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VwGH vom 01.09.2015, 2012/15/0122

VwGH vom 01.09.2015, 2012/15/0122

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde der E GmbH in S, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstrasse 41, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0576- L/11, betreffend Lohnsteuerhaftung, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Abspruch betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen, somit hinsichtlich Lohnsteuerhaftung, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer bei der beschwerdeführenden GmbH durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde u.a. die Feststellung getroffen, dass die dem Dienstnehmer Mag. T im Jänner 2007 geleistete Zahlung in Höhe von 118.433 EUR zu Unrecht gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 als freiwillige Abfertigung begünstigt besteuert worden sei, weil der Dienstnehmer seit Beginn seines Dienstverhältnisses dem "Abfertigungssystem neu" (Abfertigung nach dem BMSVG) unterlegen sei. Die Zahlung sei daher zum vollen Lohnsteuertarif abzurechnen und in die Beitragsgrundlage für die Berechnung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag einzubeziehen.

Das Finanzamt erließ Bescheide, mit denen es der Beschwerdeführerin die auf die Zahlung entfallende Lohnsteuer zur Haftung vorschrieb und den Dienstgeberbeitrag sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007 den Prüfungsfeststellungen entsprechend festsetzte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen die genannten Bescheide erhobene Berufung als unbegründet ab.

Es sei unstrittig, dass Mag. T seit Beginn des Dienstverhältnisses am dem Abfertigungssystem "neu" unterlegen sei. Mag. T sei zwar, worauf im Vorlageantrag hingewiesen worden sei, im Unternehmen der Beschwerdeführerin bereits in der Zeit vom bis (somit vor Einführung der "Abfertigung neu") beschäftigt gewesen. Doch habe dieses Dienstverhältnis durch Selbstkündigung des Dienstnehmers geendet, was zur Folge gehabt habe, dass damit der Anspruch auf gesetzliche Abfertigung verloren gegangen sei. Bei diesem Sachverhalt könne nicht angenommen werden, dass mit der gegenständlich strittigen Abfertigung andere Arbeitsleistungen als die im neuen Dienstverhältnis erbrachten abgegolten werden sollten. Da somit auf die volle Dauer des Dienstverhältnisses bereits das neue System zur Anwendung gelange, sei gemäß § 67 Abs. 6 letzter Satz EStG 1988 die in dieser Gesetzesstelle geregelte Steuerbegünstigung zur Gänze nicht anwendbar. Die Abfertigungszahlung unterliege auch dem Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag, weil § 41 Abs. 4 lit. b FLAG 1967 nur die in § 67 Abs. 3 und 6 EStG 1988 genannten Bezüge von der Beitragspflicht ausnehme.

Dagegen wendet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Gewährung der Lohnsteuerbegünstigung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 und auf Nichtbelastung mit dem Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds samt Zuschlag hinsichtlich der ihrem Arbeitnehmer ausgezahlten freiwilligen Abfertigung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Lohnsteuerhaftung

§ 67 Abs. 6 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 100/2002 lautet:

"(6) Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von MV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen), sind mit dem Steuersatz des Abs. 1 zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Über das Ausmaß des ersten Satzes hinaus sind freiwillige Abfertigungen bei einer nachgewiesenen


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Dienstzeit von
bis zur Höhe von
3 Jahren
2/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
5 Jahren
3/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
10 Jahren
4/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
15 Jahren
6/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
20 Jahren
9/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
25 Jahren
12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate

mit den Steuersätzen des Abs. 1 zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 kürzen das steuerlich begünstigte Ausmaß. Den Nachweis über die zu berücksichtigende Dienstzeit sowie darüber, ob und in welcher Höhe Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder dieses Absatzes bereits früher ausgezahlt worden sind, hat der Arbeitnehmer zu erbringen; bis zu welchem Zeitpunkt zurück die Dienstverhältnisse nachgewiesen werden, bleibt dem Arbeitnehmer überlassen. Der Nachweis ist vom Arbeitgeber zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Soweit die Grenzen des ersten und zweiten Satzes überschritten werden, sind solche sonstige Bezüge wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. Die vorstehenden Bestimmungen zu freiwilligen Abfertigungen gelten nur für jene Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer MV-Kasse bestehen."

Der letzte Satz wurde dem § 67 Abs. 6 EStG 1988 mit der Einführung des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes (BMVG, nunmehr BMSVG), BGBl. I Nr. 100/2002, angefügt. Damit soll, wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2011/13/0086, ausgesprochen hat, bewirkt werden, dass bei Dienstverhältnissen, auf deren volle Dauer das mit dem BMVG eingeführte Abfertigungssystem angewendet wird ("neue Dienstverhältnisse"), der bisherige Inhalt des § 67 Abs. 6 EStG 1988 gänzlich unanwendbar ist. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Für Arbeitsverhältnisse, die nach dem beginnen und dem BMVG unterliegen, kommt § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht zur Anwendung. Es können daher auch keine Vordienstzeiten berücksichtigt werden (vgl. Achatz in Tomandl/Achatz/Mazal, Abfertigung neu, 224 f).

Dass das streitgegenständliche ab Jänner 2004 begonnene Dienstverhältnis des Mag. T nicht dem BMVG unterlegen wäre, behauptet die Beschwerdeführerin nicht.

Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuer richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Dienstgeberbeitrag samt Zuschlag

§ 41 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 lautet auszugsweise:

"Zur Beitragsgrundlage gehören nicht:


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a)
Ruhe- und Versorgungsbezüge,
b)
..."
Die in der Bestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 genannten Bezüge, auf welche § 41 Abs. 4 lit. b FLAG 1967 verweist, werden in dieser Vorschrift als sonstige Bezüge bezeichnet, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen).
Da im Beschwerdefall eine freiwillige Abfertigung unstrittig vorliegt, ist der Bezug - entsprechend den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/14/0034, hinsichtlich Kommunalsteuer angestellten Erwägungen - von der Bemessungsgrundlage zum Dienstgeberbeitrag (samt Zuschlag) ausgenommen, unabhängig davon, ob eine einkommensteuerlich begünstigte Besteuerung stattfinden kann. An der Eigenschaft des Bezugs als freiwillige Abfertigung ändert es nichts, wenn die Lohnsteuerbegünstigung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht wirksam wird. Eine Einschränkung auf die in § 67 Abs. 6 EStG 1988 genannten Bezüge - nur soweit sie steuerbegünstigt sind - enthält § 41 Abs. 2 lit. b FLAG 1967 nicht.
Der angefochtene Bescheid war daher, insoweit darin auch über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am