VwGH vom 26.02.2015, 2012/15/0035
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde des P D in W (Deutschland), vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom , Zlen. RV/0231-S/09, RV/0233-S/09, RV/0301- S/09 und RV/0397-S/09, betreffend Einkommensteuer 1999 bis 2005 und 2007, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Abspruch betreffend Einkommensteuer 2003 bis 2005 und 2007 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen (somit hinsichtlich der Jahre 1999 bis 2002) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezog in den streitgegenständlichen Jahren, in denen er in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig war, neben diversen steuerpflichtigen Einkünften Kapitaleinkünfte aus argentinischen, brasilianischen und griechischen Forderungswertpapieren (Staatsanleihen), die er als gemäß den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreie Einkünfte erklärte.
Das Finanzamt berücksichtigte diese Einkünfte im Rahmen der Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes für die Einkommensteuerbemessung der Jahre 1999 bis 2005 sowie 2007 (Anwendung des so genannten Progressionsvorbehaltes).
Den gegen die Einkommensteuerbescheide der angeführten Jahre erhobenen Berufungen gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid - abgesehen von einem nur das Jahr 1999 betreffenden Punkt - keine Folge.
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, der unbeschränkt steuerpflichtige Beschwerdeführer habe in Österreich grundsätzlich steuerpflichtige, durch Doppelbesteuerungsabkommen aber steuerbefreite Kapitaleinkünfte bezogen und einerseits erklärt, von seinem Wahlrecht nach § 37 Abs. 8 EStG 1988 Gebrauch zu machen, andererseits aber die vom jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen erfassten ausländischen Kapitaleinkünfte als steuerfreie Einkünfte erklärt. Die streitgegenständlichen Kapitaleinkünfte würden aufgrund der jeweiligen Bestimmungen in den einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen in Österreich nicht der Einkommensbesteuerung unterliegen, seien aber im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen. Für die Zwecke der Ermittlung des Einkommensteuersatzes sei zunächst zu unterstellen, dass kein Doppelbesteuerungsabkommen bestehe, was zur Folge habe, dass die gegenständlichen ausländischen Kapitaleinkünfte in Österreich als einkommensteuerpflichtig zu behandeln seien. Eine Versteuerung der ausländischen Kapitaleinkünfte mit dem 25%-igen Steuersatz des § 37 Abs. 8 EStG 1988 könne aber nur für den Fall der tatsächlichen Versteuerung dieser Einkünfte in Österreich angenommen werden; die Endbesteuerungswirkung trete nur bei tatsächlicher Abführung dieser 25%-igen Einkommensteuer ein. Für derartige inländische Kapitalerträge - denen ausländische gemäß §§ 37 Abs. 8 und 97 Abs. 4 EStG 1988 gleichgestellt seien - sei nämlich in den Bestimmungen der §§ 91 und 97 EStG 1988 geregelt, dass die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben werde, dass die Einkommensteuer durch den Steuerabzug abgegolten sei und dass, soweit die Steuer abgegolten sei, die Kapitalerträge weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen zu berücksichtigen seien.
Eine (fiktive) Besteuerung mit 25% sei somit nicht möglich, da der Gesetzgeber diese Form der Besteuerung nur dann zugestehe, wenn die Steuer tatsächlich abgeführt werde. Die streitgegenständlichen ausländischen Kapitaleinkünfte, die ohne Doppelbesteuerungsabkommen in Österreich der Einkommensteuerpflicht unterliegen würden, könnten daher für die Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes nicht fiktiv mit 25% besteuert werden, sondern seien im Rahmen des Progressionsvorbehaltes dem Gesamteinkommen zuzurechnen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtberücksichtigung ausländischer Kapitalerträge bei der Ermittlung der Einkommensteuer verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 8 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 71/2003 seien ausländische Zinsen aus Forderungswertpapieren im Zuge der Einkommensteuerberechnung weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen zu berücksichtigen. Österreich habe überdies nach den anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen kein Besteuerungsrecht an den gegenständlichen Zinsen, weshalb die jeweiligen Methodenartikel der Abkommen nicht zur Anwendung kämen und die Zinsen daher auch nicht bei der Progressionsermittlung berücksichtigt werden dürften. Da die gegenständlichen Zinsen nach innerstaatlichem Recht der Endbesteuerung unterliegen würden, könne im Übrigen auch durch Doppelbesteuerungsabkommen kein (zusätzliches) Besteuerungsrecht in Form einer Progressionsberücksichtigung begründet werden. Hinsichtlich der vor dem zugeflossenen (ausländischen) Einkünfte sei die vorzitierte Bestimmung des § 37 Abs. 8 EStG 1988 aus europarechtlichen Gründen analog anzuwenden und seien diese Zinsen ebenfalls als endbesteuert anzusehen, da diese andernfalls gegenüber im selben Zeitraum zugeflossenen inländischen Zinsen benachteiligt würden.
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuersatz bemisst sich nach dem (Gesamt)Einkommen, worin innerstaatlich der Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage findet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0051; Widhalm in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 159 ff, der den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung betont).
Doppelbesteuerungsabkommen können eine sich nach innerstaatlichem Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen, indem sie eine so genannte Schrankenwirkung entfalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0021).
Das (mit außer Kraft getretene) Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Argentinischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 11/1983 (DBA Argentinien), bestimmt in Bezug auf die streitgegenständlichen Kapitaleinkünfte Folgendes:
"Artikel 11 Zinsen
(1) Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, dürfen nur im erstgenannten Staat besteuert werden; die Steuer darf aber 12,5 vom Hundert des Bruttobetrages der Zinsen nicht übersteigen.
(...)
Abschnitt V
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Artikel 23 Befreiungsmethode
Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen nur in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; dieser Staat kann aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären."
Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Republik Brasilien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 431/1976 (DBA Brasilien), lautet in Bezug auf die hier strittigen Einkünfte wie folgt:
"Artikel 11 Zinsen
(1) Zinsen, die aus einem Vertragstaat stammen und an eine in dem anderen Vertragstaat ansässige Person gezahlt werden, dürfen in dem anderen Staat besteuert werden.
(2) Diese Zinsen dürfen jedoch in dem Vertragstaat aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber 15 vom Hundert des Bruttobetrages der Zinsen nicht übersteigen.
(3) Ungeachtet der Bestimmungen der Absätze 1 und 2 dürfen (...)
b) Zinsen, die aus Anleihen oder Obligationen der Regierung eines Vertragstaates oder einer Einrichtung (einschließlich eines Finanzierungsinstitutes), die dieser Regierung gehört, an eine im anderen Vertragstaat ansässige Person gezahlt werden, (...) nur in dem erstgenannten Staat besteuert werden. (...)
Artikel 23 Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
(...)
(3) Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte und dürfen diese Einkünfte nach diesem Abkommen in Brasilien besteuert werden, so nimmt Österreich, vorbehaltlich der Absätze 4 bis 7, diese Einkünfte von der Besteuerung aus; Österreich darf aber bei Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.
(...)"
Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Griechenland (nunmehr: der Hellenischen Republik) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 39/1972 (DBA Griechenland), bestimmt (auszugsweise) im gegenständlichen Kontext Folgendes:
"Artikel 11 (1)
Vorbehaltlich der Bestimmungen des Absatzes 2 dürfen Zinsen, die aus einem Vertragstaat stammen und an eine in dem anderen Vertragstaat ansässige Person gezahlt werden, nur in dem anderen Staat besteuert werden.
(2) Zinsen aus Staatsanleihen eines Vertragstaates dürfen nur in diesem Staat besteuert werden. (...)
Artikel 23
(1) Bezieht eine in einem Vertragstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und können diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen nur in dem anderen Vertragstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat, vorbehaltlich des Absatzes 2, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; dieser Staat kann aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.
(...)"
Keines der im Beschwerdefall anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen steht demnach der Berücksichtigung der ausländischen Kapitaleinkünfte bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen entgegen. Da in den gegenständlich anwendbaren Verteilungsnormen (Art. 11 der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen) zwar eine Besteuerung der vorliegenden Kapitaleinkünfte in Österreich, nicht aber deren progressionswirksame Berücksichtigung ausgeschlossen wird, kann eine solche im Sinne des angeführten Erkenntnisses vom vorgenommen werden, sofern sich aus (anderen) innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht anderes ergibt.
Die Beschwerde sieht als solche Bestimmung den mit dem BGBl. I Nr. 71 und 80/2003 (für die ab zugeflossenen Einkünfte) eingeführten § 37 Abs. 8 EStG 1988. Dieser lautet auszugsweise:
"§ 37 Ermäßigung der Progression, Sondergewinne
(8) Folgende Einkünfte oder Kapitalerträge sind bei der Berechnung der Einkommensteuer desselben Einkommensteuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen und mit einem besonderen Steuersatz von 25% zu versteuern:
(...)
2. Ausländische Kapitalerträge im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 1 lit. a bis c, die nicht von einer inländischen auszahlenden Stelle (§ 95 Abs. 3 Z 4) ausbezahlt werden.
3. Nicht im Inland bezogene Kapitalerträge im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 3 sowie des § 93 Abs. 3. (...)
Die Kapitalerträge sind ohne jeden Abzug anzusetzen. Im Falle einer Veranlagung gemäß § 97 Abs. 4 ermäßigt sich die Steuer auf jenen Betrag, der sich nach dem allgemeinen Steuertarif ergibt.
§ 97 Abs. 4 Z 2 ist sinngemäß anzuwenden. Die Einkommensteuer gilt durch diese besondere Besteuerung als abgegolten. (...)"
Bei den gegenständlichen Kapitaleinkünften handelt es sich unstrittig um Erträge aus ausländischen Forderungswertpapieren (Staatsanleihen), die mangels Vorliegens einer inländischen Zahlstelle in den Anwendungsbereich des im Beschwerdezeitraum für ab zugeflossene Einkünfte in Geltung gestandenen § 37 Abs. 8 EStG 1988 fielen.
Nach § 37 Abs. 8 Z 2 EStG 1988 unterliegen ausländische Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren dem fixen Steuersatz von 25 %. Diese Bestimmung verbietet es, die ab April 2003 zugeflossenen streitgegenständlichen Einkünfte progressionserhöhend heranzuziehen. Dies gilt auch dann, wenn wie im Beschwerdefall die ausländischen Kapitaleinkünfte durch ein DBA steuerfrei gestellt sind. Für die bis März 2003 zugeflossenen Kapitaleinkünfte fehlt es an einer derartigen Sonderbestimmung und kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , 2004/15/0051, verwiesen werden.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Jahre 2003 bis 2005 und 2007 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen, somit hinsichtlich der Jahre 1999 bis 2002, war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
Wien, am