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VwGH vom 05.09.2019, Ra 2017/16/0049

VwGH vom 05.09.2019, Ra 2017/16/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, MMag. Maislinger und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Dr. H S in W, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100131/2017, betreffend Abgabenerhöhung gemäß § 29 FinStrG iVm § 10 Kapitalabfluss-Meldegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Schriftsatz vom erstattete der Revisionswerber Selbstanzeige und legte offen, in den Jahren 2006 bis 2012 Kapitalerträge aus ausländischen Kapitalanlagen bezogen und nicht in seine Einkommensteuererklärunge n aufgenommen zu haben.

2 Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die entsprechenden Abgabennachforderungen für die Jahre 2006 bis 2012 fest.

3 Da die Finanzvergehen mit Vermögenswerten im Zusammenhang standen, deren Zufluss gemäß § 6 Kapitalabfluss-Meldegesetz meldepflichtig war, schrieb das Finanzamt mit Bescheid vom dem Revisionswerber eine Abgabenerhöhung gemäß § 29 Abs. 6 FinStrG iVm § 10 Kapitalabfluss-Meldegesetz iHv 78.454,01 EUR vor. In der Begründung führte das Finanzamt aus, nach § 29 Abs. 6 FinStrG iVm § 10 Kapitalabfluss-Meldegesetz trete eine strafbefreiende Wirkung von Selbstanzeigen nur insoweit ein, als neben den verkürzten Abgaben auch eine festzusetzende Abgabenerhöhung rechtzeitig entrichtet werde. Im gegenständlichen Fall bestehe aufgrund der Selbstanzeige vom der Verdacht eines vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Finanzvergehens, weshalb eine Abgabenerhöhung vorzuschreiben sei. Aufgrund der sich aus der Selbstanzeige ergebenden Summe der Mehrbeträge von 261.513,38 EUR sei die Abgabenerhöhung gemäß § 29 Abs. 6 FinStrG mit 30 % zu bemessen. 4 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom beantragte der Revisionswerber die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheids. Die Vorschreibung der Abgabenerhöhung sei zu Unrecht erfolgt, weil es an der Voraussetzung des § 29 Abs. 6 FinStrG, dass die Selbstanzeige anlässlich einer angekündigten oder sonst bekanntgegebenen finanzbehördliche Nachschau oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen erfolgt sei, fehle. Darüber hinaus verstoße die Festsetzung einer Abgabenerhöhung im gegenständlichen Fall gegen das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 2 FinStrG.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde des Revisionswerbers ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht - soweit hier wesentlich - aus, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, BGBl. I Nr. 116/2015, ziele u.a. auf die Erfassung von Abgabepflichtigen ab, die im Vorfeld des Inkrafttretens des Steuerabkommens mit der Schweiz zum ihr in diesem Land veranlagtes Kapitalvermögen auf eine österreichische Bank übertragen hätten. Die Konten und Depots des Revisionswerbers in der Schweiz seien im Jahr 2012 und somit im meldepflichtigen Zeitraum ( bis ) geschlossen worden, sodass seine österreichische Bank verpflichtet gewesen wäre, die erfolgten Kapitalzuflüsse aus der Schweiz bis spätestens zu melden. Der Revisionswerber habe durch die Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen eine schuldhafte Verkürzung der bescheidmäßig festzusetzenden Einkommensteuer der Jahre 2006 bis 2012 bewirkt. § 10 Abs. 2 Kapitalabfluss-Meldegesetz enthalte für die von der Meldepflicht nach § 6 leg. cit. umfassten Kapitalzuflüsse eine eigenständige Selbstanzeigebestimmung und ordne an, dass für Selbstanzeigen strafbefreiende Wirkung nur insoweit eintrete, als auch eine Abgabenerhöhung entrichtet werde, wobei § 29 Abs. 6 FinStrG sinngemäß gelte. Aufgrund der bloß "sinngemäßen" Anwendung des § 29 Abs. 6 FinStrG setze eine Abgabenerhöhung gemäß § 10 Abs. 2 Kapitalabfluss-Meldegesetz aber nicht voraus, dass die Selbstanzeige anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung erstattet werde. Auch ein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 2 FinStrG liege nicht vor.

6 In der dagegen erhobenen Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des § 10 Abs. 2 Kapitalabfluss-Meldegesetz, insbesondere zur Frage, ob aufgrund des Verweises auf § 29 Abs. 6 FinStrG eine Abgabenerhöhung nur vorzuschreiben sei, wenn die Selbstanzeige anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe erstattet worden sei. Weiters liege noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Anwendung des Günstigkeitsvergleichs nach § 4 Abs. 2 FinStrG (und Art. 7 EMRK) auf Abgabenerhöhungen bei Selbstanzeigen nach § 29 Abs. 6 FinStrG iVm § 10 Abs. 2 Kapitalabfluss-Meldegesetz vor.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verfahrensakten durch das Bundesfinanzgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde sowie einer Replik durch die Revisionswerberin - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

8 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet. 9 § 10 des Bundesgesetzes, mit dem u.a. das Bundesgesetz über die Meldepflicht von Kapitalabflüssen und von Kapitalzuflüssen (Kapitalabfluss-Meldegesetz) erlassen wird, BGBl. I Nr. 116/2015, lautet:

"Selbstanzeige

§ 10. (1) Wird Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) wegen Finanzvergehen erstattet, denen ein Sachverhalt zugrunde liegt, der zur Bildung von Vermögenswerten geführt hat, deren Zufluss gemäß § 6 meldepflichtig ist, ist insoweit § 29 Abs. 3 lit. d FinStrG nicht anzuwenden.

(2) Für Selbstanzeigen gemäß Abs. 1 tritt strafbefreiende Wirkung nur insoweit ein, als auch eine Abgabenerhöhung entrichtet wird. § 29 Abs. 6 FinStrG gilt sinngemäß."

10 § 29 Abs. 6 des Bundesgesetzes vom , betreffend das Finanzstrafrecht und das Finanzstrafverfahrensrecht (Finanzstrafgesetz - FinStrG), BGBl. Nr. 129/1958 idF BGBl. I Nr. 65/2014, lautet:

"(6) Werden Selbstanzeigen anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe erstattet, tritt strafbefreiende Wirkung hinsichtlich vorsätzlich oder grob fahrlässig begangener Finanzvergehen nur unter der weiteren Voraussetzung insoweit ein, als auch eine mit einem Bescheid der Abgabenbehörde festzusetzende Abgabenerhöhung unter sinngemäßer Anwendung des Abs. 2 entrichtet wird. Die Abgabenerhöhung beträgt 5 % der Summe der sich aus den Selbstanzeigen ergebenden Mehrbeträgen. Übersteigt die Summe der Mehrbeträge 33 000 Euro, ist die Abgabenerhöhung mit 15 %,

übersteigt die Summe der Mehrbeträge 100 000 Euro, mit 20 % und

übersteigt die Summe der Mehrbeträge 250 000 Euro, mit 30 % zu bemessen. Insoweit Straffreiheit nicht eintritt, entfällt die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenerhöhung, dennoch entrichtete Beträge sind gutzuschreiben. Die Abgabenerhöhung gilt als Nebenanspruch im Sinne des § 3 Abs. 2 lit. a BAO."

11 Im revisionsgegenständlichen Fall ist unstrittig, dass eine Selbstanzeige nach § 29 Abs. 6 FinStrG iVm § 10 Abs. 1 Kapitalabfluss-Meldegesetz erstattet wurde und im Zeitpunkt der Erstattung dieser Selbstanzeige eine finanzbehördliche Nachschau oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen weder angemeldet noch sonst bekannt gegeben war. Strittig ist lediglich, ob auch in diesem Fall nach § 10 Kapitalabfluss-Meldegesetz eine Abgabenerhöhung vorzuschreiben war.

12 Nach § 10 Abs. 2 erster Satz Kapitalabfluss-Meldegesetz kommt einer Selbstanzeige im Sinne des Abs. 1 eine strafbefreiende Wirkung nur insoweit zu, als auch eine Abgabenerhöhung entrichtet wird. § 10 Abs. 2 erster Satz Kapitalabfluss-Meldegesetz setzt somit für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige im Sinne des Abs. 1 jedenfalls die Entrichtung einer Abgabenerhöhung voraus.

13 § 10 Abs. 2 zweiter Satz Kapitalabfluss-Meldegesetz, wonach

§ 29 Abs. 6 FinStrG "sinngemäß" gilt, kann aufgrund der expliziten Anordnung im ersten Satz daher nur so verstanden werden, dass § 29 Abs. 6 FinStrG nur insoweit anzuwenden ist, als nicht bereits

§ 10 Kapitalabfluss-Meldegesetz eine eigenständige Regelung trifft. Damit gelten durch den Hinweis auf die "sinngemäße Anwendung" insbesondere die Regeln des § 29 Abs. 6 FinStrG über die bescheidmäßige Vorschreibung und die Berechnung der Abgabenerhöhung auch für die im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige nach § 10 Abs. 1 Kapitalabfluss-Meldegesetz vorzuschreibende Abgabenerhöhung.

14 Hätte der Gesetzgeber, wie vom Revisionswerber vorgebracht, die Vorschreibung einer Abgabenerhöhung vom Vorliegen sämtlicher in § 29 Abs. 6 FinStrG normierter Voraussetzungen abhängig machen wollen, hätte es der gesonderten Anordnung des § 10 Abs. 2 Kapitalabfluss-Meldegesetz nicht bedurft oder hätte diese nicht erfolgen dürfen.

15 Dem Bundesfinanzgericht ist daher zu folgen, wenn es die Ansicht vertritt, dass einer Selbstanzeige gemäß § 10 Abs. 1 Kapitalabfluss-Meldegesetz nur bei Entrichtung einer Abgabenerhöhung strafbefreiende Wirkung zukommen kann, unabhängig davon, ob bereits eine finanzbehördliche Nachschau oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen angemeldet oder sonst bekannt gegeben war.

16 Auch aus der in § 10 Abs. 1 Kapitalabfluss-Meldegesetz normierten Anordnung, wonach § 29 Abs. 3 lit. d FinStrG nicht anzuwenden sei, lässt sich - entgegen dem Vorbringen in der Replik - für die Ansicht des Revisionswerbers nichts gewinnen, wird damit doch lediglich zum Ausdruck gebracht, dass eine Selbstanzeige iSd § 10 Abs. 1 Kapitalabfluss-Meldegesetz selbst dann strafbefreiende Wirkung haben kann, wenn bereits einmal hinsichtlich desselben Abgabenanspruchs eine Selbstanzeige erstattet wurde.

17 Weiters bringt der Revisionswerber vor, im gegenständlichen Fall wäre ein Günstigkeitsvergleich nach § 4 Abs. 2 FinStrG (und Art. 7 EMRK) anzustellen gewesen. Die betreffenden Finanzvergehen hätten die Einkommensteuererklärungen der Jahre 2006 bis 2012 betroffen. Der späteste Tatzeitpunkt sei daher der (Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2012) gewesen. Das Kapitalabfluss-Meldegesetz und damit die in § 10 Abs. 2 leg. cit. normierte Abgabenerhöhung sei jedoch erst am in Kraft getreten. Somit habe sich die Rechtslage für den Revisionswerber rückwirkend - nach den jeweiligen Tatzeitpunkten (Einreichung der Einkommensteuererklärungen) - verschlechtert, weshalb die betreffende Abgabenerhöhung aufgrund des Günstigkeitsvergleichs nach § 4 Abs. 2 FinStrG (und Art. 7 EMRK) nicht vorzuschreiben gewesen wäre. 18 Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis vom , E 2751/2018, mit der durch die FinStrG-Novelle 2014, BGBl. I 65/2014, erfolgten Änderung der in § 29 Abs. 6 FinStrG normierten Abgabenerhöhung bei Selbstanzeigen auseinander gesetzt und wie folgt ausgeführt:

"(...) § 29 (Abs 6) FinStrG regelt, unter welchen Voraussetzungen das Nachtatverhalten strafbefreiend wirkt. Dies ist von Regelungen zum Sachverhalt der Tatbegehung - wie etwa betreffend der objektiven und subjektiven Tatseite eines (Finanz-)Deliktes, Rechtfertigungsgründe oder Schuldausschließungsgründe - zu trennen.

Es liegt in der Rechtsnatur des Strafaufhebungsgrundes der Selbstanzeige, dass dieser seine Rechtswirkung nicht im Tatzeitpunkt, sondern erst nach Verwirklichung der Tat - vorliegend im Zeitpunkt, in dem sich der Täter zur Erstattung einer Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG entschließt - entfaltet. Die zunächst gegebene Strafbarkeit eines Finanzvergehens wird zu einem späteren Zeitpunkt - etwa durch Verjährung (§ 31 FinStrG) oder durch ein bestimmtes Nachtatverhalten (§§ 29, 30, 30a FinStrG) - beseitigt (vgl Lässig, aaO, § 4 Rz 8; § 29 Rz 1).

Die Frage des Günstigkeitsvergleichs nach Art 7 EMRK - dessen Anwendbarkeit im konkreten Fall vorausgesetzt - stellte sich im Hinblick auf § 29 FinStrG nur dann, wenn das (nach der alten Rechtslage günstiger behandelte) Nachtatverhalten bereits gesetzt wurde und nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung rückwirkend strengeren Anforderungen unterworfen wird (vgl im Hinblick auf die Verjährung OGH RS0116876; Lässig, aaO, § 4 Rz 8 mwN; siehe in diese Richtung bereits VfSlg 9382/1982). (...)"

19 Für die in § 10 Abs. 2 Kapitalabfluss-Meldegesetz normierte Abgabenerhöhung kann nichts anderes gelten. Die Frage des Günstigkeitsvergleichs nach Art. 7 EMRK und § 4 Abs. 2 FinStrG stellt sich daher nur dann, wenn das (nach der alten Rechtslage günstiger behandelte) Nachtatverhalten (in diesem Fall die Selbstanzeige) bereits vor Inkrafttreten der die Voraussetzungen einer Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG betreffenden Gesetzesänderung gesetzt worden wäre und dieser Strafaufhebungsgrund die Strafbarkeit zum Erlöschen gebracht hätte und das Nachtatverhalten rückwirkend strengeren Anforderungen unterworfen würde, wodurch die Strafbarkeit wieder aufleben würde.

20 Das Kapitalabfluss-Meldegesetz wurde mit dem Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 116/2015, eingeführt und ist - mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung - gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung, somit mit Ablauf des in Kraft getreten. Die Selbstanzeige wurde vom Revisionswerber erst mit Schriftsatz vom und damit jedenfalls erst nach Inkrafttreten des Kapitalabfluss-Meldegesetzes erstattet, sodass ein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 2 FinStrG (und Art. 7 EMRK) von vornherein nicht in Betracht kommt. 21 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017160049.L00

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