VwGH vom 26.11.2015, 2012/15/0038
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Finanzamtes Klagenfurt in 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 2 und 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , Zlen. RV/0597-K/08, RV/0598-K/08, betreffend u.a. Einkommensteuer 2003 bis 2006 (mitbeteiligte Partei: DDr. J N, Wirtschaftsprüfer in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein Wirtschaftsprüfer, war Kommanditist der X GmbH Co KG. Mit einer als (geänderter) Feststellungsbescheid intendierten Erledigung vom wurden ihm für das Jahr 1997 Einkünfte aus dieser Beteiligung von 35,129.383 S zugewiesen. Aufgrund dieser als Feststellungsbescheid intendierten Erledigung vom erging am ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997, mit dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Mitbeteiligten mit 30,702.142 S (bis dahin - 4,427.241 S) und der Gesamtbetrag der Einkünfte mit 23,741.165 S (bis dahin -606.716 S) festgesetzt wurden.
Gegen die als Feststellungsbescheid intendierte Erledigung vom wurde beim für die X GmbH Co KG zuständigen Finanzamt Berufung erhoben. Mit der Begründung, dass es sich bei der Erledigung vom um einen Nichtbescheid handle, wies der unabhängige Finanzsenat die Berufung mit Bescheid vom als unzulässig zurück. Das für die X GmbH Co KG zuständige Finanzamt erließ sodann einen mit datierten Feststellungsbescheid für das Jahr 1997, der in Rechtskraft erwuchs. Im Feststellungsbescheid vom wurden dem Mitbeteiligten für das Jahr 1997 wieder Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 35,129.383 S zugewiesen.
Mit Schreiben vom übermittelte der Mitbeteiligte dem für ihn zuständigen Finanzamt den Zurückweisungsbescheid vom und ersuchte, den gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1997 vom , von Amts wegen aufzuheben. Als Folge der Nichtigkeit des "Feststellungsbescheides" seien auch die "Einkommensteuerbescheide für die Folgejahre von Amts wegen zu korrigieren, und zwar unter Zugrundelegung der (vom Mitbeteiligten) abgegebenen Steuererklärungen".
Am erging ein Einkommensteuerbescheid 1997, mit dem das Finanzamt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Mitbeteiligten mit -4,427.241 S und den Gesamtbetrag der Einkünfte mit -606.716 S festsetzte.
Aufgrund des am ergangenen Feststellungsbescheides der X GmbH und Co KG erließ das für den Mitbeteiligten zuständige Finanzamt am einen weiteren gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1997, mit dem die Einkünfte des Mitbeteiligten aus Gewerbebetrieb wiederum mit 30,702.142 S und der Gesamtbetrag der Einkünfte mit 23,741.165 S festgesetzt wurden. Der Mitbeteiligte berief mit Schriftsatz vom gegen diesen Bescheid und brachte in der Berufung vor, dass der Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom der Eintritt der Bemessungsverjährung entgegenstehe. Das Finanzamt gab dieser Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom statt.
Im Februar 2005 wurde beim Mitbeteiligten eine Außenprüfung betreffend die Jahre 2000 bis 2002 abgeschlossen. Im Rahmen dieser Prüfung stellte der Prüfer unter Bezugnahme auf die als Feststellungsbescheid intendierte Erledigung vom u. a. fest, dass "durch die Feststellung eines Sanierungsgewinnes im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung betreffend die Beteiligung an der (X GmbH Co KG) für das Jahr 1997" im Jahr 2000 sämtliche Verlustvorträge aufgebraucht seien. Die Verlustverrechnung in den Jahren 1997 bis 2000 stellt sich laut dem - in den Verwaltungsakten einliegenden - Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wie folgt dar:
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Verlustvortrag zum | -31,837.459 S |
Verlustverrechnung 1997 (Anteil Sanierungsgewinn GmbH Co KG) | 19,920.640 S |
Verlustverrechnung 1998 | 1,044.253 S |
Verlustverrechnung 1999 | 424.494 S |
Verlustverrechnung 2000 | 10,448.072 S |
Verbleibender Verlustvortrag | 0 S |
Das Finanzamt folgte dem Prüfer, ließ bei der Einkommensteuerveranlagung 2000 einen Verlust von 10,448.072 S zum Abzug zu und ging davon aus, dass damit der zum bestehende Verlustvortrag zur Gänze aufgebraucht sei.
Mit Bericht vom wurde beim Mitbeteiligten eine weitere Außenprüfung betreffend die Jahre 2003 bis 2006 abgeschlossen. Im Gefolge dieser Prüfung erließ das Finanzamt Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2003 bis 2006 mit Ausfertigungsdatum , gegen die der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom Berufung erhob. Die Berufung richtete sich zunächst gegen Feststellungen des Prüfers, die nicht mehr streitgegenständlich sind. In einem ergänzenden Schriftsatz brachte der Mitbeteiligte weiters vor, die Berufung gegen eine als Feststellungsbescheid 1997 intendierte Erledigung des für die X GmbH Co KG zuständigen Finanzamtes sei vom unabhängigen Finanzsenat mit Bescheid vom als unzulässig zurückgewiesen worden. Der Mitbeteiligte habe die Aussetzung von bei der Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 2001 und 2002 vorgeschriebenen Abgabenbeträgen beantragt, weil bei einer positiven Erledigung der nunmehr zurückgewiesenen Berufung Verlustvorträge im Ausmaß von 75 % des Gesamtbetrages der Einkünfte als Sonderausgabe zu berücksichtigen wären. Das Finanzamt habe diesen Anträgen stattgegeben. Am sei dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers die ausgesetzte Einkommensteuer für die Jahre 2001 und 2002 samt Zinsen und Aussetzungszinsen angelastet worden. Aufgrund der Aktenlage sei ersichtlich, dass in den Jahren 2001 und 2002 keine Verlustvorträge berücksichtigt worden seien. Daher werde beantragt, "bei den Veranlagungen zur Einkommensteuer ab dem Kalenderjahr 2003 neben dem Verlustvortrag in der Höhe von EUR 791.773,69 auch die Verlustvorträge in der Höhe von EUR 340.241,13 (2001) und EUR 339.336,97 (2002), in der Summe somit EUR 679.578,10, zu berücksichtigen".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Begehren des Mitbeteiligten auf Berücksichtigung der bislang nicht verrechneten Verluste im Streitzeitraum Folge und begründete dies im Wesentlichen damit, dass ein fiktiver Verlustabzug nur dann vorzunehmen sei, wenn keine Veranlagung erfolgt sei. Werde - wie im Streitfall - eine Veranlagung vorgenommen, stelle der Betrag, der im jeweiligen Einkommensteuerbescheid als Sonderausgabe berücksichtigt worden sei, eine abgabenrechtlich bedeutsame Tatsache dar, über die mit Bindungswirkung für die Folgejahre entschieden worden sei (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/13/0011).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Finanzamt erhobene Beschwerde.
In der Anfechtungserklärung wendet sich das Finanzamt gegen die Berücksichtigung von Verlustverträgen als Sonderausgaben in den Jahren 2003 bis 2006.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des StruktAnpG 1996, BGBl. Nr. 201, sind als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind, wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.
Der Verlustabzug ist - unter Beachtung der Verrechnungsgrenze des § 2 Abs. 2b EStG 1988 - von Amts wegen im ersten Jahr vorzunehmen, in welchem der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Abzug der anderen Sonderausgaben einen positiven Betrag ergibt. Ein allfälliger Rest ist bei Vorliegen hinreichender Einkünfte im jeweils nächstfolgenden Jahr abzuziehen. Die gesetzliche Vorschrift für den Verlustabzug gibt dem Abgabepflichtigen kein Wahlrecht, wann er von dem Recht des Verlustabzuges Gebrauch machen will. Ein Verlustvortrag ist daher auch insoweit zwingend geltend zu machen, als er das Jahreseinkommen unter jene Grenze absenkt (derzeit 11.000 EUR), ab der nach § 33 EStG 1988 überhaupt Steuerpflicht ausgelöst wird, auch wenn diesfalls der Verbrauch des Verlustvortrags keine Minderung der Steuerlast zur Folge hat. Unterbleibt der Verlustabzug, obwohl eine Verrechnungsmöglichkeit bestand, darf in den Folgejahren grundsätzlich nur der Restbetrag berücksichtigt werden; es ist also gegebenenfalls ein fiktiver Verlustabzug zu rechnen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 931/77, VwSlg 5159/F, und vom , 2012/15/0014, mwN).
Gemäß § 188 Abs. 1 BAO werden u.a. die Einkünfte aus Gewerbebetrieb einer Mitunternehmerschaft einheitlich festgestellt. Gegenstand der Feststellung ist gemäß § 188 Abs. 2 BAO auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird im Einkommensteuerbescheid des Verlustjahres die Höhe eines Verlustes mit rechtskraftfähiger Wirkung festgesetzt. Es wird damit im Sinne des § 92 Abs. 1 lit. b BAO eine abgabenrechtlich bedeutsame Tatsache festgestellt. Der Ausspruch eines Verlustes im Einkommensteuerbescheid wirkt auf ein späteres Verlustabzugsverfahren derart ein, dass der ursprüngliche Verlustausspruch für den nachfolgenden Verlustvortrag betragsmäßig verbindlich wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 2006/15/0026, VwSlg 8310/F, mwN). Grundsätzlich nichts anderes gilt für den Umfang des Abzuges im jeweiligen auf die Entstehung des Verlustes folgenden Jahr: Auch der Verlustbetrag, der im jeweiligen Einkommensteuerbescheid als Sonderausgabe berücksichtigt worden ist, stellt eine abgabenrechtlich bedeutsame Tatsache dar, über die mit Bindungswirkung für weitere Folgejahre entschieden wird (vgl. das Erkenntnis vom , 94/13/0011, sowie Hofstätter/Reichel , EStG 1988,§ 18 Abs. 6 und 7 Tz 4). In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass - wie oben ausgeführt - kein Wahlrecht für die Geltendmachung des Verlustvortrages bzw. für das Jahr, in welchem der Verlustvortrag abgezogen werden soll, besteht. Ist es dem Steuerpflichtigen zuzurechnen, dass im Einkommensteuerbescheid eines auf das Verlustentstehungsjahr folgenden Jahres der Verlustvortrag mit einem zu geringen Betrag als Sonderausgabe Berücksichtigung findet, verliert jener Betrag des vortragsfähigen Verlustes, der als Sonderausgabe hätte abgezogen werden können, seine Vortragsfähigkeit in Folgejahren.
Im Streitfall liegt ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid 1997 vor, in dem Einkünfte des Mitbeteiligten aus Gewerbebetrieb von -4,427.241 S und - nach vertikalem Verlustausgleich - ein Gesamtbetrag der Einkünfte von - 606.716 S ausgewiesen sind. Weiters existiert ein (nachträglich erlassener) rechtskräftiger Feststellungsbescheid für das Jahr 1997, mit welchem dem Beschwerdeführer Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 35,129.383 S zugewiesen werden.
Im Allgemeinen stellt die BAO insbesondere mit den Regelungen der §§ 192 und 295 sicher, dass die Anteile eines Mitunternehmers am Gewinn oder Verlust einer Mitunternehmerschaft in der im Feststellungsbescheid nach § 188 BAO ausgewiesenen Höhe in den Einkommensteuerbescheid des Mitunternehmers Eingang finden. Ergibt es sich aber, dass über die Höhe des Anteils an einem betrieblichen Verlust (Verlusttangente) eines konkreten Jahres im rechtskräftigem Feststellungescheid nach § 188 BAO einerseits und im rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid andererseits (endgültig) unterschiedlich abgesprochen wird - etwa weil bei Erlassung des Feststellungsbescheides die Bemessungsverjährung für die Einkommensteuer bereits abgelaufen ist - so kommt der Feststellung des Verlustes im Einkommensteuerbescheid der Vorrang zu, weil ein allfälliger Ausgleich des Verlustes mit positiven Einkünften des betreffenden Jahres im Einkommensteuerbescheid erfolgt und nur der danach verbleibende Betrag vortragsfähig ist. Dies gilt auch dann, wenn der im rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Verlustbetrag objektiv unrichtig ist (vgl. das Erkenntnis vom , 2006/15/0026, VwSlg 8310/F).
Die Einkünfte des Mitbeteiligten aus Gewerbebetrieb für das Jahr 1997 wurden in einem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid mit -4,427.241 S ausgewiesen; von diesem Verlust verbleibt - nach vertikalem Verlustausgleich - ein Gesamtbetrag von -606.716 S. Von diesem Verlust aus Gewerbebetrieb des Jahres 1997 ist - wegen der Feststellung im rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid - für den Verlustvortrag der Folgejahre auszugehen.
In den Einkommensteuerbescheiden 2000, 2001 und 2002 wurde ein Verlustvortrag nicht (2001 und 2002) bzw. nur mit verminderten (2000) Beträgen angesetzt.
Wie oben ausgeführt, stellt der Ausspruch des Einkommensteuerbescheides über das Ausmaß der Verrechnung des Verlustvortrages die Feststellung einer abgabenrechtlich bedeutsamen Tatsache im Sinne des § 92 Abs. 1 lit. b BAO dar und ist damit für das Verlustabzugsverfahren der Folgejahre betragsmäßig verbindlich. Ein Fall, in dem der Verlustvortrag in einem über den im Einkommensteuerbescheid als verrechnet ausgewiesenen Betrag hinausgehenden Ausmaß die Vortragsfähigkeit verliert, weil es dem Steuerpflichtigen zuzurechnen wäre, dass der Verlustvortrag im Einkommensteuerbescheid zu gering vorgenommen worden wäre, liegt hier nicht vor. Der Mitbeteiligte hat nämlich in den Abgabenerklärungen der Jahre 2000 bis 2002 die höchstmögliche Verlustverrechnung beantragt. Diese wurde ihm im Hinblick auf die als Feststellungsbescheid 1997 intendierte Erledigung vom teilweise verwehrt und ist aufgrund der zwischenzeitig eingetretenen Bemessungsverjährung der betreffenden Veranlagungsjahre nicht mehr möglich. Damit stößt es aber auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, wenn die belangte Behörde die in den Jahren 2000, 2001 und 2002 nicht verrechneten Verluste im Streitzeitraum berücksichtigt hat.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008. Das Begehren der mitbeteiligten Partei betreffend Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil nach § 48 Abs. 3 Z 2 VwGG nur der Ersatz des Aufwandes gebührt, der für den Mitbeteiligten als obsiegende Partei mit der Einbringung einer schriftlichen Äußerung zur Beschwerde durch einen Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) verbunden war. Ersatz für Schriftsatzaufwand kommt daher dann nicht in Betracht, wenn ein Wirtschaftsprüfer - wie im Beschwerdefall - in eigener Sache einschreitet.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am