TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 30.09.2015, 2012/15/0174

VwGH vom 30.09.2015, 2012/15/0174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des S M in S, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom , Zl. RV/0883-S/09, betreffend Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt zur Sicherung von Abgabenansprüchen in Höhe von insgesamt 578.956,89 EUR (aufgegliedert in Umsatzsteuer 2006, 2007 und Jänner bis Juli 2008 sowie Einkommensteuer 2006 bis 2008) die Sicherstellung in das Vermögen des Beschwerdeführers an.

Zur Begründung wurde - unter Bezugnahme auf einen "Anlassbericht" vom an die Staatsanwaltschaft S - ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer ein gerichtliches Strafverfahren anhängig sei, weil er in Verdacht stehe, in den Jahren 2006 bis 2008 Vorsteuern und Betriebsausgaben aus Scheinrechnungen zu Unrecht geltend gemacht zu haben. Der Tatverdacht stütze sich auf Feststellungen der derzeit laufenden Betriebsprüfung. Die Prüferin habe festgestellt, dass die angeblichen Subunternehmer erhebliche Abgabenrückstände bei den Finanzämtern aufwiesen, insolvent seien oder das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet worden sei oder dass sie gar keine Steuererklärungen eingereicht hätten. Die Fremdleistungsrechnungen erfüllten auch die an eine Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1994 gestellten Anforderungen betreffend Leistungszeitraum, Leistungsort und Leistungsbeschreibung nicht, weshalb ein Vorsteuerabzug schon aus diesem Grund nicht möglich sei. Die Erschwerung der Einbringung der Abgaben sei zu befürchten, weil der Verdacht gravierender Abgabenhinterziehungen bestehe und der Beschwerdeführer gemäß den durchgeführten Ermittlungen sowie den vorliegenden Jahreserklärungen über kein ausreichendes und greifbares inländisches Vermögen zur Abdeckung der sichergestellten Abgabenansprüche verfüge. Aufgrund fingierter Abrechnungen liege ein schwerwiegender Aufzeichnungsmangel vor, der die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer der Vollstreckung der festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten werde, ebenfalls rechtfertige.

Der Beschwerdeführer berief gegen den Sicherstellungsauftrag und brachte im Wesentlichen vor, dem Sicherstellungsauftrag liege ein "Anlassbericht" vom zugrunde, der von vornherein falsch erscheine, weil die Prüferin Personen, die der deutschen Sprache praktisch nicht mächtig seien, ohne Dolmetscher einvernommen und Aussagen unrichtig wiedergegeben habe. Zwei vom Rechtsbeistand des Beschwerdeführers befragte Personen hätten zwischenzeitig zugestanden, dass sie die inkriminierten Rechnungen ausgestellt und die verrechneten Beträge erhalten hätten. Es sei zu vermuten, dass auch die übrigen Personen ähnliche Angaben machen werden. Zudem sei mit der Prüferin die Berichtigung der Rechnungsmängel vereinbart worden, weshalb die Erlassung des Sicherstellungsauftrages nicht nachvollziehbar sei, geradezu schikanös erscheine und zur Haftung der Behörde führen werde. "Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass der (Beschwerdeführer) derartige Amtshaftungsansprüche bei Vorliegen der Voraussetzungen selbstverständlich geltend machen wird, nachdem er durch die Vorgangsweise insbesondere Blockade des Geschäftskontos sowie der Blockade von dem (Beschwerdeführer) zustehenden Forderungen gegen diverse Schuldner mehr oder weniger handlungsunfähig geworden. Es ist die Gefahr eines Insolvenzverfahrens nicht gebannt. Die Liquidität des (Beschwerdeführers) ist damit gefährdet. Wie weit letztlich ein Insolvenzverfahren abgewendet werden kann, kann derzeit nicht beurteilt werden und wird dies selbstverständlich im Rahmen eines möglichen Amtshaftungsverfahrens zu behandeln sein."

Ein wesentliches Merkmal und Tatbestandsvoraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages sei die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe. Dazu werde im Sicherstellungsauftrag lediglich ausgeführt, aus den eingereichten Steuererklärungen gehe hervor, dass der Beschwerdeführer über kein ausreichendes Vermögen im Inland verfüge. Tatsache sei, dass gegen den Beschwerdeführer keine Exekutionen geführt würden, keine Vermögensverschiebungen erfolgten und der völlig unbescholtene Beschwerdeführer seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen immer fristgerecht nachgekommen sei. Es liege kein Grund für die Annahme vor, dass sich der Beschwerdeführer einer Abgabenverpflichtung in irgendeiner Form entziehen werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde, nachdem sie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages durch das Finanzamt erheben ließ, die Berufung als unbegründet ab. Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setze neben der Entstehung des Abgabenanspruches voraus, dass eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der zugrunde liegenden Abgaben zu erwarten sei. Zur Entstehung des Abgabenanspruchs sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei den inkriminierten Fremdleistungsrechnungen um keine ordnungsgemäßen Rechnungen (fehlender Zeitraum, Leistungsort und Leistungsbeschreibung) im Sinne des Umsatzsteuergesetzes handle, sodass schon aus diesem Grund der Vorsteuerabzug nicht zustehe. Aufgrund der Annahme von Scheinrechnungen sei die Entstehung des Abgabenanspruches auch bei der Einkommensteuer anzunehmen. Diesbezüglich sei auch auf die inzwischen ergangenen Abgabenbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 zu verweisen, denen der Betriebsprüfungsbericht vom und die Niederschrift über die Schlussbesprechung zugrunde lägen. Daraus sei beispielsweise ersichtlich, dass ein Subunternehmer eine klare Zuordnung getroffen habe, welche Rechnungen er an den Beschwerdeführer gelegt habe und welche nicht. Anderen Feststellungen sei zu entnehmen, dass Subunternehmer nicht über das Personal zur Erbringung der an den Beschwerdeführer verrechneten Leistungen verfügten. Die sichergestellten Abgaben von rund 579.000 EUR wichen auch nur geringfügig von den tatsächlich festgesetzten Abgaben von rund 571.000 EUR ab, weshalb hinsichtlich der Höhe und somit der Entstehung der Abgabenansprüche von der Rechtmäßigkeit des Sicherstellungsauftrages auszugehen sei. Dass zwei Personen ihre ursprünglichen Aussagen änderten, könne daran, dass keine ordnungsgemäßen Rechnungen vorlägen nichts ändern. Diese Umstände würden im weiteren Verfahren zu prüfen sein. Der Aufhebung des Sicherstellungsauftrages stünden auch die weiteren Feststellungen der Prüferin entgegen, wonach insbesondere überwiegend Barzahlungen (auch bei hohen fünfstelligen Beträgen) erfolgten, die Geldbehebungen des Beschwerdeführers mit den Barzahlungen nicht übereinstimmten (behobene Gelder seien tatsächlich auf ein Sparkonto des Beschwerdeführers eingezahlt und nicht zur Abdeckung von Subunternehmerrechnungen verwendet worden) und die Fakturen der Subunternehmer falsche Rechnungsnummern aufwiesen. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse habe das Finanzamt auf den vom Beschwerdeführer für das Jahr 2008 eingereichten Jahresabschluss samt Steuererklärungen verwiesen. Über Vorhalt der belangten Behörde habe das Finanzamt ergänzt, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Einzelunternehmer 2008 eingestellt und eine GmbH gegründet habe. Von der GmbH habe er 2008 ein monatliches Geschäftsführergehalt von 2.000 EUR (brutto) bezogen. Dieses habe er zur Bestreitung des Lebensaufwandes verwendet. An Vermögenswerten seien nur ein KFZ (Erstzulassung 1995) und ein Darlehen an die GmbH von 76.000 EUR das 2009 in der Bilanz der GmbH nicht mehr aufscheine, vorhanden gewesen. Im Jahr 2009 (zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages) sei von einem Bruttogehalt als Geschäftsführer von 3.000 EUR auszugehen. Dieses habe jedenfalls teilweise der Deckung des Lebensaufwandes gedient. Die Einkommensverhältnisse seien als gut zu bezeichnen, die Einkommens- und Vermögenslage stehe jedoch in keinem Verhältnis zu den Abgabenforderungen laut Sicherstellungsauftrag. Aufgrund des bestehenden Missverhältnisses sei der Schluss zulässig, dass hinsichtlich der Einbringlichkeit der Abgaben von einer Gefährdung bzw. wesentlichen Erschwerung auszugehen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen.

Die Beschwerde trägt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit vor, die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setze u.a. voraus, dass eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der dem Sicherstellungsauftrag zugrunde liegenden Abgaben zu erwarten sei. Diesbezüglich habe das Finanzamt keine Feststellungen getroffen, weshalb der Sicherstellungsauftrag vom mit schwerwiegenden Begründungsmängeln behaftet sei. Um zu einer richtigen rechtlichen Beurteilung zu gelangen, hätte die belangte Behörde von sich aus ein Ermittlungsverfahren zur Frage der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben durchführen müssen. Tatsächlich habe sie nur eine Stellungnahme des Finanzamtes zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers eingeholt, welche jedoch völlig unzureichend sei, "um den zugrundeliegenden Fall ordentlich beurteilen zu können".

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Wie aus der oben zitierten Bestimmung des § 232 BAO hervorgeht, sind Sicherstellungsmaßnahmen im Wege eines Sicherstellungsauftrages innerhalb des in dieser Bestimmung umschriebenen Zeitraumes zulässig, wenn eine Gefährdung oder Erschwerung der nachfolgenden Einbringung von Abgaben begründet zu befürchten ist. Derartige Gefährdungen oder Erschwerungen werden u. a. bei drohendem Insolvenz- oder Ausgleichsverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, Vermögensverschleppung, bei Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben sein. Auch schwer wiegende Mängel in den Büchern und Aufzeichnungen, welche die Annahme begründen, dass sich der Abgabepflichtige auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, werden, ebenso wie eine erhebliche Verschuldung des Abgabepflichtigen, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf sein Vermögen befürchten lässt, eine Maßnahme nach § 232 BAO rechtfertigen. Dabei reicht der objektive Tatbestand einer Gefährdung oder Erschwerung aus; eine vom Abgabenschuldner selbst gesetzte Gefährdungshandlung ist nicht erforderlich. In all diesen Fällen genügt es, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 2007/15/0131, VwSlg 8260/F).

Die belangte Behörde stellte - unter Bezugnahme auf Erhebungen des Finanzamtes - u.a. fest, der Beschwerdeführer habe "im Jahr 2009 (zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages)" über ein Geschäftsführergehalt von 3.000 EUR (brutto) und ein altes Kraftfahrzeug verfügt. Die Einkommensverhältnisse seien als gut zu bezeichnen, stünden aber zu den Abgabennachforderungen laut Sicherstellungsauftrag von rund 579.000 EUR in keinem Verhältnis. Dabei sei zu beachten, dass der Beschwerdeführer 2008 seine Tätigkeit als Einzelunternehmer eingestellt habe. Aufgrund des bestehenden Missverhältnisses zwischen Vermögen und Einkommen und der inzwischen festgesetzten Abgabennachforderung sei der Schluss zulässig, dass hinsichtlich der Einbringlichkeit der Abgaben von einer Gefährdung bzw. wesentlichen Erschwerung auszugehen gewesen sei.

Dass die belangte Behörde die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers falsch dargestellt habe, wird in der Beschwerde nicht behauptet. In der Beschwerde wird auch nicht dargelegt, welche weiteren Erhebungen erforderlich wären, "um den zugrundeliegenden Fall ordentlich beurteilen zu können". Die belangte Behörde ging demnach zu Recht von einem krassen Missverhältnis zwischen dem Vermögen und Einkommen des Beschwerdeführers und der Abgabennachforderung aus. Damit kann ihr aber nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie schon deswegen eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben für gegeben erachtet hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Wien, am