VwGH vom 20.11.2017, Ra 2017/17/0333

VwGH vom 20.11.2017, Ra 2017/17/0333

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der N in B in der S, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 41.23-1905/2016-6, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leoben), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom wurde gegenüber der revisionswerbenden Partei die Beschlagnahme eines näher bezeichneten Glücksspielgeräts gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a iVm § 52 Abs 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) angeordnet.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark, in welcher sie unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision ist schon in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen aufgeworfene Rechtsfrage zur Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 44 VwGVG zulässig und berechtigt.

6 Das Verwaltungsgericht begründete das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung damit, dass die entscheidungswesentlichen Sachverhalte und Elemente bereits durch den vorgelegten Akt der belangten Behörde ausreichend dargestellt und geklärt seien. Die mündliche Erörterung hätte damit zu keiner Änderung der Sach- und Rechtslage geführt.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 53 Abs 2 GSpG bereits ausgesprochen, dass die Bestimmungen über die Beschlagnahme im Glücksspielgesetz als Regelungen des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen sind (vgl , mwN), weshalb die Vorschriften über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen des VwGVG (§§ 37ff VwGVG) zur Anwendung zu gelangen haben. Im Hinblick auf die in Frage stehende Verhandlungspflicht bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass § 44 VwGVG anzuwenden gewesen wäre.

8 Nach § 44 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr C 83 vom S 389, entgegenstehen.

9 Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" im Sinne des Art 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl zB ). Schon im Hinblick auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes wegen Verletzung von Grundfreiheiten wäre daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen.

10 In der Beschwerde wurden auch Tatsachenfragen aufgeworfen, sodass kein Entfall der Verhandlungspflicht eingetreten ist, weil Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage gewesen wäre (vgl das soeben zitierte Erkenntnis vom ).

11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170333.L00

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