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VwGH vom 26.11.2008, 2005/08/0139

VwGH vom 26.11.2008, 2005/08/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Mag. H in Wien, vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Falkestraße 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom , Zl. BMSG- 220166/0004-II/A/3/2005, betreffend Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG (mitbeteilige Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Ersatzbescheid vom hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Jänner bis der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlegen ist. (Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0188, verwiesen.)

Der Beschwerdeführer sei seit dem Jahr 1998 neben seinem Dienstverhältnis als Richteramtsanwärter bzw. Richter als Seminarvortragender und Gutachter selbständig erwerbstätig gewesen und habe auf Grund seiner Tätigkeit in den Jahren 1998 und 1999 Einkünfte nach § 22 EStG 1988 erzielt, die die in Betracht kommende Versicherungsgrenze nach § 4 Abs. 1 Z. 6 GSVG nicht überstiegen hätten. Dem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid vom zufolge habe der Beschwerdeführer hingegen im Jahr 2000 Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit in Höhe von EUR 21.118,58 und Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Sinn des § 22 EStG 1988 in Höhe von EUR 5.123,80 erzielt. Auf Grund der genannten Tätigkeit unterliege der Beschwerdeführer nicht der Versicherungspflicht nach dem ASVG.

Der Begriff der "betrieblichen Tätigkeit" sei kein eigenständig zu prüfendes Kriterium des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG, sondern knüpfe an den Betriebsbegriff einkommensteuerlicher Regelungen an. Das betriebliche Tätigwerden ergebe sich bereits dadurch, dass das daraus resultierende Einkommen von den zuständigen Finanzbehörden als Einkommen gemäß § 22 Z. 1 bis 3 und 5 sowie § 23 EStG 1988 bewertet worden sei. Die Tätigkeit als Seminarvortragender und Gutachter sei eine "betriebliche", weil sie sich als Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsleben darstelle und nicht der Privatsphäre einer Person angehöre. Im Hinblick § 22 EStG 1988 könne nicht zweifelhaft sein, dass Einkünfte als Seminarvortragender und Gutachter als Einkünfte aus selbständiger Arbeit unter diese Bestimmung fielen. Die vom Beschwerdeführer im Jahr 2000 erzielten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit würden die hier maßgebliche Versicherungsgrenze iSd § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. a GSVG für das Jahr 2000 (EUR 3.468,24) übersteigen, weshalb für diesen Zeitraum Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG bestehe.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom , B 373/05-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte iSd §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung pflichtversichert.

Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 2. Februar, 24. April, 7. Juli, 21. September und je 8 Stunden Seminarvorträge für die M. Akademie gehalten hat. Am war er als Vortragender im Rahmen der Kurse für Richteramtsanwärter 1 Stunde tätig und am hat er 10 Stunden lang als Lehrer der Justizschule Schwechat unterrichtet.

Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde unterwerfe die Einkünfte des Beschwerdeführers ohne nähere Begründung und ohne Rücksicht auf die konkreten Zeiträume der von ihm tatsächlich ausgeübten selbständigen Tätigkeit für das gesamte Kalenderjahr der Sozialversicherung. Sie habe keine Rücksicht darauf genommen, aus welchen konkreten Zeiträumen der vom Beschwerdeführer tatsächlich ausgeübten selbständigen Tätigkeit das jeweilige Entgelt stamme. Der angefochtene Bescheid "erfindet daher, ohne gesetzliche Grundlage, auch für den Bereich der Sozialversicherung ein 'Zuflussprinzip' wie im EStG". Er messe der Wendung "auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit" im § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG keinen normativen Inhalt bei. Dies verstoße gegen Grundregeln der Interpretation und unterlege dem Gesetz einen verfassungswidrigen Sinn. Die betriebliche Tätigkeit ermögliche erst eine Ermittlung der Perioden, für die Sozialversicherungspflicht bestehe. Die Anknüpfung an die Einkommensteuerpflicht nach § 22 EStG 1988 ohne Berücksichtigung des Kriteriums der betrieblichen Tätigkeit führe dazu, dass Beträge, die lediglich auf Grund der Besonderheiten des Einkommensteuerrechts (etwa dem Zuflussprinzip) in bestimmten Einkommensteuerjahren versteuert werden, auch im Hinblick auf die Sozialversicherungspflicht diesen Zeiträumen zugerechnet würden, obwohl die zu Grunde liegende Tätigkeit nicht im entsprechenden Jahr ausgeübt worden sei. Würde es nur auf das für das Kalenderjahr als Einkommensteuerjahr zu ermittelnde Einkommen nach § 22 EStG 1988 ankommen, so würde es nur eine Sozialversicherungspflicht für das gesamte Kalenderjahr oder gar keine Sozialversicherungspflicht für das gesamte Kalenderjahr geben. Eine Sozialversicherung nur für Zeiträume, während welcher eine selbständige Tätigkeit auch ausgeübt werde, würde es demgemäß nicht geben. Die belangte Behörde und die untergeordneten Verwaltungsbehörden hätten es nicht für nötig befunden,

"die Angaben des Beschwerdeführers zu den verschiedenen Perioden selbständiger (oder nach ihrer Ansicht: 'betrieblicher') Tätigkeit festzustellen und entsprechend auch seine Sozialversicherungspflicht nur für diese Zeiträume festzustellen, oder - sollten sie seinen Angaben keinen Glauben schenken - darüber ein Ermittlungsverfahren abzuführen und in diesem die vom Beschwerdeführer bereits in erster Instanz angebotenen Beweise aufzunehmen".

Mit diesen Argumenten vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:

Die Kriterien der "neuen Selbständigkeit" werden im § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG damit umschrieben, dass es sich (1) um selbständig erwerbstätige Personen handelt, die (2) auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit (3) bestimmte Arten von Einkünften im Sinne des EStG 1988 beziehen. Zur Frage, ob der Wortfolge "auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit" in § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG ein selbständiger Aussagewert gegenüber dem weiteren Tatbestandsmerkmal der Erzielung von Einkommen aus selbständiger Arbeit bzw. Gewerbebetrieb im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 oder 23 EStG 1988 zukommt, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass die Versicherungspflicht der "neuen Selbständigen" für jedes Erwerbseinkommen bestehen soll, das nicht der Privatsphäre zuzurechnen ist. Mit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG sollten alle Einkünfte aus Erwerbstätigkeiten erfasst werden (sofern nicht auf Grund der jeweiligen Tätigkeit bereits eine Pflichtversicherung besteht). Der Gesetzgeber hat dabei auch das "Ziel der Harmonisierung mit dem Steuerrecht" verfolgt und dazu ausdrücklich auf bestimmte Einkunftsarten des EStG 1988 Bezug genommen, die - anders als die in § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG nicht genannten Einkunftsarten nach § 2 Abs. 3 Z. 4 bis 7 EStG 1988 - eine selbständige, auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Erwerbstätigkeit voraussetzen, nämlich auf Einkünfte aus "selbständiger Arbeit" im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 2 i. V.m. § 22 EStG 1988 (mit Ausnahme von Bezügen und Vorteilen aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen) sowie auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 3 i.V.m. § 23 EStG 1988, somit im Wesentlichen "aus einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt" (§ 23 Z. 1 EStG 1988). Einkünfte, die steuerlich diesen Einkunftsarten zuzuordnen sind, können daher nicht als der Privatsphäre - in Abgrenzung zu einer (selbständigen betrieblichen) Erwerbstätigkeit - zugehörig angesehen werden. Mit der unmittelbaren Anknüpfung an die steuerrechtlichen Tatbestände lässt der Gesetzgeber zudem keinen Raum dafür, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht eine eigenständige Beurteilung des Vorliegens einer selbständigen betrieblichen Tätigkeit vorzunehmen und damit materiell die im Fall des Vorliegens eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides von den Finanzbehörden im Hinblick auf die Zuordnung der Einkünfte zu den Einkunftsarten entschiedene Rechtsfrage erneut zu prüfen. Die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG richtet sich daher - soweit es um die Art der Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit geht - nach der Einkommensteuerpflicht, sodass bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem die Versicherungsgrenzen übersteigende Einkünfte der in § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG genannten Art hervorgehen, Versicherungspflicht nach der zuletzt genannten Bestimmung besteht, sofern auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz - etwa im Fall des § 4 ASVG - eingetreten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2006/08/0041 und 2006/08/0196).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er laut Einkommensteuerbescheid vom im Jahr 2000 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit iSd § 22 EStG 1988 in Höhe von EUR 5.123,80 bezogen hat. Nach dem Gesagten steht daher fest, dass es sich dabei um Einkünfte auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit iSd § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG gehandelt hat.

Dem Beschwerdeführer ist aber auch insoweit nicht Recht zu geben als er vorträgt, nur zu bestimmten Zeiten der Tätigkeit der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG zu unterliegen:

Die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG beginnt (im Hinblick auf das grundsätzlich zusätzliche Erfordernis eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides: frühestens) mit dem Tag der Aufnahme einer betrieblichen Tätigkeit (§ 6 Abs. 4 Z. 1 GSVG) und endet - sofern und insolange die für eine Versicherungspflicht maßgebenden Einkommensgrenzen überschritten werden - frühestens mit dem Letzten des Kalendermonats, in dem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeit erfolgt (§ 7 Abs. 4 Z. 1 GSVG). Für das Bestehen der Pflichtversicherung kommt es jedoch nicht darauf an, ob der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid Einkünfte aus Tätigkeiten enthält, die in dem Kalenderjahr, auf das sich der Einkommensteuerbescheid bezieht, entfaltet wurden. Es ist nur erforderlich, dass im Jahr des Zuflusses der Einkünfte weiterhin eine zur Versicherungspflicht führende Tätigkeit ausgeübt wird. Für die zeitliche Abgrenzung der Versicherungspflicht ist nur der Beginn und das Ende der betrieblichen Tätigkeit von Bedeutung. Dabei ist das bloße zeitweise Nichttätigsein, eine Betriebsunterbrechung, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes noch keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden bzw. die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter weder in das Privatvermögen übernommen noch veräußert worden sind. Wird daher z.B. ein Vortragender immer wieder tätig, so ist auch während jener Zeit eine betriebliche Tätigkeit anzunehmen, in welcher er (vorübergehend) keine Vortragstätigkeit entfaltet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0094 unter Hinsicht auf das Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0068).

Entgegen den in der Beschwerde geäußerten Bedenken besteht bei Feststellungen über den Zeitpunkt der Aufnahme und der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit keine Bindung an einen rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid. Der Beschwerdeführer zieht die Feststellungen des angefochtenen Bescheides nicht in Zweifel, wonach er seit dem Jahr 1998 ununterbrochen (sohin auch im Jahr 2000) als Seminarvortragender und Gutachter selbständig erwerbstätig ist, wobei die daraus erzielten Einkünfte erst im Jahr 2000 die in Betracht kommende Versicherungsgrenze nach § 4 Abs. 1 Z. 6 GSVG überstiegen haben. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass er - was die belangte Behörde nicht in Zweifel zieht - nur in bestimmten Zeitabschnitten des Jahres 2000 tatsächlich tätig geworden ist, er hat aber nie behauptet, seine aus den oftmals wiederholten Tätigkeiten erschließbare Absicht, in der beschriebenen Weise selbständig erwerbstätig zu sein bzw. die genannten Dienstleistungen am Markt anzubieten, in einer auch nach außen zum Ausdruck gelangenden Weise bis auf weiteres aufgegeben zu haben. Es ist auch nicht ersichtlich, worüber die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer vermissten Ermittlungen hätte vornehmen sollen.

Was schließlich den Einwand des Beschwerdeführers betrifft, die "pensionsversicherungsrechtliche Behandlung von Beamten, die nebenbei einer privaten Erwerbstätigkeit nachgehen, ist verfassungswidrig", so ist er auf die Begründung des Ablehnungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine sich aus der Zugehörigkeit einer Person zu mehreren Berufsgruppen ergebende Doppelversicherung verfassungsrechtlich unbedenklich ist (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/08/0160).

Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am