VwGH vom 22.11.2012, 2012/15/0147

VwGH vom 22.11.2012, 2012/15/0147

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des J A in A, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0880-L/09, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Einkommensteuer 2007), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, der Beschwerdeergänzung und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der als Arzt in einem Krankenhaus tätige Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 2007 veranlagt.

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 BAO und begehrte die Berücksichtigung des bisher nicht in Anspruch genommenen Betriebsausgabenpauschales nach § 17 Abs. 1 EStG 1988 bei den aus den Sonderklassegebühren resultierenden Einkünften.

Begründend wurde ausgeführt, die Einkommensteuererklärung 2007 sei entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erstellt worden. Der Beschwerdeführer verwies dabei auf das Erkenntnis vom , 2002/14/0019, in welchem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hatte, für die Einkommensermittlung sei zunächst der noch nicht um den "Hausrücklass" gekürzte Betrag an Sonderklassegebühren maßgebend, der "Hausrücklass" sei sodann als Betriebsausgabe abzuziehen, was aber zur Folge habe, dass nicht weitere Betriebsausgaben im Wege eines Durchschnittssatzes iSd § 17 Abs. 1 EStG 1988 geltend gemacht werden könnten.

Nachträglich habe - so der Beschwerdeführer in seinem Antrag weiter - das Bundesministerium für Finanzen bekannt gegeben, dass auf Fälle wie dem gegenständlichen - abweichend von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - pauschale Betriebsausgaben nach § 17 EStG 1988 bis zur Veranlagung 2008 abgesetzt werden könnten ( BMF-010203/0016-VI/6/2009, betreffend Neufassung von Rz 4111b und 4116b EStR). Daher habe der Beschwerdeführer nunmehr seine Einkommensteuererklärung dahingehend berichtigt.

Das Finanzamt wies den Wiederaufnahmeantrag ab. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen seien keine neuen Tatsachen iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung gewonnen würden.

In der Berufung vom ergänzte der Beschwerdeführer, er habe erst im Zuge der Erstellung des Antrags auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO vom festgestellt, dass er neben dem Betriebsausgabenpauschale auch GSVG-Beiträge von 370,68 EUR nicht berücksichtigt habe. Es solle Ermessen dahingehend geübt werden, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer habe die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO beantragt. Voraussetzung für die Anwendung des Neuerungstatbestandes sei das Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel. Es gehe um im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorgekommen seien.

Im gegenständlichen Fall seien die Einkommensteuerrichtlinien nach dem rechtskräftigen Abschluss der Einkommensteuerveranlagung 2007 geändert worden. Darin erblicke der Beschwerdeführer die "neue Tatsache".

Das Bundesministerium für Finanzen habe mit der Änderung der Rz 4116b der Einkommensteuerrichtlinien für einen begrenzten Zeitraum - bis einschließlich Veranlagungsjahr 2007 - seine Verwaltungspraxis geändert. Die Änderung der Verwaltungspraxis stelle jedoch keinen Wiederaufnahmegrund dar.

Aber selbst wenn die Änderung der Verwaltungspraxis in den Einkommensteuerrichtlinien für die Abgabenbehörde erster Instanz von Bedeutung wäre, könnte der Berufung vor der belangten Behörde kein Erfolg beschieden sein. Der unabhängige Finanzsenat sei nämlich weder an Einzelauskünfte noch an Erlassregelungen gebunden. Die Einkommensteuerrichtlinien 2000 seien nicht verbindlich.

Auch die nachträgliche Geltendmachung von GSVG-Beiträgen in Höhe von 370,68 EUR führe die Berufung nicht zum Erfolg. In diesem Zusammenhang habe der Beschwerdeführer eine Wiederaufnahme von Amts wegen angeregt. Die steuerliche Auswirkung sei aber immer anhand des konkreten Wiederaufnahmegrundes (hier die bisher nicht berücksichtigten GSVG-Beiträge) zu beurteilen. Eine Verringerung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit von 165.997,04 EUR um die bisher nicht berücksichtigten GSVG-Beiträge von 370,68 EUR würde zu einer bloß geringfügigen Verringerung der Einkommensteuer 2007 führen.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 242/12, abgelehnt. In der Folge hat er die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer im Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 303 Abs. 1 BAO lautet auszugsweise:

"Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und


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a)
b)
Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c)
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Ansicht der belangten Behörde, wonach beim gegebenen Sachverhalt die Voraussetzungen einer beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO nicht gegeben seien, erweise sich als unzutreffend. Wenn in einem Erlass des Bundesministers für Finanzen genaue Regelungen getroffen bzw. geändert würden, müsse dies nach Ansicht des Beschwerdeführers zu einer Wiederaufnahme nach § 303 BAO führen. Der Beschwerdeführer verweist hiezu auf das hg. Erkenntnis vom , 2004/13/0083.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Tatsachen im Sinne des § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - auch wenn diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung gewonnen werden - sind keine derartigen Tatsachen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 91/13/0224, und vom , 96/15/0148). Schon deshalb kann der nach Ergehen des das Einkommensteuerverfahren abschließenden Abgabenbescheides eingetretene Umstand, dass die Einkommensteuerrichtlinien eine Änderung erfahren haben, keine neu hervorgekommene Tatsache iSd § 303 BAO darstellen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist dem hg. Erkenntnis vom , 2004/13/0083, in keiner Weise zu entnehmen, dass durch das Ergehen oder die Änderung von Erlässen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO erfüllt würden.
Die Beschwerde bringt im Weiteren vor, bei einer amtswegigen Wiederaufnahme komme der Behörde ein Ermessensspielraum zu. Im gegenständlichen Fall hätte die Behörde das Ermessen ordnungsgemäß üben und das Verfahren wieder aufnehmen müssen.
Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten: Das gegenständliche Verwaltungsverfahren ist durch den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO in Gang gesetzt worden. Gegen den diesen Antrag abweisenden Bescheid des Finanzamtes hat der Beschwerdeführer Berufung erhoben. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über diese Berufung des Beschwerdeführers abgesprochen. Sache des Berufungsverfahrens ist lediglich die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag. In diesem Verfahren kommt der belangten Behörde in keiner Weise die Zuständigkeit zu, über die Frage einer amtswegigen Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 4 BAO abzusprechen. Der Beschwerdeführer kann sohin nicht dadurch in Rechten verletzt sein, dass mit dem angefochtenen Bescheid keine amtswegige Wiederaufnahme verfügt worden ist.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am