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VwGH vom 19.09.2013, 2012/15/0014

VwGH vom 19.09.2013, 2012/15/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1130 Wien, St. Veitgasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1784- W/06, miterledigt RV/1783-W/06, betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte im Rahmen der Steuererklärungen für die Jahre 2002 und 2003 jeweils einen Verlustabzug iHv 199.730,02 EUR und 159.912,86 EUR, welche vom Finanzamt nicht anerkannt wurden, weil der Verlustabzug bereits bei der Veranlagung 2000 verbraucht worden sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und verwies begründend auf ein anhängiges Rechtsmittelverfahren aus seiner Beteiligung an der G-KG für die Jahre 1998 bis 2000. Nach seiner Ansicht würde sich bei einer diesem Berufungsbegehren Rechnung tragenden Berufungserledigung keine Nachforderung an Einkommensteuer für das Jahr 2002 bzw. noch ein Verlustabzug iHv 130.743,33 EUR ergeben.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab. Der Verlustabzug auf Grund der Ergebnismitteilungen der G-KG für die Jahre 1993 bis 1997 sei im Jahr 1998 und der entstandene Verlustabzug iHv 660.000 EUR im Jahr 2000 restlos verbraucht worden. Da das Einkommen 2001 positiv gewesen sei, existiere somit kein Verlustabzug mehr. Das Rechtsmittel gegen die Feststellungsbescheide 1998 bis 2001 der G-KG sei zurückgenommen worden, sodass sich keine Änderung des Verlustabzuges ergeben könne.

In seinem Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass sich zwar das Berufungsbegehren auf solche Verlustvorträge beziehe, die aus den Feststellungsbescheiden 1998 bis 2001 der G-KG abzuleiten seien, und die Berufungen für diese Jahre zwischenzeitig zurückgezogen worden seien, jedoch stünden im vorliegenden Fall Verlustvorträge aus den Jahren 1993 bis 1997 in Streit, die gleichfalls aus Feststellungsbescheiden der G-KG resultierten, welche ursprünglich hinsichtlich der Jahre 1998 bis 2001 berücksichtigt hätten werden sollen.

Im Rahmen eines Vorhalteverfahrens des Finanzamtes wurde dem Beschwerdeführer in der Folge eine Berechnung der allfälligen Verlustabzüge im Falle der vollständigen Stattgabe übermittelt. Für die Streitjahre 2002 und 2003 verbleibe - nach Verrechnung des Verlustabzugs jeweils im frühestmöglichen Jahr - selbst im Falle einer völligen Stattgabe kein Verlustabzug, weil die Verluste teilweise bereits im Jahr des Entstehens mit den bisherigen Einkünften aus selbständiger Arbeit bzw. als Verlustabzug in den Jahren 1995 bis 2001 zu verrechnen wären.

Der Beschwerdeführer antwortete auf den Vorhalt dahingehend, dass eine verpflichtende Verrechnung der Verlustabzüge im jeweils frühestmöglichen Jahr unstrittig sei. Allerdings bestünden offenbar unterschiedliche Rechtsauffassungen dahingehend, wie das jeweils frühestmögliche Jahr der Verrechnung derjenigen Verlustabzüge, die im Falle einer stattgebenden Erledigung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde entstehen würden, zu ermitteln sei. Nach seiner Auffassung sei das frühestmögliche Jahr grundsätzlich so zu ermitteln, dass die Verlustabzüge in denjenigen Jahren zu berücksichtigen seien, welche noch nicht rechtskräftig veranlagt seien. Dies ergebe sich aus der Norm des § 18 Abs. 6 EStG 1988, wonach Verlustabzüge insoweit Berücksichtigung zu finden hätten, als die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gemäß § 281 BAO die Entscheidung über die Berufungen bis zur Beendigung der beim Verwaltungsgerichtshof betreffend die Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO für die Jahre 1993 bis 1997 der G-KG schwebenden Verfahren aus.

Nach Ergehen des hg. Erkenntnisses vom , 2006/13/0062 und 0063, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung ab. Begründend führte sie aus, dass der Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 und 7 EStG 1988 zwingend, d. h. von Amts wegen, nach Abzug aller anderen Sonderausgaben im frühestmöglichen Zeitpunkt und im höchstmöglichen Ausmaß vorzunehmen sei. Es bestehe somit kein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, in welchem Jahr der Verlustvortrag berücksichtigt werde. Unterbleibe ein Verlustabzug (in früheren Jahren), obwohl eine Verrechnungsmöglichkeit bestanden habe, dann dürfe in den Folgejahren nur der Restbetrag berücksichtigt werden (fiktiver Verlustabzug). Entsprechendes gelte, wenn im Verlustjahr bzw. Folgejahr eine Veranlagung unterbleibe, weil kein Antrag nach § 41 Abs. 2 EStG 1988 gestellt worden sei (fiktiver Verlustabzug).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Begründend führt sie aus, dass zwar die Verlustabzugsverrechnung (von der gesetzlichen Ausnahme des Verrechnungsverbots in den Jahren 1996 und 1997 abgesehen) im jeweiligen unmittelbaren Folgejahr des Jahres der Verlustentstehung zu beginnen habe. Die diesbezügliche Literatur und Judikatur gingen dabei allerdings teilweise ausdrücklich, teilweise implizit von der Voraussetzung aus, dass die Rechtskraft der über die Einkommenshöhe absprechenden Bescheide (Feststellungs- und Einkommensteuerbescheide) zeitlich geordnet eintrete, sodass also ein Verlust aus dem Jahr 1 bereits endgültig und in Rechtskraft feststehe, wenn die Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2 stattfinde (oder eine diesbezügliche Antragsmöglichkeit gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 gegeben sei). Gerade dies treffe aber nicht zu, weil die Verluste aus den Jahren 1993 bis 1997 erst 2009 endgültig und in Form rechtskräftiger Bescheide feststünden, zu welchem Zeitpunkt die Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 1998 bis 2001 längst rechtskräftig geworden seien.

Liege beispielsweise im Jahr 1 ein Verlust von 100 und im Jahr 2 und 3 jeweils ein Gewinn von 200 vor und sei bei rechtskräftiger Veranlagung des Jahres 1 das Jahr 2 bereits rechtskräftig veranlagt, so wolle die belangte Behörde lediglich eine ,"fiktive Verlustverrechnung" im Jahr 2 mit dem Ereignis zulassen, dass ein "fiktiver Verbrauch" des Verlustabzuges im Jahr 2 (beim konkreten Sachverhalt: in den Jahren ab 1998) stattfinde und solcherart im Jahr 3 (beim gegebenen Sachverhalt: in den Jahren ab 2002) kein "tatsächlicher Verlustabzug" mehr möglich sei. Dass langjährige Auseinandersetzungen über die Höhe des Einkommens des Jahres 1 (beim konkreten Sachverhalt: der Jahre 1993 bis 1997), in denen der Abgabepflichtige letztlich obsiege, infolge zwischenzeitig rechtskräftiger Einkommensteuerveranlagung des Jahres 2 dazu führten, dass der Abgabepflichtige um den Verlustabzug überhaupt "umfalle", könne keine dem Gleichheitssatz entsprechende Gesetzesauslegung bedeuten. Zur Vermeidung dieses gleichheitswidrigen Ergebnisses müsse im Beispielsfall der Verlustabzug aus dem Jahr 1 im Jahr 3 als dem frühestmöglichen Zeitpunkt zur Verrechnung zugelassen werden, wenn nicht trotz eingetretener Rechtskraft nach den verfahrensrechtlichen Normen eine Möglichkeit der "nachträglichen" Berücksichtigung des Verlustabzuges im Jahr 2 bestehe.

Eine derartige Möglichkeit der "nachträglichen" Verlustabzugsberücksichtigung nach eingetretener Rechtskraft biete das Verfahrensrecht nach Auffassung des Beschwerdeführers jedoch nicht. Die belangte Behörde weise demgegenüber zwar insbesondere auf § 295 Abs. 3 BAO hin, der nach Auffassung des Beschwerdeführers jedoch nicht anwendbar sei:

Zum Einen sei fraglich, ob ein grundlagenbescheidähnlicher Bescheid iSd § 295 Abs. 3 BAO ein anderes Veranlagungsjahr als dasjenige Jahr betreffen könne, das der abgeleitete Bescheid zum Gegenstand habe. Dies würde nämlich bedeuten, dass eine für das Jahr des grundlagenbescheidähnlichen Bescheides nachträglich vertretene abweichende Rechtsansicht jedenfalls auf das Folgejahr des abgeleiteten Bescheides, in dem zunächst eine andere Rechtsansicht vertreten worden sei, entgegen des im Abgabenrecht sonst geltenden "Abschnittsprinzips" "durchschlage".

Zum Anderen dürften Änderungen und Aufhebungen gemäß § 295 Abs. 3 BAO in Ansehung des § 302 Abs. 1 BAO nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist erfolgen. Entstehe ein in den Folgejahren abzugsfähiger Verlust aufgrund einer Wiederaufnahme des Verfahrens iSd § 303 BAO (und nicht im Rahmen der Erledigung einer Berufung, in welchem Fall dem Verjährungseintritt § 209a Abs. 2 BAO entgegenstehe), so sei der entsprechende Bescheid nicht mehr als grundlagenbescheidähnlicher Bescheid für einen abgeleiteten Bescheid eines Folgejahres verwertbar, wenn hinsichtlich dieses Folgejahres bereits Verjährung eingetreten sei. Eine solche (wohl gleichheitswidrige) Einschränkung der Verlustabzugsmöglichkeit auf Fälle noch nicht eingetretener Verjährung sei eine Konsequenz der Anwendung des § 295 Abs. 3 BAO auf den gegebenen Sachverhalt, würde aber die nach § 18 Abs. 6 EStG 1988 fraglos jedenfalls zustehende Verlustvortragsverrechnung im frühestmöglichen Jahr verhindern. Auch daraus sei ableitbar, dass § 295 Abs. 3 BAO nicht zur Lösung des gegenständlichen Problems herangezogen werden könne, sondern diese nur darin bestehen könne, das frühestmögliche Jahr der Verlustabzugsverrechnung iSd § 18 Abs. 6 EStG 1988 als dasjenige Jahr zu bestimmen, hinsichtlich dessen noch keine rechtskräftige Veranlagung bei "nachträglichem" Hervorkommen abzugsfähiger Verluste vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 sind Verluste als Sonderausgaben abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug), wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und soweit sie nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.

Der Verlustabzug ist demnach von Amts wegen im ersten Jahr vorzunehmen, in welchem der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Abzug der anderen Sonderausgaben einen positiven Betrag ergibt. Ein allfälliger Rest ist bei Vorliegen hinreichender Einkünfte im jeweils nächstfolgenden Jahr abzuziehen. Die gesetzliche Vorschrift für den Verlustabzug gibt dem Abgabepflichtigen kein Wahlrecht, wann er von dem Recht des Verlustabzuges Gebrauch machen will. Unterbleibt der Verlustabzug, obwohl eine Verrechnungsmöglichkeit bestand, darf in den Folgejahren nur der Restbetrag berücksichtigt werden; es ist also ein fiktiver Verlustabzug zu rechnen (vgl. dazu schon das hg. Erkenntnis vom , 931/77, Slg. 5159/F).

Über die Höhe des vorzutragenden Verlustes ist dabei für das Jahr abzusprechen, in welchem der Verlust entstanden ist, wobei der Bescheid dieses Jahres diesbezüglich bindende Tatbestandswirkung auch für die Folgejahre hat. Ob der ziffernmäßig feststehende Verlust auch vorgetragen werden darf, ist aber jeweils in jenem Jahr zu entscheiden, in welchem der betreffende Vortrag vorgenommen werden soll (vgl. ebenso das hg. Erkenntnis vom , 931/77, Slg. 5159/F).

Es besteht daher insoweit ein Zusammenhang zwischen den Veranlagungen aufeinander folgender Veranlagungsjahre, als die Höhe des Verlustes mit rechtskraftfähiger Wirkung im Verlustjahr festgesetzt wird. Der diesbezügliche Ausspruch wirkt auf ein späteres Veranlagungsverfahren somit derart ein, dass er für den nachfolgenden Verlustvortrag betragsmäßig verbindlich wird (vgl. mit weiteren Hinweisen auch das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0026).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 2006/15/0085, ausgesprochen hat, bietet die Bundesabgabenordnung in der Bestimmung des § 295 Abs. 3 BAO ein geeignetes Instrumentarium, um der Wirkung für die Folgejahre Rechnung zu tragen. Danach sind Abgabenbescheide ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, zu ändern, wenn der Spruch dieser Bescheide anders hätte lauten müssen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Maßnahmen gemäß § 295 Abs. 3 BAO stehen dabei nicht im behördlichen Ermessen, sondern sind zwingend vorzunehmen (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz , BAO3 § 295 Rz 4).

Für sie kommt auch § 209a Abs. 3 BAO zur Anwendung. Hängt demnach eine Abgabenfestsetzung (wie im Beschwerdefall die Festsetzung der Einkommensteuer 2002 und 2003 gegenüber dem Beschwerdeführer) unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung (wie im Beschwerdefall von der Erledigung seiner Berufung betreffend die Feststellungsbescheide der G-KG aus den Jahren 1993 bis 1997 und der sich daraus ergebenden Höhe der in den Folgejahren noch offenen Verlustanteile) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde. Vor diesem Hintergrund ist auch für den Beschwerdeführer eine zeitraumgerechte Berücksichtigung von aus seinem Rechtsmittel betreffend die Feststellungsbescheide der G-KG resultierenden Ansprüchen gewährleistet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0216).

Die Zurückziehung der Berufungen hinsichtlich der Feststellungsbescheide der G-KG der Jahre 1998 bis 2001 hindert Folgeänderungen, die sich aus der nachfolgenden Entscheidung über offene Berufungen betreffend die Feststellungsbescheide der G-KG betreffend die Jahre 1993 bis 1997 ergeben, dabei nicht, denn die Einkommensteuerveranlagungen der Folgejahre hängen mittelbar auch bereits von diesen Feststellungsbescheiden ab.

Dass die Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 1998 bis 2001 in dem Zeitpunkt, als die Verluste aus den Jahren 1993 bis 1997 in Form rechtskräftiger Bescheide feststanden, bereits ihrerseits rechtskräftig waren, kann nach dem Gesagten nicht dazu führen, dass nunmehr der gesamte offene Verlust - unter "Überspringung" dieser abgeschlossenen Veranlagungsjahre - erst in den Folgejahren, die noch nicht rechtskräftig veranlagt sind, geltend gemacht werden kann.

Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass dem Abgabepflichtigen durch die Wahl der Ergreifung von Rechtsmitteln hinsichtlich einzelner Veranlagungsjahre eine Gestaltungsmöglichkeit dahingehend gegeben würde, in welchem Veranlagungsjahr ein strittiger Verlustanteil aus einer Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft allenfalls Berücksichtigung beim Mitunternehmer finden könnte. Ein solches Wahlrecht findet jedoch im Gesetz keine Deckung.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 455.

Wien, am