VwGH vom 30.06.2017, Ra 2017/17/0078

VwGH vom 30.06.2017, Ra 2017/17/0078

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der L s.r.o. in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 41.23-1546/2016-4, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom wurde gegenüber der revisionswerbenden Partei gemäß §§ 53 Abs 1 Z 1 lit a, Abs 2 und Abs 3 Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme näher bezeichneter Glücksspielgeräte samt sonstiger Eingriffsgegenstände angeordnet.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark, in welcher sie unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde der revisionswerbenden Partei ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei. Es ging davon aus, dass eine Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes nicht vorliege.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Revision kostenpflichtig zurück- in eventu abzuweisen.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Im Hinblick auf die in der Revision vorgebrachte Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes liegt mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/17/0022, sowie der sich daran anschließenden hg Judikatur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage vor. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen.

10 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art 267 AEUV klar bzw geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl , Dickinger und Ömer, Rn 83 f, vom , C-390/12, Pfleger, Rn 47 ff, sowie vom , C-464/15, Admiral Casinos & Entertainment, Rn 31, 35 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen (vgl ).

11 Die Revision zeigt somit in Bezug auf den Einwand der Unionsrechtswidrigkeit des GSpG keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG auf.

12 Hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens, es liege eine erhebliche Rechtsfrage vor, weil das Verwaltungsgericht entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine mündliche Verhandlung anberaumt habe, obwohl die revisionswerbenden Parteien die Anberaumung der Verhandlung ausdrücklich beantragt hätten, ist die Revision jedoch zulässig und berechtigt.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 53 Abs 2 GSpG bereits ausgesprochen, dass die Bestimmungen über die Beschlagnahme im Glücksspielgesetz als Regelungen des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen sind (vgl , mwN), weshalb die Vorschriften über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen des VwGVG (§§ 37ff VwGVG) zur Anwendung zu gelangen haben. Im Hinblick auf die in Frage stehende Verhandlungspflicht bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass § 44 VwGVG anzuwenden gewesen wäre.

14 Das Landesverwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs 2 bis 5 leg cit finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Nach § 44 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr C 83 vom S 389 entgegenstehen. Ein Absehen von der Verhandlung wäre daher nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen gewesen (vgl , mwN).

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am