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VwGH vom 01.09.2015, 2012/15/0178

VwGH vom 01.09.2015, 2012/15/0178

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des F P in F, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0652-G/11, betreffend Einkommensteuer 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Vater einer behinderten Tochter, für die erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG und Pflegegeld ausbezahlt wird.

Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010 machte der Beschwerdeführer unter anderem seine Tochter betreffende Aufwendungen für die Zimmereinrichtung in einem Wohnheim von "Jugend am Werk", die Anschaffung eines gebrauchten, rollstuhlgerechten Kraftfahrzeugs und den Einbau einer Rollstuhlhalterung in dieses, Kosten für Medikamente, den Bandagisten, Betteinlagen und Taschengeld sowie Fahrtkosten und "Diäten" in Höhe von insgesamt 16.519,21 EUR als außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG 1988 geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 2010 die in diesem Zusammenhang angefallenen tatsächlichen Kosten aus der Behinderung des Kindes in Höhe von 2.598,92 EUR. Nicht anerkannt wurden die Kosten für laufende, nicht mit der Behinderung zusammenhängende Aufwendungen für das Kind sowie die Aufwendungen für den Erwerb des Kraftfahrzeugs und die Zimmereinrichtung. Die Fahrtkosten wurden entsprechend den vom Beschwerdeführer angegebenen Fahrten korrigiert.

In seiner dagegen erhobenen Berufung begehrte der Beschwerdeführer die vollständige Anerkennung der für seine Tochter geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG 1988. Der Erwerb des Kraftfahrzeugs der Type Renault Kangoo sei notwendig gewesen, weil das Fahrzeug, das er zuvor für den Transport seiner gelähmten Tochter verwendet habe, auf Grund eines Verkehrsunfalls einen Totalschaden erlitten habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Als außergewöhnliche Belastungen aus der Behinderung der Tochter wurden nur die Kosten für den Einbau der Rollstuhlhalterung in den neu angeschafften PKW sowie für Heilmittel in Höhe von insgesamt 1.086,01 EUR anerkannt.

Begründend führte die belangte Behörde hinsichtlich des Erwerbs des neuen Kraftfahrzeugs aus, Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern seien dann nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt werde und somit eine bloße Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintrete. Somit stelle die Ausgabe für den Erwerb eines Wirtschaftsguts in der Regel keine außergewöhnliche Belastung dar. Eine andere Beurteilung könne dann geboten sein, wenn das angeschaffte Wirtschaftsgut keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Verkehrswert habe, weil es nur für bestimmte Personen verwendbar oder spezifisch nur für Behinderte beschaffen sei. Das gegenständliche serienmäßige Kraftfahrzeug der Type Renault Kangoo verfüge weder über individuelle noch über behindertenspezifische Vorrichtungen und könne auch von nicht behinderten Personen gleichermaßen benutzt werden. Der für den Kauf getätigten Aufwendung stehe somit ein Gegenwert gegenüber, sodass sie keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 darstelle.

Die Aufwendungen für den Kauf der Zimmereinrichtung seien schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die diesbezüglichen Rechnungen in einem anderen Veranlagungsjahr bezahlt worden seien. Zu den geltend gemachten "Diäten" für jene Tage, die die Tochter nicht in Heimunterbringung, sondern zu Hause beim Beschwerdeführer verbracht habe (87 Tage und 50 Fahrten im Jahr), stellte die belangte Behörde fest, dass die Verköstigung und das kurzfristige Aufnehmen von Kindern im Wohnungsverband der Eltern keine außergewöhnliche Belastung begründe.

Da für die Tochter des Beschwerdeführers erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG gewährt werde, seien Mehraufwendungen für sie nur nach § 5 der Verordnung des Finanzministers über außergewöhnliche Belastungen in Form eines Pauschbetrages oder bei alternativer Geltendmachung der belastenden Mehraufwendungen im tatsächlichen Ausmaß nach § 34 Abs. 6 vierter Teilstrich EStG 1988 zu berücksichtigen. Die geltend gemachten Transportkosten seien nicht zu berücksichtigen, weil § 3 der gegenständlichen Verordnung gemäß § 1 Abs. 1 der genannten Verordnung nur anzuwenden sei, wenn keine erhöhte Familienbeihilfe gewährt werde.

Hingegen seien gemäß § 5 Abs. 3 iVm § 4 der genannten Verordnung nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen. Aufwendungen für Betteinlagen und Bandagisten seien demnach als Aufwendungen, die regelmäßig durch die Pflegebedürftigkeit anfallen, nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Hingegen seien die Aufwendungen für den Umbau der Rollstuhlhalterung und Medikamente gemäß § 5 Abs. 3 iVm § 4 der genannten Verordnung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Die Beschwerde wendet sich gegen "die Nichtanerkennung der tatsächlichen Kosten sowie gegen die Entscheidung den Kaufpreis des PKW, Marke Kangoo, nicht als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen und gegen die rechtlichen Begründungen in der Heranziehung der Gegenwerttheorie."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 EStG 1988 lautet in der für das Streitjahr geltenden Fassung auszugsweise:

"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:


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1.
Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2.
Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten
noch Sonderausgaben sein.
(...)

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(...)

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

(...)

- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

(...)

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

(...)"

Auf Grund der §§ 34 und 35 EStG 1988 erließ der Bundesminister für Finanzen die VO BGBl. Nr. 303/1996, die idF BGBl. II Nr. 91/1998 und BGBl. II Nr. 416/2001 auszugsweise wie folgt lautet:

"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
-
bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988) oder
-
bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
(...)

§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

(2) Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.

(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe im Jahr 2010 einen Autounfall erlitten, bei dem das bisher für den Behindertentransport der Tochter verwendete Fahrzeug der Marke Renault Kangoo, Baujahr 2003, zerstört worden sei. In der Literatur werde zur Gegenwerttheorie die Ansicht vertreten, dass der Gegenwert grundsätzlich nur in Höhe des den Zeitwert des zerstörten Wirtschaftsgutes übersteigenden Betrages vorhanden sei. Solcherart seien die Aufwendungen für den Erwerb des neuen Kraftfahrzeuges zumindest in Höhe des Zeitwerts des durch den Verkehrsunfall zerstörten bisher für den Transport der Tochter verwendeten Fahrzeugs zu berücksichtigen.

Grundsätzlich sind unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ausgaben für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes sind daher in der Regel von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen, da in diesem Fall zumeist ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, also eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/15/0145).

Aufwendungen für eine Ersatzbeschaffung von Wirtschaftsgütern können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausnahmsweise dann eine außergewöhnliche Belastung darstellen, wenn der Verlust des zerstörten ursprünglichen Wirtschaftsguts durch höhere Gewalt im engeren Sinn, durch ein katastrophenähnliches Ereignis eingetreten ist, also eine aufgezwungene Schadenslage herbeigeführt hat.

Dass Aufwendungen zwangsläufig erwachsen, unterstellt der Verwaltungsgerichtshof bei zerstörten Wirtschaftsgütern des Privatvermögens nur dann, wenn dem Steuerpflichtigen die weitere Lebensführung ohne Wiederbeschaffung des zerstörten Wirtschaftsgutes nicht zuzumuten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0111, sowie Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, III B, "Schadensfälle" zu § 34 Anhang II - ABC).

Ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will, hat selbst das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/15/0180).

Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, er habe bis zum Verkehrsunfall über zwei Fahrzeuge verfügt: Eines für den Transport der behinderten Tochter und ein weiteres für seine eigenen familiären Aktivitäten. Es entspreche nicht der üblichen gesellschaftspolitischen Realität, dass jemand die rückwärtige Sitzbank seines Fahrzeuges zwei oder dreimal in der Woche ein- und ausbaue, je nachdem, ob ein behindertes Kind samt Rollstuhl transportiert werde oder nicht. Aus einer allgemeinen, wirtschaftlichen und menschlichen Handlungsweise abgeleitet, erscheine es auch nicht den Regeln der Vernunft zu entsprechen, dass sich ein Pensionist mit ca. 2.300 EUR Bruttobezug im Monat ein Zweitauto leiste. Der Zweck der Anschaffung des Kangoo liege ausschließlich in der Möglichkeit, die behinderte Tochter zu transportieren.

Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, die Notwendigkeit der Wiederbeschaffung eines neuen Transportfahrzeugs ausreichend darzutun. Der Beschwerdeführer führt weder aus, dass seine Tochter auf Grund ihrer Behinderung keine anderen Beförderungsmittel benutzen könne, noch, dass für ihren Transport keine anderen adäquaten Möglichkeiten zur Verfügung stünden. Dass es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar wäre, die behinderte Tochter in seinem "familiären Aktivitäten" dienenden Fahrzeug - allenfalls nach entsprechender Adaptierung - zu transportieren, ist nach den Beschwerdeausführungen nicht zu erkennen. Da die Zwangsläufigkeit der Wiederbeschaffung des Transportfahrzeugs nicht hinreichend dargetan werden konnte, kann es dahingestellt bleiben, ob auch außerhalb von Schadensfällen durch höhere Gewalt Sachverhaltskonstellationen vorliegen könnten, in denen die Ersatzbeschaffung von Wirtschaftsgütern als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommt.

Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, durch die Bestimmung des § 35 Abs. 1 EStG 1988 werde die teilweise von einer Institution übernommene und teilweise häusliche Pflege gegenüber der zur Gänze von einer Institution übernommenen Pflege hinsichtlich der Anrechnung des Pflegegelds in gleichheitswidriger Weise benachteiligt. Der Verwaltungsgerichtshof möge die Bestimmung des § 35 Abs. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung dem Verfassungsgerichtshof zur Überprüfung dahingehend vorlegen, inwieweit diese Bestimmung auf Grund vorliegender Gleichheitswidrigkeit gegen die Verfassung verstoße.

Das Beschwerdevorbringen legt nicht dar, inwiefern die Bestimmung des § 35 EStG 1988 für den gegenständlichen Fall überhaupt von Relevanz ist. Der Beschwerdeführer zeigt insbesondere nicht auf, dass die behauptete Gleichheitswidrigkeit Auswirkungen auf die vom Beschwerdeführer angestrebte Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten tatsächlichen Kosten haben sollte. Zumal sich die Ausführungen des Beschwerdeführers auf eine andere Norm (§ 5 der Verordnung des Finanzministers über außergewöhnliche Belastungen) beziehen dürften, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht veranlasst, entsprechend der Anregung des Beschwerdeführers ein Normprüfungsverfahren zu beantragen.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am