehörde habe die Gefahr gedroht, er werde seine Beweismittel nach Kroatien verbringen. Der Beschwerdeführer sei allerdings mit seiner Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung insofern im Recht gewesen, als in dieser Anordnung nicht angegeben worden sei, was tatsächlich hätte gesucht werden sollen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich u.a. in seinem Recht verletzt, dass keine Hausdurchsuchung angeordnet werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Hausdurchsuchungen dürfen gemäß § 93 Abs. 2 FinStrG u. a. dann vorgenommen werden, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass sich in den betreffenden Räumlichkeiten Gegenstände befinden, die im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen.

Jeder, der durch die Durchsuchung in seinem Hausrecht betroffen ist, ist gem. § 93 Abs. 7 FinStrG berechtigt, sowohl gegen die Anordnung als auch gegen die Durchführung der Durchsuchung Beschwerde an die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz zu erheben. Über diese Beschwerden entscheidet der Vorsitzende des Berufungssenates, der über Rechtsmittel gegen Erkenntnisse des im Abs. 1 genannten Spruchsenates zu entscheiden hätte.

Wird der Bescheid betreffend die Abweisung der (Administrativ )Beschwerde gegen die Anordnung einer Hausdurchsuchung angefochten, so unterliegt der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht die Vorgangsweise bei Durchführung der Amtshandlung, mit der die Hausdurchsuchungsanordnung vollzogen wurde. Ebenso ist im gegenständlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob die Beschlagnahme von Unterlagen rechtens war oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0120, mwN).

Es kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob die (Administrativ )Beschwerde vom auch als eine solche gegen die Durchführung der Hausdurchsuchung anzusehen ist. Der angefochtene Bescheid hat nämlich ausschließlich über die Beschwerde gegen die Anordnung der Hausdurchsuchung abgesprochen. Dies ergibt sich sowohl aus dessen Spruch als auch aus dessen Begründung. Zum Beschwerdevorbringen hinsichtlich der Durchführung der Hausdurchsuchung ist darauf hinzuweisen, dass dies nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides war.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich zu prüfen, ob die belangte Behörde die sich auf der Grundlage des § 93 Abs. 2 FinStrG stellende Frage des Vorliegens von genügend Verdachtsgründen für die Durchführung einer Hausdurchsuchung dem Gesetz entsprechend beantwortet und begründet hat.

Ein (begründeter) Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Der für die Zulässigkeit einer Hausdurchsuchung erforderliche Verdacht muss bereits im Zeitpunkt der Anordnung der Hausdurchsuchung vorhanden sein. Auf die erst bei dieser Hausdurchsuchung vorgefundenen Unterlagen kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ihrer Anordnung nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0153).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist jedoch nicht geeignet, das Fehlen eines begründeten Verdachts aufzuzeigen. Aus der Begründung der Hausdurchsuchungsanordnung - die im angefochtenen Bescheid präzisiert wurde - ergibt sich nämlich, dass bereits zum Zeitpunkt ihrer Erlassung vom Vorliegen eines hinreichend konkreten Verdachtes, dass sich im Einfamilienhaus des Beschwerdeführers Beweismittel für das im Übrigen bereits eingeleitete Finanzstrafverfahren befinden, ausgegangen werden konnte.

Wenn sich das Beschwerdevorbringen gegen das Vorliegen eines Verdachts der Abgabenhinterziehung richtet, so wendet es sich im Ergebnis gegen den Einleitungsbescheid vom , gegen den aber seit der Novelle des § 83 Abs. 2 FinStrG durch die FinStrG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 104, kein gesondertes Rechtsmittel zulässig ist. Darüber hinaus behauptet der Beschwerdeführer nicht, dass die (auch) in der Hausdurchsuchungsanordnung dargestellten Vorgänge (langjähriger Internethandel mit gefälschten Markenwaren, Verlegung des Mittelpunkts der Lebensinteressen von Deutschland nach Österreich, Anschaffungen im größeren Ausmaß, unterlassene Offenlegung von Umsätzen und Einkommen gegenüber den österreichischen Abgabenbehörden) nicht den Tatsachen entsprochen hätten.

Für Hausdurchsuchungen gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, demzufolge staatliche Eingriffe im Verhältnis zum geschützten Rechtsgut angemessen sein müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 98/14/0182, mwN).

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel hätte an Stelle einer Hausdurchsuchung die Einvernahme des Beschwerdeführers - und allenfalls seiner Ehegattin - ausgereicht, macht die Beschwerde nicht einsichtig, inwiefern solche Maßnahmen unter den gegebenen Umständen zur Beweissicherung geeignet gewesen wären. Die Beschwerde tritt auch den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach bei Durchführung solcher Einvernahmen die Gefahr gedroht hätte, dass die Beweismitteln nach Kroatien verbracht worden wären, lediglich mit der Behauptung entgegen, der Beschwerdeführer habe sich auch den deutschen Abgabenbehörden "gestellt". Angesichts der unwidersprochen gebliebenen Feststellungen über das Vorliegen mehrerer "Stützpunkte" des Beschwerdeführers in Deutschland und Kroatien und des Vorbringens des Beschwerdeführers über den Hauptwohnsitz seiner Ehegattin kann es nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn die Finanzstrafbehörde erster Instanz ohne solche Einvernahmen sogleich eine Hausdurchsuchung angenommen hat.

Der Beschwerdeführer macht auch das Verbot der Doppelbestrafung geltend. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass auch der von ihm ins Treffen geführte inländische (deutsche) Strafbefehl des Amtsgerichtes Augsburg vom nicht die Verfolgung (gegebenenfalls später in Österreich begangener) Abgabenhinterziehungen durch die inländische Abgabenbehörde ausschließt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Damit erübrigt sich die Entscheidung der Berichterin über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am