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VwGH vom 20.02.2008, 2005/08/0129

VwGH vom 20.02.2008, 2005/08/0129

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Dipl. Ing. CM in G, vertreten durch Weidacher, Imre & Schaffer Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in 8200 Gleisdorf, Ludwig Binder-Straße 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zl. 14-SV-3085/2/05, betreffend Haftung für Beiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse, 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 zu ersetzen. Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Ersatz von Aufwendungen wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der T. GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für einbehaltene Dienstnehmerbeitragsanteile für den Zeitraum Februar 2002 bis April 2002 in Höhe von EUR 3.533,79 hafte.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer mit dem erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Haftung für die auf dem Beitragskonto der T. GmbH rückständigen Sozialversicherungsbeiträge, Fondsbeiträge und Umlagen von Februar bis April 2002 zuzüglich Verzugszinsen und Nebengebühren, insgesamt in der Höhe von EUR 8.062,68 herangezogen worden sei. Der Beschwerdeführer sei als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin im Firmenbuch eingetragen und als solcher für die termingerechte Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich gewesen. Die Beiträge seien trotz eingeleiteter Fahrnisexekution nicht bezahlt worden.

Im dagegen erhobenen Einspruch habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, er sei per nach Vertragsverhandlungen mit den Vorständen der P. AG in Deutschland in die Rechtsvorgängerin der T. GmbH als Angestellter eingetreten. Schon zu diesem Zeitpunkt sei eine entsprechende Finanzausstattung des Unternehmens nicht gegeben gewesen bzw. seien die entsprechenden finanziellen Mittel erst nach Aufforderung von der Firma in Deutschland direkt zur Verfügung gestellt worden. In weiterer Folge sei von der Muttergesellschaft in Deutschland vorgegeben worden, dass ein bestimmtes Planungsbüro zu übernehmen und in die Firmenstruktur in Österreich einzubinden sei, wofür aber die Finanzausstattung nicht gegeben gewesen sei. Die entsprechenden Geldflüsse (von der Muttergesellschaft) seien sehr schleppend erfolgt, weshalb es schon im Jahr 2000 immer wieder zu erheblichen Zahlungsverzögerungen bei den Gehältern und Lieferantenverbindlichkeiten gekommen sei. Gerade die massiven finanziellen Probleme hätten den Beschwerdeführer bewogen, der Bestellung und Eintragung als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch nur unter gewissen Bedingungen, so insbesondere einer entsprechenden Patronatserklärung der Muttergesellschaft, zuzustimmen. Die Zurverfügungstellung der entsprechenden finanziellen Mittel sei ihm auch nach der Übernahme der Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer immer wieder zugesichert worden, wobei er keine Möglichkeit gehabt habe, auf die Modalitäten der Zahlungen, sei es an Lieferanten oder Mitarbeiter, Einfluss zu nehmen. Ende des Jahres 2001 sei ihm von der Muttergesellschaft mitgeteilt worden, dass die T. GmbH liquidiert werden solle. Um dieses Vorhaben umsetzen zu können, sei er ersucht worden, die Geschäftsführung noch solange zu behalten. Nachdem ein Liquiditätsplan für die Monate Mai/Juni 2002 den Umstand erhärtet habe, dass für eine entsprechende Liquidierung die notwendigen Mittel fehlten, habe sich der Beschwerdeführer veranlasst gesehen, seine Funktion als Geschäftsführer per zurückzulegen.

Nach Darlegung des weiteren Verfahrensganges sowie der anzuwendenden Bestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin im Firmenbuch vom bis zum , also auch im haftungsrelevanten Zeitraum, als Geschäftsführer eingetragen und daher für die termingerechte Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich gewesen sei. Unbestritten sei, dass Dienstnehmerbeitragsanteile in Höhe von EUR 3.533,79 von Februar bis April 2002 einbehalten und nicht an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse abgeliefert worden seien.

Dem Einwand des Beschwerdeführers im Einspruch, wonach er als Geschäftsführer der T. GmbH keinerlei Einfluss auf die Zahlungsflüsse der Gesellschaft gehabt habe, da dies ausschließlich in der Hand der Muttergesellschaft in Deutschland gelegen sei, entgegnete die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer in seinem Einspruch selbst angegeben habe, dass ihn bereits im Jahre 2001 massive finanzielle Probleme bewogen hätten, einer Bestellung und Eintragung als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch nur unter gewissen Bedingungen, insbesondere einer entsprechenden Patronatserklärung der Muttergesellschaft zuzustimmen. Da diese Bedingungen offensichtlich nicht eingehalten worden seien, wäre es in der Verantwortung des Beschwerdeführers gelegen, unverzüglich die Geschäftsführerfunktion zurückzulegen und dies auch im Firmenbuch entsprechend löschen zu lassen. Dies sei allerdings nicht geschehen, der Beschwerdeführer habe sich vielmehr überreden lassen, die Liquidation der Gesellschaft zu übernehmen, ohne sich dabei jedoch darum zu kümmern, dass die einbehaltenen Dienstnehmerbeitragsanteile auch entsprechend an die Kärntner Gebietskrankenkasse abgeführt worden seien. Es sei deshalb im alleinigen Verschulden des Geschäftsführers gelegen, dass diese Sozialversicherungsbeiträge uneinbringlich geblieben seien.

Weiters schränkte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf die Verzugszinsen und Nebengebühren den in Haftung zu ziehenden Betrag auf EUR 3.533,70 ein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften (unter anderem) die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

2. Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin war und dass Dienstnehmerbeitragsanteile für Februar bis April 2002 einbehalten und nicht an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse abgeführt wurden.

Der Beschwerdeführer wendet sich in seinem Vorbringen aber gegen die Annahme der belangten Behörde, es sei ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen. Er bringt dazu vor, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, auf die Modalitäten der Zahlungen, sei es an Lieferanten oder auch an die Mitarbeiter der Beitragsschuldnerin, Einfluss zu nehmen, da die Zurverfügungstellung und Freigabe der finanziellen Mittel "allein und ausschließlich allein" durch die N. AG in Deutschland bzw. die

P. GmbH in Österreich als Muttergesellschaft der Beitragsschuldnerin erfolgt sei. Ungeachtet der prekären finanziellen Situation seien vor Februar 2002 Lieferantenforderungen befriedigt und die Gehälter der Mitarbeiter bezahlt worden, dies jeweils auf massives Drängen des Beschwerdeführers auf Freigabe der entsprechenden finanziellen Mittel in Deutschland bzw. bei der Muttergesellschaft in Österreich. Der Beschwerdeführer sei bis zur Zurücklegung seiner Geschäftsführerfunktion überaus bemüht gewesen, für eine ordentliche Liquidation der Gesellschaft zu sorgen, wobei in diesem Zusammenhang wesentlich sei, dass jeweils Zahlungseingänge aus verschiedenen noch bearbeiteten Aufträgen unverzüglich und ohne Einflussnahme des Beschwerdeführers den Konten der Muttergesellschaft bzw. der N. AG gutgebucht worden seien. Der Beschwerdeführer habe über einen Zeitraum von vier Monaten selbst kein Gehalt ausbezahlt bekommen. Der daraus resultierende Schaden für den Beschwerdeführer sei erheblich und belaufe sich auf rd. EUR 10.000,--. Es sei unrichtig, dass sich der Beschwerdeführer nicht darum gekümmert hätte, dass einbehaltene Dienstnehmerbeitragsanteile abgeführt worden seien. Er habe vielmehr unter Inkaufnahme erheblicher persönlicher Nachteile versucht, für eine ordnungsgemäße Liquidation der Gesellschaft zu sorgen. Dies sei auf Grund "bewusster Täuschungshandlungen der verantwortlichen Personen" gescheitert, was dem Beschwerdeführer nicht anzulasten sei. Die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinander gesetzt, dass der Beschwerdeführer - "wohl als haftungsbegründende Voraussetzung" - über Geldmittel selbst nicht habe verfügen können, ungeachtet dessen aber bemüht gewesen sei, Verpflichtungen der von ihm vertretenen Gesellschaft nach außen jedenfalls nachzukommen.

4. Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG in Ermangelung weiterer in den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich normierter Pflichten des Geschäftsführers im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese in § 111 ASVG in Verbindung mit § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 98/08/0191, 0192). An der Verpflichtung des zur Vertretung befugten Organs einer juristischen Person, einbehaltene Dienstnehmerbeiträge dem Versicherungsträger abzuführen, hat sich auch durch die Aufhebung des § 114 ASVG durch das Sozialbetrugsgesetz, BGBl. Nr. 152/2004, materiell nichts geändert; nunmehr ergibt sich diese Verpflichtung aus § 153c Abs. 2 StGB (vgl. dazu die Erläuterungen zur RV 698 BlgNR 22. GP, S. 7 und 11).

5. Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung wegen eines Verstoßes gegen § 153c StGB setzt voraus, dass er Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten hat. In subjektiver Hinsicht muss ihm in Ansehung aller Tatbestandselemente Vorsatz zur Last liegen. Ein Vorenthalten der Dienstnehmeranteile an Sozialversicherungsbeiträgen liegt nicht nur dann vor, wenn diese bei der Lohn- oder Gehaltsauszahlung an den Dienstnehmer beim Dienstgeber bar verbleiben. Es genügt auch die rechnungsmäßige Kürzung der Löhne und Gehälter um den vom Dienstnehmer zu tragenden Sozialversicherungsbeitrag bei der Auszahlung (vgl. in diesem Sinne zu § 114 ASVG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0142).

6. Dass es zu einem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen im Sinne der obigen Ausführungen gekommen ist, steht - vom Beschwerdeführer nicht bestritten - fest. Soweit er sein Verschulden daran zusammengefasst damit bestreitet, dass er über die Geldmittel der Beitragsschuldnerin nicht selbst habe verfügen können und die Freigabe aller Mittel allein durch die Muttergesellschaft erfolgt sei, so kann ihm darin nicht gefolgt werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Geschäftsführer im Falle der Behinderung durch andere Geschäftsführer, durch Gesellschafter oder durch dritte Personen verpflichtet, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden. Bleibt der Geschäftsführer weiterhin tätig, obwohl er sich in seiner Pflichterfüllung behindert sieht, verletzt er (bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen) seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben. Ein für die Haftung relevantes Verschulden liegt auch dann vor, wenn sich ein Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, welche die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung unmöglich macht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/08/0072, und - zur diesbezüglich vergleichbaren Bestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG - vom , Zl. 2000/08/0032).

Der Beschwerdeführer, dem nach seinem eigenen Vorbringen die finanziellen Schwierigkeiten der Beitragsschuldnerin schon bei Aufnahme der Geschäftsführerfunktion bekannt waren, hat ungeachtet der von ihm auch in der Beschwerde ausdrücklich behaupteten faktischen Beschränkung seiner Geschäftsführungsbefugnisse durch das Handeln von Verantwortlichen der Muttergesellschaft aber die Funktion als Geschäftsführer weder zurückgelegt noch Schritte unternommen, um ihm die volle Ausübung seiner Rechte als Geschäftsführer zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie von einem die Haftung im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG begründenden Verschulden des Beschwerdeführers ausgegangen ist.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der Antrag der

mitbeteiligten Partei auf Ersatz für den Schriftsatzaufwand war gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG abzuweisen, da sie nicht durch einen Anwalt vertreten war.

Wien, am